Wie viel Integrationswillen verträgt die Gesellschaft, wo beginnt und wo endet Diskriminierung? Fragen, die in dem von Tina Leisch entworfenen dreisprachigen Theaterstück „Liebesforschung“ aufgezeigt werden.
Fast täglich gibt es Nachrichtenmeldungen über den Unwillen durchschnittlicher europäischer Bevölkerungsschichten, die nicht bereit sind mit so genannten Minderheiten Tür an Tür zu leben, bzw. dass die Kinder in der Schule in Kontakt mit den „Minderheiten-Kindern“ (zugegeben: das ist ein ziemliches Un-Wort) zu kommen. So ziemlich am stärksten betroffen – weiterhin – sind dabei Roma und Sinti, mittlerweile die größte Minderheit in der Europäischen Union. Auch wenn der offizielle Politikerwille anders spricht, leben Roma und Sinti häufig deutlich unter der Armutsgrenze. Ein Grund dafür ist freilich auch das niedrige Bildungsniveau. Genau hier wird aber bis heute nicht angesetzt um eine Änderung herbeizuführen, da können die Politiker noch so schön reden, getan wird nichts. Dieses Dilemma setzt sich natürlich fort, denn selbst wenn ein hierzulande benötigtes Bildungsniveau erreicht wird, bleibt die Ausgrenzung. Jobperspektiven? Putzarbeiten. Das Stück „Liebesforschung“ braucht dabei weder in irgendwelche Trickkisten zu greifen, noch irgendetwas zu überzeichnen. Und macht es auch nicht. Das Leben spricht für sich.
Zum Inhalt: Sophia Svetlova hat in Pristina Literaturwissenschaft studiert und ist vor den Feindseligkeiten gegenüber den Roma im Kosovo nach Österreich geflüchtet. In einem Österreichischen Flüchtlingsheim lernt sie nun die Kunst des Wartens. Alle Versuche, ihre akademische Qualifikation in einem Job oder wenigstens in einer Beschäftigung umzusetzen, scheitern am Fremdenrecht. Angebote, durch Putzarbeiten in Privathaushalten, sich wenigstens die Bibliotheksgebühren zu verdienen, lehnt sie ab. Da sie mangels Zugang zu jugoslawischer Literatur ihre wissenschaftliche Vorhaben nicht weiterführen kann, beschließt sie eine Studie über die Liebesvorstellungen in der populären Musik der Roma und führt Vergleiche mit Liebeskonstruktionen in der oral history der aus Ex-Jugoslawien geflüchteten Roma und anderen Bewohner/innen des Flüchtlingsheimes durch.
Diskriminierungen innerhalb der Volksgruppe – wie z.B. Zwangsheirat – und die Themen Scheinehe und Prostitution kommen dabei ebenfalls zum Vorschein und zu einem ganz wichtigen Handlungsstrang von „Liebesforschung“ wie all jene Ingredienzien, die ein Theaterstück prinzipiell spannend und unterhaltsam machen: Geschichten von Liebe, Treue, Eifersucht in all ihren Variationen. Dazu gibt es jede Menge Live-Musik (Harri Stojka!) und das hervorragend umgesetzte dreisprachige Spiel. Das Ensemble – eine Mixtur aus Profischauspieler/innen und Laiendarsteller/innen – macht so z.B. das Beste aus diesem guten Stück. Eine Hauptrolle dabei spielt die sehr gute Sängerin Matilda Leko, die hier auch ihr schauspielerisches Talent beweist. Der Star des Stücks ist die Figur des alten (scheinbar senilen und stets angeheiterten) alten Mannes (siehe Fotos oben), der mich stark an den "Frosch" in der "Fledermaus" erinnerte. Grotesk, intelligent, lustig, einfühlsam, berührend und gar nicht mal so desillusionierend. (Text: Manfred Horak; Fotos: Mario Lang)
Link-Tipp:
Initiative Minderheiten