New New West ist das Motto des neuen Projekts „Drama X Herbstausflug“, in dem fünf Regisseure fünf Dokumentarfilme für die Bühne adaptieren. Jedes Projekt dauert ca. 90 Minuten, und versucht mit den Mitteln der Bühne die Inhalte der Dokumentarfilme zu transportieren, bzw. zu übersetzen.
Einen Dokumentarfilm nachspielen - darf man das?! Es sind doch gerade die Echtheit der Fakten und Schicksale, die ungeschminkten Interviews das Besondere einer Dokumentation. Die Filmbilder zeigen doch reale Menschen, ganz neutral!? Genau das gilt es zu untersuchen. Es ist ein sehr spannendes Unterfangen, zu sehen, wo die Qualität der Bühne in ihrer Unmittelbarkeit und physischen Wahrheit zum Erlebnis wird, gerade wenn es inhaltlich um ganz aktuelle „wahre Geschichten“ geht.
Das ist besonders gut in der Umsetzung von Ali M. Abdullah von dem Film „My Life as a Terrorist“ von Alexander Oey gelungen. Vor allem durch die großartige Darstellung von „Hans-Joachim Klein“ durch Alexander Simon. Allein diese Gelegenheit sollte man sich nicht entgehen lassen. Alexander Simon schafft es durch seine schauspielerische Brillianz und seine Ernsthaftigkeit sich einem solchen Charakter anzunähern, den Menschen Hans-Joachim Klein weder zu denunzieren, noch ihn zu heroisieren. Der Schauspieler lebt und zeigt die Erbärmlichkeit eines terroristischen Schicksals - ohne Wertung, mit viel Herz und der nötigen Unberechenbarkeit.
„Mardi Gras – Made in China“ wirkt in der Bühnenversion von Barbara te Kock & Philine Velhagen erstmal etwas befremdlich boulevardesk. Je länger die Farce sich abspielt, desto schärfer und brisanter wird jedoch die Aussage, die gerade durch die Umsetzung auf der Bühne hautnah den Zuschauer an geht. Denn es geht um reale Menschen, die genau jetzt parallel zu uns für unseren Billigkonsum Schwitzen. Das muß man im Theater in voller Länge spüren, riechen und schmecken, ob ich hinschaue oder nicht. Das ist der Unterschied zum Kino. Da rieche und spüre ich nur meinen Nachbar-Konsumenten.
„Darwins Nightmare“ von Hubert Sauper, ist allerdings schwer auf die Bühne zu bringen. Der Regisseur, Marlon Metzen, hat durch seinen Ansatz sogar eher den Spieß umgedreht und die Methodik der Berichterstattung eines Films in Frage gestellt. Ob bewußt oder unbewußt wurde nicht ganz deutlich. Es war zumindest das erstemal die Bemühungen spürbar, eine Betroffenheit zu vermitteln, die nicht durch Nachstellen von echten Interviews und dokumentierten Handlungen erreichbar ist. Im Gegenteil, der Versuch die Menschen vor der Kamera genauso „nach zu spielen“, die Erlebnisberichte, die Kinderaussagen zu wiederholen, scheint plötzlich den Wahrheitsgehalt, bzw. die Manipulationsmethodik der „ Film-Dokumentation“ zu entlarven.
Zwei Filme sind noch im Schnitt bevor sie live verstrahlt werden. Die Premiere von "Urgences" von Raymond Depardon unter der Regie von Georg Staudacher findet am 19.11. im Ensemble Theater statt und die Premiere von "ENRON the smartest guys in the room" von Alex Gibney inszeniert von Christoph Ernst am 20.12. im TAG.
Alle Aufführungen und ihre Wiederholungen im Überblick:
TAG: 20. und 21.12.
"Urgences", "My Life as a Terrorist" und die Premiere von "ENRON the smartest guys in the room" von Alex Gibney, R.: Christoph Ernst.
Schauspielhaus Wien: 8. und 9.2.2007
jeweils alle fünf Stücke
Das Programm unter der künstlerischen Leitung von Harald Posch und Ali M. Abdullah wird durch Gespräche und Filmvorführungen ergänzt. (sl)