Martin Puntigam; Foto: Manfred Horak

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Wenn das mein restliches Berufsleben ist, dann soll mir nicht viel schlimmeres passieren: Interview mit Martin Puntigam

Kulturwoche.at: Wie geht es dir nach dem Auftritt, hast du immer noch einen Adrenalinkick oder Euphorie?

Interview mit Martin Puntigam; Foto: Manfred HorakMartin Puntigam: Euphorie ist übertrieben, aber Adrenalin ist viel im Blut und normalerweise kann ich lange Zeit nicht einschlafen. Das ist weniger diese unbewältigbare Aufregung, sondern das ist einfach diese hohe Konzentration, die ich auf der Bühne haben muss, damit ich diesen ganzen Text irgendwie hinbringe und die Figur halten kann.

Bist du vor Auftritten noch nervös oder gibt es Rituale, die du machst?

Martin Puntigam: Nervös bin ich eigentlich wirklich selten vor Auftritten. Gestern hab ich im Posthof Linz gespielt und hab einen Tag vorher erfahren, dass ich es ohne Pause spielen soll und habe das Programm ändern müssen, weil das, was ich ursprünglich geschrieben gehabt habe, nämlich die Ankündigung einer mittleren Katastrophe, damit die Menschheit in die Spur kommt, um die Klimakatastrophe aufzuhalten, das ist ja passiert mittlerweile. Alles, was ich angekündigt habe und dass es da Pläne gibt, war der Fluchtpunkt der Originalfassung, das ist dann gleich einmal passiert. Hätte von mir aus drei Jahre später kommen können, (schmunzelt), dann wäre das Programm weitgehend abgespielt gewesen, und jetzt hab ich es halt umändern müssen. Ich habe mich vor zwei Jahren viel mit der Spanischen Grippe beschäftigt, und da hat es sich dann ergeben, dass man das behaupten kann, dass das jetzt so skaliert wird bis die Klimaziele erreicht werden und dadurch, dass ich ja so eine relativ hohe Glaubwürdigkeit als Wissensvermittler habe mittlerweile, kann ich ja ganz lang Sachen behaupten, wo man glauben kann, dass die stimmen, und wenn ich dann zum Lügen anfange und ich mache das so allmählich, dann kriegt man schon mit, dass das gelogen ist aber nicht sofort, und irgendwann einmal ist man dann mittendrin in der Verschwörungstheorie. Und es ist ja bis zum Schluss nicht alles falsch, also dass es keine Überbevölkerung gibt, stimmt ja, das ist tatsächlich so - die Bevölkerungszahl seit einem halben Jahrhundert stabil, die Menschen sterben halt Gott sei Dank nicht mehr so früh und deshalb werden sie mehr, aber nicht nominal mehr.

30 Jahre Jubiläum. Hast du alles nochmal Revue passieren lassen? Wie hast du da die Highlights ausgewählt?

Martin Puntigam Interview; Foto: Manfred HorakMartin Puntigam: Ich habe zum 15-jährigen schon was gemacht, und das ist für mich insofern leicht, dass ich mich da überlisten kann. Ich stelle ein Programm zusammen aus alten Sachen, die es gibt und dann weiß ich, es gibt sicher irgendwas zur Premiere, und dann schreib ich quasi das alte Zeug weg und so wird dann im zweiten Arbeitsgang ein neues Programm draus. Es sind ganz wenig Sachen drin, die schon alt waren, es sind ein paar Sachen, die ich von den Science Busters transponiert hab, aber es sind ganz wenig Witze aus alten Programmen drinnen. Vielleicht 5-10%. Ich wollte in dem Programm vor allem zwei Sachen machen - das Kabarett hat sich nämlich sehr verändert in den letzten 30 Jahren. Dieses Theaterkabarett, das sich dann eh nie so richtig durchgesetzt hat, leider, weil es eben so anstrengend ist. Stand Up ist halt viel leichter und da wollte ich am Anfang herzeigen, wie sehr ich das dann doch nicht leiden kann, aber weil es eben so leicht ist, wollte ich diese zwei Welten miteinander versöhnen - die Science Busters Welt und die Solo Welt. Meine Soloprogramme sind immer ein bisschen drastischer als das familientaugliche Science Busters Programm, und es hat immer wieder Leute gegeben, die sich meine Soli angeschaut und gesagt haben, sie mögen mich eh noch immer, aber zum Soloprogramm kommen sie nicht mehr. Und das ist jetzt gelungen, dass ich diese Wissenswelt mit der Theaterwelt zusammenbringe und eben herzeige, was ich interessant finde.

Wie entwickelst du die Figuren. Sie sind ja ähnlich in den Soloprogrammen vom Typ her. Wie findest du deine Charaktere. Machst du Method Acting?

Martin Puntigam: Naja insofern, als dass diese Charaktere wirklich von mir abgeleitet sind. Ich spiele immer Leute, die ich sein könnte, aber Gott sei Dank nicht bin und es dreht sich auch immer um ähnliche Dinge, die ich halt variiere. Weil ich einerseits ganz gern über Dinge rede, von denen ich einigermaßen eine Ahnung habe, weil dann kann man sie auch authentischer bringen, und andererseits interessiert mich das auch am meisten offensichtlich. Und ich komme immer wieder auf dasselbe zurück, auf diese gierigen, verlogenen, wehleidigen, aber dann doch auch grausamen Charaktere, die sich die Welt zurecht lügen und das kann man sehr gut variieren. Da habe ich jetzt in den letzten 20 Jahren einige Varianten davon. Am Anfang waren die deutlich aggressiver. Jetzt bin ich ja schon ein bisschen altersmilde. Ich habe eine Zugabe, die hat drastische Effekte aus früheren Programmen, das Hundefutter essen, das deep throating und so. Aber wie gesagt, wenn man es schon gemacht hat, ist es eine Wiederholung, und man muss es auch nicht mehr machen. Und ich bin ja tatsächlich nicht mehr so aggressiv wie ich es als 25-jähriger war. (Lacht.)

Gibt es Rollen, Stücke, wo du sagst, das würde ich nicht mehr spielen?

Martin Puntigam: Ja, mein erstes Programm, das ist so, da sind manche Nummern so dumm aus heutiger Sicht, aber ich war 19, also ich war ja wirklich noch nicht der Schlaueste, und da sind Dinge drinnen, für die hab ich mich dann schon fünf Jahre später sehr geniert, aber damals hat es noch kein YouTube gegeben und es hat niemand aufgezeichnet und die einzigen Dokumentationen davon habe ich zuhause und ich zeige es halt nicht her.

Zum Beispiel…?

Martin Puntigam im Interview. Foto von Manfred HorakMartin Puntigam: (Lacht.) Na, ich war halt einfach ein schlichtes Gemüt aus einer kleinen Stadt und habe gedacht, ich bin der Größte und das ist eine ungünstige Kombination. Ich habe es meiner Tochter, als sie erwachsen geworden ist, einmal vorgespielt, damit sie sieht, wie erbärmlich ein Karrierebeginn auch sein kann und dann gehen sie aber doch weiter. Ich habe das aber nicht anschauen können, ich habe aus dem Raum gehen müssen, mir war das derartig peinlich.

War da immer schon der Gedanke, Kabarettist zu werden? Wie kam das?

Martin Puntigam: Nein, eigentlich nicht. Ich habe diese Neigung zur Beschäftigung mit Wissenschaft und Medizin, die kommt nicht von ungefähr. Ich habe das Medizinstudium begonnen, habe schon in Krankenhäusern gearbeitet und schon gewusst, dass mich das Fach interessiert und hätte das eigentlich auch gerne gemacht und habe das gern studiert, aber Kabarett hat mich auch interessiert und es hat halt beide Möglichkeiten gegeben. Ich habe ja keine Infrastrukturen erfinden müssen, so alt bin ich noch nicht, das hat es alles schon gegeben damals, den Kleinkunstvogel und so weiter und so fort, diese vielen Kabarettpreise, die es mittlerweile gibt, haben damals ihre ersten Jahrgänge gehabt.

Das war auch die Blütezeit des österreichischen Kabaretts...

Martin Puntigam: Genau! Es hat damals noch mehr Publikum als Kabarettisten gegeben und Kabarett war aus dieser spät-70er Jahre politischen Bewegung heraus noch ein politisch relevantes Medium, das ist ja heute nur noch in Ausnahmefällen zutreffend, dass man ins Kabarett geht und man kriegt gesellschaftspolitische Gedanken serviert, die man sich nicht selber auch machen kann. Das waren günstige Voraussetzungen. Es war für mich einfacher Kabarettist zu werden als Arzt zu werden und es hat mich genau so interessiert. Kabarettist, da braucht man keine Ausbildung, da braucht man keine Bestätigung, da sagt man, man ist es und wenn man damit durchkommt, dann ist man es auch.

Würdest du alles nochmal genau so machen?

Martin Puntigam: Boah. Ich kann mich gar nicht mehr an alles erinnern. Also insofern... (Lacht.) ...würde ich beim Reproduzieren scheitern. Es ist ja eh nicht so, dass man viele Entscheidungen so trifft, und sagt man könnte es besser machen, aber man macht es lieber schlechter, sondern die meiste Zeit seines Lebens ist man eh am Limit und schaut, dass man es irgendwie so gut hinkriegt, wie man es schafft, und besser wird es dann nicht. Also zu sagen, man könnte alles besser machen und man hätte alles besser machen können, wenn, das ist ja gelogen, denn wenn man es hätte besser machen können, dann hätte man es eh besser gemacht und besser ist es halt nicht gegangen.

Es gibt ja in Bayern den Ringsgwandl. Der hat ja lange Zeit als Arzt praktiziert, bevor er sich als Musiker oder Kabarettist selbstständig machen konnte. Dieser Weg war für dich nicht vorstellbar? Das so zweigleisig zu machen, dass du das mit der Medizin durchziehst.

Martin Puntigam: Ringsgwandl hat sich das ja nicht ausgesucht. So weit ich das weiß, war er Arzt und hat angefangen mehr zu... - Ich habe ja die Entscheidungsmöglichkeit schon vorher gehabt und habe schon während des Studiums gesehen, entweder ich werde ein mittelmäßiger Arzt und ein mittelmäßiger Kabarettist oder eins von beiden versuche ich ordentlich zu machen. Und ich habe auch überhaupt keinen Sinn drin gesehen, Arzt zu werden, der dann aber eigentlich lieber Kabarettist worden wäre oder Kabarettist zu sein der lieber Arzt wäre. Die Dozentin damals in Graz hat gesagt - sie ist dann später auch in viele Vorstellungen gekommen - ich bin eh gut aufgehoben als Künstler, weil ich habe gern wenig Ahnung von viel. Forschung ist ja nicht immer sehr spannend, und ich glaube, dieses Sitzfleisch hätte ich nicht gehabt.

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