"Aus Langeweile passieren Kriege und werden Start-Ups gegründet", echauffiert sich Sebastian (Daniel Wagner) im schwarzen Künstleroutfit plus Blumentuch in Volker Schmidts Uraufführung von "Freiheit" im Wiener Blumenhof. Es ginge heute nicht mehr darum etwas zu tun, sondern etwas nicht zu tun. Das Nichtstun müsse man sichtbar machen. Genau das wollen Mark (Sami Loris) und Nana (Veronika Glatzner). Ein Hof aus dem 16. Jahrhundert im Niemandsland soll den wohlsituierten Stadtflüchtenden als Refugium dienen. Nun weihen sie es an einem Wochenende mit zwei Freunden und Marks Tochter ein.
Der Traum vom "Biokistl für alle"
Im Blumenhof - einem alten Industriegebäude mit Treppen und eingezogenen Stockwerken - laufen Nana und ihre von den karibischen Inseln stammende Freundin Joy (Nancy Mensah-Offei) treppauf-treppab. Sie montieren Lampenschirme. Mitgebracht hat man veganes Eis und Fairtrade-Kaffee, Wasser plätschert durch die alten, wieder aktvierten Leitungen, die Männer philosophieren. Nana will zurück zur Natur, lokal produziert essen, nur noch etwas, von dem sie weiß, wo es herkommt. Sie träumt vom "Biokistl für alle". Marks Tochter Anja (Maresi Riegner) kann der Landbeschaulichkeit nichts abgewinnen, sie will in der Stadt bleiben. Mama zu Marks Frau Nana zu sagen, verweigert sie. Nach und nach beginnt die beschauliche Idylle zu bröckeln. Alle weiblichen Figuren - inklusive Marks 16-jährige Tochter, reflektieren auf den Freigeist Sebastian. Nana, die mit ihren Panikattacken und Stimmungsschwankungen die Szene dominiert, will wechselweise ihre Affäre mit ihm wieder aktivieren oder ihn abservieren. Sie sehe in dem, was sie tue und dem, was in der Welt passiere, keinen Zusammenhang mehr und möchte sich einfach nur wieder spüren, sagt sie. Joy, die kurz vor der Hochzeit mit ihrer lesbischen Freundin steht, bezeichnet sich als bi, manchen Männern könne sie nicht widerstehen.
Die Überwindung der Errungenschaften des zivilisierten Umgangs
Die 16-jährige Anja wirft einen Spiegel auf die Welt der Erwachsenen, sie fragt sich, warum immer alle in Beziehungen so unglücklich sein müssten. Und sie wird sich auch fragen, warum alle frei sein wollten, weil man deshalb doch noch nicht glücklicher würde. Sie würde gerne für etwas kämpfen müssen. Nancy hingegen hat keine Lust immer zu kämpfen, als schwarze und lesbische Frau. Alle werden immer betrunkener und es kommt, wie es kommen muss - zur Eskalation - bei der man die Errungenschaften des zivilisierten Umgangs mühelos überwindet. Der nächste Tag beginnt mit Katzenjammer und Sonnenbrillen über den Augenringen und die Karten werden neu gemischt. Volker Schmidt hat ein witziges Sittenbild unserer Zeit in ein sich à la Yasmina Reza zuspitzendes Drama geschrieben, dessen Ende allerdings allzu abrupt einsetzt. Ein herrliches Vergnügen ist aber, dem Team beim grenzgängerischen Tanz zuzusehen. //
Text: Veronika Krenn
Foto: Kristian Schark
Kurz-Info:
Freiheit von Volker Schmidt
New Space Company
Bewertung: @@@
Kritik zur Vorstellung am 24.9.2017 im Blumenhof
Blumauergasse 6, 1020 Wien (U2 Taborstraße)
Regie: Volker Schmidt
Bühne und Kostüme: Johannes Weckl
Produktion: Jochen Schmidtberger
Mit: Veronika Glatzner, Nancy Mensah-Offei, Maresi Riegner, Sami Loris, Daniel Wagner
Weitere Vorstellungen: 29.9 bis 1.10. und 3.10.2017, jeweils 20 Uhr