Ein Theaterstück als Plädoyer dafür das Eigene im Fremden, den am Ufer Stehenden im Gestrandeten zu erkennen.

Das Leben auf der Erde fand bekanntlich im Wasser, genauer, im Meer seinen Anfang. Man könnte sagen, dass das Leben, aus dem durch Evolution auch der Mensch entstanden ist, dem Wasser "entstiegen" ist. Heutzutage entsteigt fast jeden Tag Leben dem Meer. Leben, das uns, die am Ufer stehen, so sehr gleicht, dass wir es verfremden, um eine Begründung zu schaffen, dem Gegenüber nicht die gleichen Rechte zugestehen zu müssen, die wir uns selbst zusprechen. Und so wird der Mensch, der uns gegenübersteht, dem Bedrohlichen gleichgesetzt, dem er entstiegen ist.

Hoffnung auf ein neues Leben

Die "Flüchtlingswelle" hat die europäischen Theaterbühnen erreicht, wo sie mal mehr, mal weniger erfolgreich enttarnt wird als was sie eigentlich ist: Viele Individuen, die ihre Heimat verlassen mussten und nach Europa kommen, in der Hoffnung, ein neues Leben aufbauen zu können. Die theatrale Thematisierung von Geflüchteten und ihr Schicksal vor und nach ihrer Ankunft in Europa erfordert jedoch auch eine reflexive Auseinandersetzung mit eigenen gesellschaftlichen Strukturen, Denkmustern, Vorurteilen und Ängsten. Und auch mit der eigenen Geschichte als "Gestrandeter".

Angst vor dem Unbekannten

Der Plaisiranstalt gelingt dies in der am Dschungel Wien laufenden Inszenierung Robinson - Meine Insel gehört mir für Kinder ab acht Jahren mit Bravour. Hauptprotagonist ist Robinson, nach dem Romanhelden Robinson Crusoe von Daniel Defoe. Ihn verfolgt das Publikum durch verschiedene Phasen vom Gestrandeten hin zum festungsverteidigenden, besitzergreifenden und paranoiden Inselbewohner. Dabei werden Themen wie Einsamkeit, Bedürfnis nach Besitz und die Angst vor dem Unbekannten verhandelt. Die Begegnung mit Freitag, dem das gleiche Schicksal ereignete und auf der Insel festsitzt, führt in dieser Geschichte über den langsamen Abbau von Vorurteilen seitens Robinson zum altbekannten und doch brandaktuellen Ergebnis, dass wahrer Reichtum nicht durch Horten, sondern Teilen entsteht. Damit wird ein inzwischen hochkompliziertes gesellschaftspolitisches Thema so in seiner Essenz freigelegt, dass nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene diese grundlegende Erkenntnis des Zusammenlebens verstehen.

Liebenswerte Komik

Mit einer staunenswerten Durchlässigkeit und Spielfreude vermittelt Sven Kaschte die Außen- und Innenwelt seiner Figur Robinson. Ausgestattet mit einem Overheadprojektor, einer zu einer Audioanlage zugehörigen Fernbedienung und einer gehörigen Portion liebenswerter Komik lässt er auf der sonst leeren Bühne das Meer, die Insel und die sich darauf zutragenden Geschichten entstehen. In seinem Kollegen Klaus Huhle als Freitag findet er den freundlichen Feind und vor allem das perfekt imperfekte Spiegelbild seines Robinson.

Überlegungen zu Einsamkeit, Angst, Mut und Freundschaft

Robinson - Meine Insel gehört mir ist eine Produktion, der es auf einer sehr unterhaltsamen Art und Weise und hohem künstlerischen Niveau gelingt, die oft eng angelegte Flüchtlingsdebatte über das klassische Motiv des Robinson Crusoe auf weitergefasste Überlegungen zu Einsamkeit, Angst, Mut und Freundschaft zu öffnen, ohne den Bezug zu aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zu verlieren. Sie ist ein Plädoyer dafür das Eigene im Fremden, den am Ufer Stehenden im Gestrandeten zu erkennen. //

Text: Olivia Poppe
Fotos: Anna Stöcher

Kurz-Infos:
Robinson - Meine Insel gehört mir
Altersempfehlung: 8+
Kritik zur Aufführung im Dschungel Wien anno 2017
Regie: Paola Aguilera
Autor: Raoul Biltgen
Produktion: Plaisiranstalt
Produktionsleitung: Barbara Schubert
Regieassistenz: Fidelis Hochstetter
Hospitanz: Julia Falbesoner
Schauspiel: Klaus Huhle, Sven Kaschte
Eine Koproduktion mit dem Odeïon Salzburg