Schlafende Mädchen auf der Bühne, die sich, sobald der Wecker läutet, zeitig in der Früh, fertig machen für den nächsten Schultag. Kommuniziert wird dabei bereits heftig via WhatsApp. Gemotschkert, gesudert, schulisches gefragt. Vor der Bushaltestelle treffen sie erstmals am Tag real aufeinander, die WhatsApp Kommunikation wird dabei noch weitergeführt, als wären sie weiterhin in getrennten Räumen. In diesen ersten Minuten des Theaterstücks "We Rule The School" erfährt das Publikum erste Charaktereigenschaften der Protagonistinnen, zunächst noch recht oberflächlich - es ist ja schließlich noch zeitig in der Früh - mit Fortdauer des Stücks und somit des Tages jedoch vertiefend, dank der gekonnten kollektiven Schauspielerinnenleistungen.
Die Schule - Versäumnisanstalt und Farm mit Käfighaltung
Die Schule, jahrzehntelanger Hort an Diskussionen, ist - es gibt solche und solche - eine Versäumnisanstalt und eine Farm mit Käfighaltung, die (diese solchen sind mir lieber) nur selten hohen Ansprüchen gerecht wird. Die Frage, wie die Bildung von heute ausschauen soll, um mündige, unabhängige, Erwachsene hervorzubringen, kann freilich auch dieses Theaterstück nicht beantworten, aber es wirft Ideen auf und kreiert immerhin Denkanstöße, und das ist schon sehr viel, was ein Theaterstück leisten kann. Interessanterweise greift das Team von TimeOut rund um Regisseur Charly Vozenilek auf "Animal Farm" (Farm der Tiere) von George Orwell aus dem Jahr 1945 zurück, das ja wiederum eine Parabel auf den Kommunismus und dem inneren Kampf Stalin vs Trotzki ist. Diese Überspitzung und Abstraktion ist einerseits gewagt, andererseits sind Orwells Charakterstudien in jeder Gesellschaftsform anwendbar. So formte z.B. auch Roger Waters für Pink Floyd eine britische Kapitalismuskritik beim Album Animals (1977) basierend auf Orwells "Animal Farm".
Hinter die Fassade blicken oder doch nur kratzen?
Dennoch: Das Theaterstück zu sehen und das Begleitmaterial zur Vorstellung zu lesen, ist doch sehr konträr. Die Tiefe und der Anspruch des Stücks ist nicht so einfach erkennbar, wie es sich im Begleitmaterial liest. Man hat oft das Gefühl, dass die Theatermacher hinter die Fassade wollten, es letztendlich aber nur schafften, an der Fassade zu kratzen. Denn, was sehen wir? Wir sehen eine Mädchenschulklasse (bzw. einen Teil davon; es sind sieben Schülerinnen und zwei Lehrkräfte), die untereinander ihr Miteinander ausfechten, ihre Freundschaften definieren, ihre Ängste und Problemfelder artikulieren und nicht zuletzt ihren Schulalltag thematisieren. All das hat seine witzigen und auch spannenden Momente und macht das Stück (so oder so) empfehlenswert für 13+. //
Text: Manfred Horak
Fotos: Mona Abdel-Baky
Kurz-Infos:
We Rule The School
Bewertung: @@@@
Schauspiel, 90 Min.
Kritik zur Aufführung im Dschungel Wien am 8.6.2017
Regie: Charly Vozenilek
Produktion: Alina Julia
Dramaturgie: Harald Cont, Katharina Cont, Max Glatz, Josef Stachl
Bühne: Felix Huber
Ton: Andreas Fleckl
Licht: Mirza Kebo
DarstellerInnen: Adelina Nita, Adrian Stowasser, Amina Mostageer, Asja Ahmetovic, Jasmin Bettstein, Julia Vozenilek, Laura Mysliwiec, Lea Juliana Pecora, Elisabeth Pink