doris-uhlich_4Die Suche nach Opulenz und Idealismus. Choreografin und Performerin Doris Uhlich goes Techno: The whole world can hear me as I think too loud. Im Rahmen des Projekts House on Fire war diese Eigenproduktion am 26.09.2014 im brut Wien zu sehen.

Welche Kraft braucht es, damit eine Bewegung groß wird? Sich vom Solo-Akt auf die kollektive Mobilisierung überträgt? Vermag dies eine Einzelbewegung überhaupt zu leisten? Doris Uhlich setzt in ihrem aktuellen Stück im brut Wien auf die reanimierenden Anstöße via Techno. Die Eigenproduktion läuft im Rahmen des Projekts House on Fire, einem Themenschwerpunkt rund um Entgrenzung und Scheitern respektive neuer Handlungsentwürfe angesichts eines gegenwärtig empfundenen resignativen Krisenpragmatismus.

Prinzip der graduellen Steigerung

Als "Universal Dancer" formuliert Uhlich den Anspruch mit ihrem Körper paradigmatisch als Katalysator und Medium in Vorleistung zu gehen: Die akustisch generierten Energieströme von den Techno-Frequenzen aus den Monitoren werden von der eigens für das Stück erbaute (Rüttel)-Tisch-Maschine, auf der und mit der sich Uhlich bewegt, potenziert. Dramaturgisch nach dem Prinzip der graduellen Steigerung vorgehend, gewinnt die Tänzerin nach einer behutsamen Erkundungs- und Gewöhnungsphase langsam aber sicher an Kraft und Steuerhoheit über die Maschine. Insofern ist dieses Unterfangen zugleich auch ein sichtlich anregendes Spiel des Kräftemessens der Akteure, das sehr zur Begeisterung der Künstlerin auch eine Entgrenzung der eigenen (Bewegungs)-Muster evozierte.

my body is a brain

doris-uhlich_2doris-uhlich_5Die Hinwendung zum Techno und der Wunsch nach Potenzierung von körpereigener Energie wurde innerhalb der letzten beiden Jahren konkretisiert, als Maschinist Gerald Pappenberger die Idee als Waschmaschinen-Motoren-betriebenen Platte entwickelte. Damit wollte man dem lauten, körperbetonten Denken gemäß dem Techno-Track "my body is a brain" (Audiomix Boris Kopeining) einen Schritt näher kommen und den Bedeutungstransport zugunsten des Fokus auf die pure Reaktion der einwirkenden Energie suspendieren. Ein Körperkonzept, das einen vordiskursiven "Nullpunkt der Welt" (Foucault) anstrebt, ist spätestens seit dem internationalen Durchbruch von Techno und deren egalitären Verheißung für die Masse als 'Nicht-Musik' seit Ende der 1980er synonym hierfür. Vor allem die Pop- und Kulturtheorie, die die Unterscheidung High/Low für obsolet hält, sah in der neuen Live-Kunst ein über den musikalischen Kontext hinaus wirksames innovatives Funktionsmodell, das in der Interaktion und Offenheit zwischen DJ und Tanzmasse und anhand der flexibel kombinierbaren Tracks nicht-lineare Muster und somit nicht-vorhersehbare Momente und Durchlässigkeit erzeuge.

Techno-Körperkonzept

Wie Popkritiker Diedrich Diederichsen konstatiert, war der Erfolg, der aus dem Underground dringenden Impulse der Techno-Szene Ende der 1980er, den "Effekten der Öffnung zu Geschichte und Wirklichkeit" und den durch den post-Mauerfall begünstigten gemeinschaftlichen Zeitgeist in Berlin geschuldet. Wenngleich der Anspruch der wortwörtlichen Umsetzung des Techno-Körperkonzepts und die nostalgisch-utopische Rückbesinnung darauf etwas überholt wirkte, berührte Doris Uhlich mit ihrem leidenschaftlichen und vertieften Körpereinsatz, von dem aus ab und an ansteckende epizentrische Schwingungen ins Publikum schwappten. (Text: Kathrin Blasbichler; Fotos: Theresa Rauter, Wolfgang Silveri)

doris-uhlich_3Kurz-Infos:

Universal Dancer
von Doris Uhlich
Bewertung: @@@@
Kritik zur Aufführung am 26.9.2014

brut im Künstlerhaus