Der Büroalltag einer Webagentur, humoristisch aufgepeppt, steht im Mittelpunkt des Theaterstücks "Entkörperung.Zwei.Null" von der jungen Autorin Claudia Tondl und der Regie von Dora Schneider.
Ein beliebtes Thema bei Theatermachern ist derzeit die Aufarbeitung des Themas Arbeit und ihre Bedingungen. Die Spannbreite geht dabei von fast schon wissenschaftlicher Akribie und dokumentarischen Inhalten bis hin zur Erzählung, manche lassen den Humor außen vor, andere wiederum verwenden die Komik als Stilmittel, die einen nehmen die klassische Arbeiterschicht ins Visier, andere nehmen die Zeitgeistgesellschaft aufs Korn. Wie es in einer Webagentur zugeht überspitzen Autorin Claudia Tondl und Regisseurin Dora Schneider in erfrischender Art und Weise, die uns den Büroalltag eines kleinen Unternehmens und vier Protagonisten (zwei Frauen, zwei Männer) zeigen, die anfänglich nicht unterschiedlicher sein können und im Laufe des Stücks eine Charaktermetamorphose durchmachen. Plakative Sprüche wie "Zukunft ist Gegenwart" und "Statistik über alles" stehen in Konkurrenz mit nicht zu Ende gesprochenen Sätzen, denn immerhin befinden wir uns ja in der (Web)Zeitrechnung "Zwei.Null" und ganze Sätze nicht wichtig. Post-it, Kaffee und Sprechfehler dominieren also den Büroalltag dieser kleinen Agentur, die gerne ganz groß werden möchte und ansonsten an der Entwicklung von Avataren arbeitet. Das heißt, eigentlich arbeitet nur einer, nämlich Gemma, der aus dem Arbeiten gar nicht mehr rauskommt und daher gleich im Büro übernachtet. Seine Kollegin Heidi ist da ganz anders gestrickt, sie sprüht sich, um in die kosmisch-ausgewogene Gutfühlstimmung zu kommen, mit Edelstein Essenzen für die Aura ein. Betta, die Assistentin des Geschäftsführers, wiederum sorgt mit wenig Geschick, dafür mit umso mehr Strenge, dass der Laden läuft. Zu hören gibt es von ihr enorm wichtige Statements wie "Wir sind nicht mehr Post, sondern Trara!" - was Gemma z.B. veranlasst über die Entwicklung einer 'Trara-Zicke' als Avatar kurz nachzudenken. Und Alfa, der Chef dieser seltsamen Anstalt? Der ergibt sich in Selbstüberlegungen und nimmt die Umwelt kaum wahr.
Slapstick und Geblödel auf hohem Niveau übernimmt also von Beginn an das Kommando im Stück. Gesellschaftskritik sondiert sich als Komödie, wobei die Gesellschaftskritik in "Entkörperung.Zwei.Null" sich eher automatisch ergibt, als, dass es deutlich im Vordergrund steht, vielmehr schwebt es geradezu wie ein Damoklesschwert über dem Stück, so z.B., wenn es an einer Stelle heißt: "Du kannst mich mal mit der Welthilfe!" Das Bühnenbild von Christian Weißenberger zeigt zwei Schreibtische mit Computer (natürlich!). Der eine davon ist voll behängt mit Post-its (es gibt ja schließlich immer etwas zu tun und vergessen darf schon gar nix werden) und überhaupt wirkt dieser sehr unaufgeräumt, der andere hingegen glänzt mit penibler Ordnung. Im Hintergrund ein paar Stühle (die auch als Schlafplatz für Gemma) dienen, eine Kaffeemaschine, sowie eine Leinwand, die im Web 2.0-Idiom automatisierte Musikvisualisierungen (oder so ähnlich halt) zwischen den Szenen einschiebt. Die vier Darsteller/innen Deniz Cooper, Karola Niederhuber, Mirko Roggenbock und Katharina Solzbacher bewegen sich sehr überzeugend in diesem Raum, kombinieren mit großem Können die Überdrehtheit der gezeichneten Figuren mit den wunderbaren Textfolgen und Satzideen von Claudia Tondl wie (um nur zwei aus der Fülle herauszufischen) "Tik Tak im Rhythmus der Depression" und "Sprechverbot. Und zwar absolut." Das Ende ist dramatisch. Zunächst erfolgt die Verschiebung der Charaktere inklusive Implodierung von Alfa, und nachdem alle nicht nur getäuscht, sondern eben auch getauscht wurden verschwindet das Stück im Orbit der entkörperten Generation vom Web 2.0. Guter Job, der da auf der Bühne gemacht wird. (Text: Manfred Horak; Fotos: Bernhard Weber)
Kurz-Infos:
Entkörperung.Zwei.Null von Claudia Tondl
Bewertung: @@@@
Kritik zur Premiere am 18.1.2012 im KosmosTheater
Regie: Dora Schneider
Bühne/Video: Christian Weißenberger
Kostüme: Silke Fischer
Musik: Thomas Richter
Mit: Deniz Cooper, Karola Niederhuber, Mirko Roggenbock, Katharina Solzbacher