helena0121Wer unbedingt einmal einen erbärmlichen Theaterabend erleben möchte, sollte sich "Helena" im Burgtheater unter der Regie von Luc Bondy im Rahmen der Wiener Festwochen 2010, immerhin mit Birgit Minichmayr in der Titelrolle, anschauen.

Man könnte ja auch lachen darüber, wie patschert das Stück daherkommt, wie unsicher und zum Teil (so hat es zumindest den Anschein) desinteressiert so manche Schauspieler im Stück agieren, wäre es ein frei finanziertes Stück. So fragt man sich halt schon, wie es solch eine ideenschwache Inszenierung ins Burgtheater bzw. zu den Wiener Festwochen schafft. Die Antwort freilich kann man in den Kurz-Infos nachlesen, Stichwort Regie, Stichwort Übersetzung aus dem Altgriechischen. Dabei wäre die Tragödie des Euripides, aufgeführt an den Dionysien des Jahres 412 v. Chr. in Athen, durchaus eine Entdeckung wert. Schließlich findet die Motivik der Helena ihre Fortsetzung in der Komödie und im Roman des Hellenismus, ist also gewissermaßen so etwas Ähnliches wie ein Vorläufer der Romanzen von Shakespeare, auch, weil dieser Tragödie das eigentliche Grundelement, das Tragische, fehlt. Ausgangspunkt für Euripides war übrigens ein Drama vom ersten westgriechischen Chorlyriker Stesichoros, der Helena als zwar bezaubernde, aber treulose Frau darstellte und zur Strafe dafür erblindete. In einer Palinodie [griech. palinodia = Widerruf; ein in der Antike entwickeltes dichterisches Verfahren, in dem die inhaltlichen Mitteilungen eines bereits vorliegenden anderen Gedichts unter genauer Beibehaltung dessen formaler Merkmale in ihr Gegenteil verkehrt werden. Anm.] erfand Stesichoros jene Version, in der Paris Helena zwar raubte, mit ihr allerdings nur bis Ägypten gelangte. Dort ist Helena von König Proteus in Gewahrsam genommen worden und Paris ist mit einem Phantom nach Troia gefahren. Durch diese Befreiung von der Schuld des Ehebruchs, so heißt es, erhielt Stesichoros übrigens wieder sein Augenlicht zurück, aber das ist eine andere Geschichte. Euripides jedenfalls setzt dort seine Tragödie an, lässt Helena im Prolog davon berichten, wie sie in das Ränkespiel der Götter geriet. Birgit Minichmayr wurstelte sich und stolperte gleich zu Beginn durch den Text, das Böses erahnen ließ, was in den folgenden zweieinhalb Stunden auf das Publikum zukommt. Und tatsächlich ließ man sich in erster Linie gerne vom beeindruckenden Bühnenbild von Karl-Ernst Herrmann ablenken. Jedoch: Jede Herrlichkeit hat ihre Grenzen, und auch das Bühnenbild konnte natürlich nicht das Schauspiel ausblenden. Peinlich z.B. der Chor der gefallenen griechischen Frauen, der an ein schlechtes Laientheater erinnerte, peinlich der Auftritt von der Seherin Theonoes (arm: Andrea Clausen), die sich wie ein Regenwurm über die Bühne winden musste, und, ach ja, Johann Adam Oest als Theoklymenos, König von Ägypten, durfte richtig blödeln, kam aber leider auch nicht über Löwinger-Bühnen-Niveau hinaus. Und Minichmayr? Hatte vielleicht einen schlechten Tag, also ein paar Hänger, und wirkte über weite Strecken so, als könne sie sich mit dieser Rolle nicht wirklich anfreunden. Egal, ob beim monologisieren, beim Versuch erotisch zu wirken, beim Grimasse schneiden oder beim ersten Wiedersehen mit Menelaos (pathetisch: Ernst Stötzner), mit dem sie in Folge eine List plant, damit sie gemeinsam wieder in ihre Heimat zurückkehren können. Die List gelingt natürlich (da ist man aber auch schon mitten in der Blödelei drin) und zu guter letzt fallen dann noch die Dioskuren [die Söhne des Zeus; Anm.], also die Halb- und Zwillingsbrüder Kastor und Polydeukes, auch bekannt als Castor und Pollux, in Form von zwei Sitzkissen vom Burgtheaterhimmel auf den harten Bretterboden, um den Willen der Götter zu verkünden und die Rachegelüste von Theoklymenos zu vermeiden. Erbärmlich. (Text: Manfred Horak; Fotos: Ruth Walz)

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Kurz-Infos:
Helena von Euripides
Bewertung: @
Kritik zur Aufführung am 10. Juni 2010
Übersetzung aus dem Altgriechischen Peter Handke
Neuinszenierung von Luc Bondy im Rahmen der Wiener Festwochen 2010
Burgtheater Wien 

Helena / Birgit Minichmayr
Teukros / Dietmar König
Chor gefallener griechischer Frauen / Esmée Liliane Amuat, Karoline Bär, Felicity Grist, Mavie Hörbiger, Mareike Sedl, Lisa Sexl, Eva Maria Sommersberg, Jenny-Ellen Riemann
Menelaos / Ernst Stötzner
Eine Greisin / Libgart Schwarz
Ein Bote / Branko Samarovski
Theonoe / Andrea Clausen
Theoklymenos, König von Ägypten / Johann Adam Oest
Ein zweiter Bote / Markus Hering
Diener / Libgart Schwarz
Sängerin / Amina Annabi Laurence

Regie / Luc Bondy
Bühnenbild / Karl-Ernst Herrmann
Kostüme / Milena Canonero
Dramaturgie / Dieter Sturm / Wolfgang Wiens
Mitarbeit / Katrin Hiller
Regieassistenz / Michael Höppner
Kostümassistenz / Patrizia Barbera / Anna Granat
Bühnenbildassistenz / Barbara Pral
Regiehospitanz / Felicitas Braun / Hanna Hamel / Martina Maggale
Inspizienz / Dagmar Zach
Souffleuse / Evelin Stingl