kapusvetki_0192Die Anekdotenerzähler erinnern sich zur Dia-Schau von Mārtiņš Grauds an ihre Friedhofsfeste. Eine lettische Tradition bei der Picknick, Tanz und Treffen mit der gesamten Verwandtschaft mindestens so wichtig sind, wie das Gedenken der Toten. Nicht fehlen darf dabei die Blasmusik, weshalb alle Schauspieler für "Kapusvētki" ein Blasinstrument lernen mussten.

Der Tod, das muss ein Wiener sein

Auf der Suche nach der lettischen Identität fanden Alvis Hermanis, Gundars Āboliņš und Mārtiņš Grauds, auch einige Wiener Besonderheiten. So beginnt das Stück mit einem Prolog über den Zentralfriedhof, der überhaupt nicht zentral ist. Dabei erzählt Gundars Āboliņš in fließendem Deutsch Geschichten jenseits der Klischees, die - wenn nicht wahr - so zumindest gut erfunden sind. Wie z.B. über die Einrichtung eines Sonderjagdgebiets damit die Rehe nicht den Grabschmuck fressen.

Ab den 90er Jahren ging alles den Bach runter

Wechsel zu den Kopfhörern mit der Simultanübersetzung. Nach der ersten Trauermusik wird  sogleich die neumodische Sitte der Synthesizer beklagt. Weil ein Musiker günstiger ist, als vier oder fünf und die Leute kein Geld mehr haben. Einmal im Leben braucht man doch Live-Musik - und sei es auf dem eigenen Begräbnis. Es werden Erinnerungen an die Piroggen und das Selbstgebraute bei den Katholiken gewälzt. Wenn die Fliege vom Glasrand ins Bier fällt, dann stimmt die Stärke. Was man als Leichenredner beachten soll und die unterschiedlichen Bestattungsregeln. Und die Geschichte von Tante und Onkel, die über 20 Jahre lang ihre eigene Grabstelle gepflegt haben. Dann wechselt der Schauplatz nach Mexiko, wo die Menschen auch ein fröhliches Verhältnis zu ihren Toten haben. Folglich wechseln die Bilder zum día de los muertos und den Totenschädeln aus Zucker von schwarz-weiß in Farbe. "Kapusvētki" bildet den Abschluß der sieben-jährigen Projektreihe des Jaunais Rīgas Teātris zur lettischen Identität. Insgesamt wirkt der Abend etwas lieblos und flüchtig arrangiert. Im Beipackzettel steht zu lesen, dass Alvis Hermanis die Schauspieler alleine arbeiten lässt und von Zeit zu Zeit den aktuellen Projektstand per DVD geschickt bekommt. Nun, die Schauspieler haben ordentlich recherchiert, jede Menge Material zusammengetragen und Blasmusik spielen gelernt. Etwas mehr Anwesenheit des international viel beschäftigten Regisseurs hätte aus diesem Sammelsurium vielleicht eines der berührenden Stücke gemacht, die man vom ihm gewohnt ist - sein Vorjahres-Beitrag bei den Wiener Festwochen, Schukschins Erzählungen , ist noch in bester Erinnerung. (Text: Christine Koblitz; Fotos: Dorothea Wimmer)

Kurz-Infos: Kapusvētki - Friedhofsfest
Bewertung: @@@1/2
Spielort: Theater Akzent
Weitere Termine: 19. Mai 2010 (20 Uhr)

TEXT / Alvis Hermanis und Ensemble Jaunais Rīgas Teātris
KONZEPTION UND INSZENIERUNG / Alvis Hermanis
FOTOGRAFIE / Mārtiņš Grauds
MUSIK ARRANGEMENTS / Jēkabs Nīmanis
MUSIKLEHRER / Ansis Nikolovskis
ÜBERSETZUNG / Matthias Knoll 

Mit Vilis Daudziņš, Gundars Āboliņš, Andis Strods, Ivars Krasts, Varis Piņķis, Edgars Samītis, Andris Keišs, Ģirts Krūmiņš, Gatis Gāga, Iveta Pole, Maija Apine, Ansis Nikolovskis, Jēkabs Nīmanis

KOPRODUKTION Jaunais Rīgas Teātris (Riga), Wiener Festwochen

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