black-rider-muenchen2009Tom Waits Musik, eine fetzige Choreographie, tolle Schauspieler - man sollte es Kathi Zechner zeigen, wie Musical auch sein könnte abseits von unsäglichem "Rudolf"-Kitsch. Die Rede ist von der Neuinszenierung von "The Black Rider", dem "Freischütz"-Thema mit Texten und Musik von Tom Waits nach einer Originalbearbeitung von Robert Wilson. Zu sehen im Metropol Theater München, dem deutschsprachigen Off Theater des Jahres 2008.

Man begibt sich also in die nördliche Peripherie Münchens, in der Hoffnung, dass trotz der trostlosen Lage zwischen Autobahn und Reihenhäusern die Musik von Tom Waits eine kongeniale Bearbeitung erfährt. Das Gebäude unscheinbar, am Eingang in den Saal des Metropol Theaters ein bucklig-serviler Diener und ein ins Megaphon grantelnder Oheim, der den Eintretenden unmissverständliche Disziplinarregeln auf den Weg gibt. Und schon findet man sich im ureigensten Tom Waits Kosmos wieder. Mit bizarren Gestalten in einfachen, aber betörend grotesken Kostümen (Andrea Fisser) mit schräger Musik, die von einer zunächst unsichtbar gehaltenen Kapelle (samt Orgel und Posaune, unter der schmissigen Leitung von Andreas Lenz von Ungern-Sternberg) hinter der Bühne genau und mitreißend intoniert wird. Da finden sich Brecht'sche Anklänge mit mechanischer Schräge genauso wie wunderschöne Balladen und Melodien.

Die Regenschirme des Teufels

Es ist also der "Freischütz". Natürlich nicht die Verklärung des romantisch deutschen Waldes und seiner schießenden Kumpanen aus dem Fundus einer in die Jahre gekommenen verstaubten Opernregie - nein, ganz im Gegenteil: hier wird erfrischend, bös und in jeder Phase mitreißend die Geschichte von Menschen erzählt, die um des Erfolges willen sich mit dem Teufel verbünden (müssen). Der gute Wilhelm will ums Verrecken sein angebetetes Käthchen heimführen, muss dabei, um dem Vater der Braut zu gefallen, allerlei Wild ins Jenseits befördern. Seine Schießkunst hält sich aber in Grenzen und so wird er ein williges Opfer einer Fremden mit der Hahnenfeder (großartig, dämonisch und ins Böse verführend, sowohl stimmlich als auch spielerisch: Viola von der Burg als Stelzenfuß).

Diabolisch-komödiantische Sado-Maso-Beziehung

Wie immer hat die Sache einen Haken und so endet die vielversprechende Hochzeit durch teuflisches Wirken mit einer hingemeuchelten Braut. Und es wäre nicht Tom Waits, wenn nicht die Dahinsterbende ein blumig-swingendes Abschiedscouplet gäbe und uns Frau Stelzenfuß mit lasziver Verführung aus dem Abend geleitet. Im Rahmen zu der Geschichte tun die eingangs erwähnten morbiden Zwei (der Oheim und sein Diener) ihre Schuldigkeit im Kommentieren und Dirigieren der Handlung. Dabei erreichen die beiden (Christian Baumann und Andreas Thiele) eine diabolisch-komödiantische Sado-Maso-Beziehung aus Unterwerfung und genüsslicher Erniedrigung, die durchgehend sowohl für Lachstürme als auch für deren abruptes Absterben in Bösartigkeit sorgt.

1 Meilenstein und 10 Regenschirme

In Summe ein Abend mit großen schauspielerischen Leistungen (mit kleinen Abstrichen in Nebenrollen), bestechend phantasievollen und schnellen Choreographien von Katja Wachter (lässt Bilder von Kutschen, dichten Wäldern, Schießbudenfiguren, Höhlen und vieles mehr in Sekunden vor unseren Augen entstehen und vergehen), schillernder Musik und einer bewegenden, genauen, witzigen und schlüssigen Regie (Jochen Schölch). Theatervergnügen auf hohem Niveau. Einen Ausflug nach München ist es allemal wert. Und eine eindringliche Mahnung an Ausstattungsfetischisten diverser hoch subventionierter Kulturstätten sei hier noch mit auf den Weg gegeben: Was hier an Bühnenbild und Requisite mittels 10 Regenschirmen höchst phantasievoll, schnell und farbenreich entsteht, lässt manche Staatstheater (anscheinend ohne Budgetnöte) sehr alt aussehen. Diese Regenschirme, geführt von diesem Ensemble, in dieser Regie für diesen mitreißenden Meilenstein Musiktheater, machen Freude im und fürs Theater. Und so soll es sein. (Tristan Jorde)

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Kurz-Infos:
Black Rider (Neuinszenierung)
Bewertung: @@@@@
Music and Lyrics by Tom Waits
Original Direction and Stage Design by Robert Wilson
Original Arrangements by Tom Waits and Greg Cohen
Texts by William Burroughs

Metropoltheater München
Regie: Jochen Schölch
Musikalische Leitung: Andreas Lenz von Ungern-Sternberg
Choreographie: Katja Wachter
Kostüm: Andrea Fisser
Licht: Tobias Zohner
Darsteller: Christian Baumann, Viola von der Burg, Kerstin Dietrich, Mathias Friedrich, Katharina Haindl, Sven Hussok, Iris Kotzian, Philipp Moschitz, Katja Schild/ Sylke Nikowski, Andreas Thiele

Die Kritik zur Aufführung am 20.7.2009