"Das war sehr wild, sehr heftig und sehr gut! Hat Lust gemacht, wieder den Winkler zu lesen ... der ist echt gut!" Soweit die Kürzestfassung von Tristan Jorde, der sich ins Wiener Schauspielhaus begab, um die Premiere am 12. Mai 2009 von "Wild wuchern die Wörter in meinem Kopf. Ein Triptychon" nach Texten von Josef Winkler zu sehen.
Zu Beginn aus dem Programmheft, Antonin Artaud: "...dass man dem Theater erst dann sein spezifisches Wirkungsvermögen zurückgeben wird, wenn man ihm seine eigene Sprache zurückgibt." Und das ist in der Tat programmatisch für diesen exzellenten, dunkel glimmenden, expressiven Abend im Schauspielhaus. Vorneweg: es sind keine spezifisch theatralen Texte, die hier aus dem Fundus des begnadeten Sprachgiganten Josef Winkler montiert wurden. Ein Umstand, der bei vielen ähnlichen Gelegenheiten, mit - zugegeben - viel schwächeren Autoren, ziemlich in die Hose geht. Nicht aber in dieser Konstellation.
Wild hämmern die Wörter auf gepeinigte Körper
Aufwachsen als verdeckter Homosexueller in ländlich brutaler Bauernatmosphäre. In erstickend katholischer Lügenfassade. In Kärnten, "an seiner Aorta, der Drau". Keine leichte Kost. Aber ein brillanter Text, der böse und eindringlich funkelt und sich wie ein Wortgewitter Bahn bricht. Der von der Regie (Antonio Latella, sehr verständig, mit viel Lust am Gestalten und Akzentuieren, das sogar in der gezeigten, bösen, zerstörerischen Lebensumgebung), rhythmisch und beeindruckend dramatisiert auf die drei exzellenten Schauspieler losgelassen wird.
Transvestit, Schriftsteller, Priester
Das Triptychon aus Transvestit, Schriftsteller und Priester zuckt und windet sich aus seiner eigenen Lebensjugend heraus in die Qualen der eingezwängten Entfaltung. Nur Platz auf einer einfachen Palette wird ihnen - oder ihm, in seinen drei Wesensheiten - zugestanden. Ein kalter, harter, lebensfeindlicher Raum für Pein. Die drei Schauspieler (wie schon oft, so auch diesmal hervorragend: Steffen Höld, Vincent Glander und Max Mayer) geben alles an diesem Abend. Körperlicher Einsatz bis an die Grenzen von Dehnbarkeit und Schmerz, emotionale Wucht und sprachliche Gerölllawinen, durchbrochen von feinen, weichen Sequenzen, die zutiefst berühren. Drei Männer im Feinripp versuchen inmitten der Einengung und des allgegenwärtigen Drucks ihren Weg zu gehen.
Gemeißelte Lebensbeichten dreier Kreaturen
Die Musik, sakral und schwebend, dann wieder als Lärmattacke der Agonie und einmal sogar höchst witzig mit Cissy Kraner, setzt sowohl schneidende als auch gefühlvolle Akzente in die gemeißelten Lebensbeichten der drei Kreaturen. Es ist der verzweifelte Versuch und gleichzeitig die absolut existenzielle Notwendigkeit, Künstler zu sein, um eine Sprache zu wieder zu finden, die früh schon abgewürgt wurde. Dass das alles nicht nur in reflexiver Pose als Belehrungstext auf das Publikum herabgelassen wird, sondern als feurig sich verzehrendes Bühnengroßwerk niemanden kalt lassen kann, ist das Verdienst von Winkler, Latella und den drei in eruptiven Sprach- und Körperzuckungen agierenden und zuletzt noch die Buchstaben des Lebensalphabets aushauchenden Schauspieler. Ein wilder Abend, ein dunkler Abend, eine große Empfehlung. Unbedingt hingehen! (Text: Tristan Jorde; Fotos: © Anna Bertozzi)
Kurz-Infos:
Wild wuchern die Wörter in meinem Kopf.
Ein Triptychon nach Texten von Josef Winkler
Bewertung: @@@@@
Schauspielhaus Wien
Koproduktion der Wiener Festwochen mit dem Schauspielhaus und dem Nuovo Teatro Nuovo
Regie: Antonio Latella
Mit: Steffen Höld, Vincent Glander, Max Mayer und als stumme Rolle Catherine Schumann