Ich springe auf keine Züge auf, dafür bin ich zu langsam!
Wer Valerie Sajdik, die mit Ihrer neuen Single „Mädchen“ derzeit regelmäßig auf Ö3 zu hören ist, sofort als schnelllebige Pop-Sternschnuppe abhakt, irrt gewaltig. Die multikulturell aufgewachsene Sängerin (geb. 1978) mit österreichischen Wurzeln, die kürzlich ihre erste Solo-CD „Picknick“ präsentierte, beruft sich bei Ihren Songs sowohl auf Edith Piaf bzw. Astrud Gilberto, als auch auf Georg Kreisler und Gerhard Bronner. Warum das so ist, und wieso Ihr Gottfried Helnwein als Inspiration für das CD-Cover diente, erfuhr Robert Fischer bei einem ausführlichen Gespräch mit der Sängerin im Cafe Europa.
Kulturwoche.at: Valerie, du bist bekannt als Sängerin der Girlband C-Bra und Saint Privat, dem Projekt mit Waldeck, nun gibt es ein Solo-Album von dir. Wie kam es dazu?
Valerie Sajdik: Mein Solo-Album war schon lange geplant. Ich habe mir bewusst viel Zeit dafür genommen, weil ich mir selbst und meinen eigenen Ansprüchen genügen wollte. In den letzten drei Jahren habe ich Songs gesammelt, immer wieder geschrieben, mit verschiedenen Leuten gearbeitet. Und im letzten Jahr, als alles auch vertraglich klar war, haben wir sofort mit den Aufnahmen angefangen. Das hat dann mit ein paar Unterbrechungen insgesamt ca. drei Monate gedauert.
Wie bist du mit dem Produzenten David Bronner in Kontakt gekommen?
David Bronner kenne ich noch aus der Zeit mit C-Bra, wir haben eine musikalische und auch freundschaftliche Ebene, die jetzt wieder zum Tragen gekommen ist. Durch ihn habe ich auch seinen Vater Gerhard Bronner kennen gelernt. Er hat mich auch durch die Aufnahmen zu meinem Album geistig begleitet, mich aber auch ganz praktisch in einigen Dingen beraten. Dann habe ich ihn gebeten, einen Song für mich zu schreiben. Er hat es getan, und ich habe mich sehr darüber gefreut, da er sonst in der letzten Zeit alle Anfragen ablehnte, keine Lust mehr hatte, für andere zu schreiben. Dass er dann mitten in der Produktion Anfang Jänner 2007 verstorben ist, war ein harter Schlag und völlig unvorhergesehen. Damit ist „Zeit“ sozusagen der letzte Text, den er geschrieben hat und darum ist dieser Song für mich etwas ganz Besonderes.
War es für dich eine neue Erfahrung, gemeinsam mit anderen Leuten Songs zu schreiben?
Es war nichts Neues, aber es war für dieses Album genau richtig und ich habe viel von den anderen Liedermachern gelernt. Trotzdem ist es meine Sprache geblieben, meine Welt und meine Geschichten. Aber der Austausch mit anderen Musikern ist genau das Spannende, das mich inspiriert und auf Trab hält, ich bin definitiv keine musikalische Eigenbrötlerin. In Zukunft kann ich mir aber schon vorstellen, auch einmal ein Album alleine zu texten und zu komponieren.
Wie ist es für dich deutsch zu singen, bis jetzt kennt man dich von Saint Privat ja eher mit französischen Texten?
Demos in Deutsch habe ich schon vor langer Zeit gemacht, ich habe das eigentlich nie aus den Augen verloren. Es sind dann andere Dinge dazwischen gekommen wie z.B. Saint Privat, was natürlich auch sehr schön war, aber es ist alles zu dem Zeitpunkt passiert, an dem es halt passieren sollte. Trotzdem war es eine ganz neue Erfahrung, sich jetzt intensiv mit der deutschen Sprache zu beschäftigen. Und um mich wirklich in deutschen Texten zuhause und wohl zu fühlen, musste ich viel herumprobieren.
Wie bist du zur Musik gekommen und wer sind deine musikalischen Vorbilder?
Zur Musik kam ich eher zufällig. Ich bin schon mit 14 Jahren vor Publikum aufgetreten und wurde da von einem Produzenten entdeckt, für so Dancefloor-Songs. Und dann hat sich immer wieder etwas ergeben bis ich mit 18 Jahren beschlossen habe: „Dass will ich hauptberuflich machen!“ Trotzdem habe ich zur Sicherheit mein Jus-Studium fertig gemacht, bin deswegen 2002 nach Paris gezogen und habe auch dort immer wieder neue Musiker kennen gelernt. Da ich ja ab einem gewissen Zeitpunkt eh dauernd nur mit Musikern unterwegs war, habe ich irgendwann gemerkt, dass alle anderen Beschäftigungen eigentlich nur ein Vorwand sind, mir aber die Musik am wichtigsten ist. Ich bin jemand, der sehr vielseitig interessiert ist. Ich habe keine Berührungsängste mit verschiedensten Genres. Am Konservatorium in Wien habe ich Jazz-Gesang studiert, und mich da vor allem ziemlich schnell in den Latin-Jazz vertieft. So kam ich dann zu Antonio Carlos Jobim, den übrigens auch Gerhard Bronner sehr geschätzt hat, und Astrud Gilberto. Aber auch Billie Holiday hat mich sehr inspiriert. Mir war aber in meiner Ausbildungszeit am wichtigsten meinen eigenen Stil zu finden, meine eigene Stimme zu finden. Doch auch Sängerinnen wie Ute Lemper oder Lotte Lenya bzw. der Komponist Kurt Weill haben mich sehr geprägt. Für „Picknick“ habe ich mich aber mehr am Chanson der 1930er Jahre und dann auch wieder den 1970er Jahren, deutschsprachigen Liedern und österreichischen Künstlern wie Georg Kreisler, Gerhard Bronner, Marianne Mendt oder Maria Bill orientiert. Und auch Marlene Dietrich und Edith Piaf spielen in dieser Beziehung natürlich eine große Rolle für mich.
Momentan liegt ja deutsch zu singen wieder sehr im Trend, Sängerinnen wie Annett Louisan haben damit großen Erfolg. Von außen betrachtet sieht es ein wenig so aus, als ob du nun mit „Picknick“ auf diesen Zug bzw. Mode-Trend aufspringst…
(leicht genervt) Also zuerst einmal, ich springe generell nie auf Züge auf, dafür bin ich zu langsam! Ich bin auch kein Typ, der irgendeinen Trend hinterher hechelt, sondern habe immer das gemacht, von dem ich glaube, dass es für mich als Künstlerin gut und richtig ist. Es ist einfach Zufall, auch der Umstand, dass ich schon im Jahr 2000 meine ersten Demos für „Picknick“ gemacht habe, spricht dafür, dass ich diese Musik schon länger verfolge. Ich gönne Annett Louisan ihren Erfolg total, und freue mich für sie. Jedes Werk hat seine Eigenständigkeit und es besteht darin oder nicht. Ich bin überzeugt, dass man das Publikum nicht bluffen kann. Meine Einflüsse kommen aus einer anderen Ecke und mein Album kann sicher für sich alleine stehen.
Was hat es mit dem „blutigen“ Cover-Foto auf sich? [Auf dem Valerie im Schlachthof-Outfit und einem großen blutigen Messer zu sehen ist, Anm.]
Wie so vieles in meinem Leben, war auch das ein Zufall. Ich war gerade mitten in einer Foto-Session, und dann ist einfach meine Fantasie mit mir durchgegangen. Was kann bei einem Picknick noch so alles passieren? Abseits der „heilen Welt“, die man da inszeniert? Dann sind mir auch noch diverse Bilder von Gottfried Helnwein eingefallen. Danach habe ich mir einfach ein Messer geschnappt und so ist das Foto entstanden. Spontan und nicht gestellt.
Wird man dich mit dem „Picknick“-Album auch live sehen können?
Ja, sicher! Am 4. Juli 2007 trete ich im Rahmen des „Jazzfest Wien“ auf der Summer-Stage auf, für den Herbst ist eine größere Tour geplant.
In „Mädchen“ singst du „Sei doch mal ein echter Arsch. Dann kann ich an dich mein Herz verlieren“ – Ist es wahr, dass Frauen die „bad guys“ einfach mehr lieben?
Ob es wahr ist oder nicht, weiß ich nicht. Ich war einfach so dreist, für den Text lauter gängige Klischees und Prototypen zu verwenden. Wie wir wissen, ist in jedem Klischee auch immer ein bisschen Wahrheitsgehalt. Aber so drastisch wie ich das beschrieben habe, ist das nicht zu nehmen. Es ist eher ironisch gemeint.
Danke für das Interview! (Text: Robert Fischer; Fotos: Valerie 2007)
Link-Tipps:
HP von Valerie
CD-Kritik Saint Privat "Superflu"
CD-Kritik Annett Louisan "Unausgesprochen"
Annett Louisan live in Wien - die Kritik