Beim Betreten des Hofs fällt mir auf, dass ich Musik höre - obwohl ich keine Musik höre. Die Musik kommt also von außen. Umso besser, sehr sympathisch und selten genug. Ein gutes Omen, um ein Interview mit Marco Ceccarelli, dem Frontmann von der österreichischen Band Lady Bird, zu führen. "Hallo, ich bin der Marco." Begrüßung. Ein paar Rock 'n' Roll Klischees: Gitarre, Zigarettenpackerl, Flaschen, Bilder. Wie im Film, oder auch nicht. "Alles, was diese Band erlebt hat, ist wie im Film", sagt Marco und schon ist das Interview im Gange, das nie Interview sondern immer Gespräch war. Von Nadia Baha.
Gott ist kreativ, oder: Die Halbaffen sind das Problem
"Es gibt so viele gute Bands, die nicht mal wirklich an die Öffentlichkeit gehen! Vertigo zum Beispiel. Eine Band, die mit uns den Proberaum teilt. Es ist so unglaublich so was in Österreich zu haben. Wir arbeiten gerade an einer Blues Combo mit ihrem Drummer und einem geheimen unsterblichen Gitarristen. Aber das bleibt vielleicht alles im Verborgenen, wozu irgendwem in Österreich präsentieren? Interessiert eh niemanden, haha."
Ich denke an meinen ehemaligen Musiklehrer der einmal beiläufig meinte, wenn man Kunst nicht an die Menschen herantrage, sei es keine Kunst. Schon damals war ich mir sicher, dass er Unrecht hat.
"Authentische Musiker haben es gar nicht nötig, Leuten ihre Musik vorzuspielen. Sie genügen sich selbst. Musiker und Band ist nicht das Selbe. Eine Band zu haben oder wirklich Musiker zu SEIN, das ist ein Unterschied. Einfach zu spielen, weil man spielen muss, weil man sonst sterben würde. Da hat sich ne herrliche Fake-Kultur zusammengefunden im Österreichischen Underground. Die liegen doch alle in der Sonne und nur, wenn jemand vorbeikommt, laufen sie schnell zum Abgrund und tun als ob. Diese ganze neue Emo-Kultur verherrlicht und romantisiert Suizid. Auf einmal ist es cool permanent down zu sein und Lithium im Schrank zu haben. Das Spiel mit dem Abgrund, es ist ein riesiges Spiel für sie. Ich habe darüber auch einen Song geschrieben: Fake Teen Suicide Solution. Den wird aber auch niemand jemals hören - Selbstmord ist nicht erstrebenswert. Diese österreichischen Bands, die alle dauernd verkrampft traurige Texte schreiben, das kauft ihnen doch niemand ab. Da spürt man sofort, dass das nicht echt ist. Wenn ich eine kleine Schwester hätte, würde ich sagen: 'Das könnte ja meine kleine Schwester besser.' Aber ich habe keine kleine Schwester.“ Ich nicke.
Intensive, zerbrechliche Melodien
"Uns, Lady Bird, gibt es seit ca. 2005. Momentan liegt die ganze Band danieder, weil unser Bassist mit 10 Euro in die Welt hinausgegangen ist. 'Marius, komm bald wieder zurück!' Wir haben jetzt endlich einen irren Drummer gefunden. Er schlägt, er spielt nicht, hehe. Ganz ehrlich, lieber hätte ich ein Mädchen gehabt. Naja, aber es gibt wirklich viel zu wenig Underground-Musikerinnen! Wir haben ungefähr 40 Songs aufgenommen, aber noch keine CD. Gott ist kreativ." Er spielt mir ein paar Songs vor. Intensive, zerbrechliche Melodien. Tolle Texte, super Stimme. Sounds like? The Beatles, The Vines, Nirvana, 60er Jahre, 70er Jahre. Eigentlich nur wie eine Band: Lady Bird. Aber Lieblingsbands sind immer erlaubt. Eben. "Ich plane einen Film über die österreichische Musikszene, ungeschminkt, wie's uns wirklich geht. Es soll ein Film über Underground-Musik werden. Jascha Novak (nefas) ist ein toller Kameramann.“
In Österreich wird Musik einfach nicht so angenommen
Noch ein paar Lady Bird Songs. Jetzt sage ich, was ich mir schon vorher gedacht hatte: "Ihr hättet mehr Chancen in England." "Hmmm. Das denk' ich mir auch. Unser alter Drummer (Axl Brugger) ist schon nach Manchester. Der hat sich auch super mit The Cooper Temple Clause verstanden, bei denen wir am 5.3.2007 in der Arena Support waren. Die sind toll. Einfach Wahnsinn und so tolle Menschen. Der Sänger teilt meine soziologische Besessenheit und das ist auch die Zukunft der Musik; nämlich eine Musik die analysiert. Ich glaube, in Österreich wird Musik einfach nicht so angenommen. Vor allem in Österreich und vor allem jetzt gibt es so viele Halbaffen, die so tun, als wollten sie dir helfen, aber in Wahrheit arbeiten sie nur in die eigene Tasche. Die Halbaffen sind das wirkliche Problem. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die ganze Welt kokst. Alle in Machtpositionen koksen. Wir müssen uns in einer Industrie behaupten, in der lauter Kokser sind. Da Kokser unberechenbar sind, kommt es dazu, dass Band wie Mondscheiner berühmt werden."
Ich nicke. Ich notiere.
"Was soll man denn dazu sagen, wenn dir jemand sagt: "Jungs, ich bring' euch in die Bravo."“
Ich muss, wie oft im Gespräch, sehr lachen.
Das Leben ist ein Gugelhupf
"Noch eine zutiefst klischeehafte Geschichte von Lady Bird: Mal abgesehen von den verrückten Underground Punk Konzerten in Deutschland (unter anderem in einem CD-Geschäft) erinnere ich mich an einen besonders herrlich chaotischen Gig in Innsbruck. Uns ging das Geld aus und ich hab für 1 Stunde in einem Schuhgeschäft Schuhe geschlichtet um bisschen Geld für Essen zu verdienen, der Club in dem wir gespielt haben war nämlich pleite. Auf der Rückfahrt hat Markus (Gitarrist) als Klofrau gearbeitet, hahahaha. Ich will nicht von Serbien beginnen…irgendwo zwischen den Drogen und dem wirklich nicht nüchternen Auftritt im Radio B 92, den wahrscheinlich an die 100.000 Leute gehört haben, hab ich meinen Realitätssinn verloren…“ Wirklich filmreif. "Ich wär am Liebsten Snow-Patrol. Alle auf einmal." Die Band plant im Moment nach England zu ziehen und sich in "The Austrians" umzubenennen. Das Leben ist ein Gugelhupf. (Text und Fotos: Nadia Baha)
Folgende Bands lieferten den Soundtrack zum Gespräch:
(AUT)
Lady Bird
Lurid Lure
Lurid Shaped
Wa:rum
(D)
Ton Steine Scherben
(UK)
Nine Black Alps
The Compulsives
The Mod Cons
The View
(US)
Vanilla Fudge
Link-Tipp:
www.ladybird.at