Sind teure Weine und Autos anerkannte Statussymbole, so ist HiFi-Hardware mit beeindruckender Musik- und Bildwiedergabe für die meisten verzichtbarer Luxus. Die Wiederentdeckung der Sinnlichkeit des Klanges stand daher beim Round-Table-Gespräch mit Heinz Lichtenegger (Audio Tuning), Ludwig Flich (KlangBilder), Heinrich Schläfer (Quinton Records) und Gerald Preinfalk (Musiker) zur Debatte.
Sind teure Weine und Autos anerkannte Statussymbole, so ist HiFi-Hardware mit beeindruckender Musik- und Bildwiedergabe für die meisten verzichtbarer Luxus, denn aus der Mini-Kompaktanlage um Euro 99,90 kommt ja genauso Musik raus. Dass die Tonqualität dabei auf der Strecke bleibt, stört weiter nicht, denn zum konzentrierten Hören fehlt ja soundso die Zeit. Die Wiederentdeckung der Sinnlichkeit des Klanges stand daher beim Round-Table-Gespräch mit Heinz Lichtenegger (Audio Tuning), Ludwig Flich (KlangBilder), Heinrich Schläfer (Quinton Records) und Gerald Preinfalk (Musiker) zur Debatte. Eine Expertenrunde, die sich auch zum gegenwärtigen Stand der österreichischen HiFi-Szene äußerte.
Manfred Horak: Welche Rolle spielt Österreich weltweit am HiFi-Markt?
Heinz Lichtenegger: Österreich ist als produzierendes Land im Nachteil, weil wir keinen klassischen Homemarket haben, d.h., es gibt kaum bedeutende Produkte ausgenommen die Plattenspieler, die wir machen - Pro-ject und Vienna Acoustics - und mit Abstrichen vielleicht der Eine oder der Andere im extremen HighEnd-Bereich, was aber industriell keine Wertigkeit hat. Außerdem ist Österreich als Land in einer schlechten Position, weil es zerrissen ist von Deutschland. Eine wirkliche HiFi-Gemeinde hat sich immer nur sehr schwer entwickelt, uns fehlt die eigene Identität, der österreichische Markt wird von den deutschen Medien beeinflusst. In Österreich hingegen gibt es keine Presse mit regelmäßiger Berichterstattung. Und somit bekommen wir mehr oder weniger immer nur den Abklatsch aus Deutschland. Das allgemeines Interesse ist daher einen eigenen österreichischen Markt zu schaffen und ich versuche, meine Firma am internationalen Markt dementsprechend zu positionieren.
Ludwig Flich: Die Szene ist auch vom Konsumenten sehr stark beeinflusst, weil, wenn er in eines der wunderbaren Shops geht, die leider immer weniger werden, und die nicht immer internationales Niveau haben, da viele in der Hand eines Vertriebs sind und nicht unabhängig agieren können. Es gibt viele Händler von Vertriebs Gnaden. Es gibt kaum einen Vertrieb der nur Vertrieb ist und das führt dazu, dass in einer Stadt wie Wien der Verdrängungswettbewerb sehr groß ist, zudem leider früher, und das wollen wir als Hoffnungsbotschaft für die Zukunft geben, mit ziemlicher Verbitterung und Untergriffen geführt wurde. Ich habe das Gefühl, dass das Image dieser Branche im Schwinden begriffen ist.
Heinz Lichtenegger: HiFi ist heute nicht mehr "in". Es ist heute alles irgendwie im Hinterhof, auch der Vertrieb ist nicht First Class-Service, auch mein Vertrieb ist nicht so, wie ich es mir vorstelle, und das, obwohl ich bei weitem der größte Vertrieb in Österreich bin. Der Hauptpunkt ist, daraus wieder eine Lebensart zu machen, ein Flair wieder rüber zu bringen, es begehrenswert zu machen.
Welche internationale Position, Herr Lichtenegger, haben Sie mit Ihren Plattenspielern, und gibt es in Österreich auch noch andere Hersteller von internationalem Format und Exporten?
Heinz Lichtenegger: Wir sind bei Plattenspielern Weltmarktführer. Wir exportieren in 40 Länder und haben da einen Markt aufgebaut. Das funktionierte natürlich auch deshalb, weil uns viele österreichische Medien unterstützten - Der Standard, Trend, Gewinn, Profil, Wiener - alle haben sie früher zum Thema HiFi geschrieben, was heute nicht mehr der Fall ist. Dennoch: "Pro-ject" und Plattenspieler im allgemeinen in Österreich zu besitzen ist heutzutage wieder mehr "in". Das ist irgendwie verrückt. Selbst Media Markt bietet meine Plattenspieler an. Aber da haben wir wahnsinnig viel dafür getan.
Heinrich Schläfer: Das geht so weit, dass sie sogar wieder Schallplatten anbieten...
Heinz Lichtenegger: Die einzige Chance für Österreich ist ja auch, dass wir uns von Deutschland abkoppeln und einen eigenen Markt und ein eigenes Flair entwickeln. Beispiel Wein: Kein Mensch kommt auf die Idee, den Wein zu trinken, was dir irgendein deutsches Magazin vorschreibt. Wir haben unsere eigene Weinkultur. Sicherlich hat auch der eigene Markt dazu etwas beigetragen, aber auch die Initiative der Leute. Beim Grundgedanken HiFi geht es um das Kulturgut hochwertiger Musikwiedergabe schlechthin. Weltmarktbedeutung hat in Österreich derzeit sonst nur Vienna Acoustics, es gibt Herrn Hirt, der mit seinen Röhrenverstärkern "Ayon" und "Luman White" in den letzten Jahren ein gewisses Echo hatte.
Heinrich Schläfer: Vienna Acoustics noch eher als die guten Verstärker von Herrn Hirt, weil die sind so hochpreisig, dass sie schon fast wieder eine Modeerscheinung sind.
Welche Auswirkungen hatte dabei Österreichs Beitritt zur EU?
Ludwig Flich: In der Entscheidung der Konzerne. Viele Entscheidungen werden jetzt in Deutschland gefällt und nur die Virtuosität sehr guter österreichischer Vertriebe ermöglicht ihnen das Überleben.
Heinrich Schläfer: Bei Schallplatten ist es inzwischen ganz gravierend geworden, da gibt es überhaupt nichts mehr, es gibt auch keine österreichische Software mehr.
Heinz Lichtenegger: Der Worst Case ist, dass in den nächsten Jahren nochmals etliche der kleinen Händler zusperren werden müssen, da die deutschen Vertriebe von Premium-Produkten Österreich wie Bayern sehen, und einfach meinen, wir brauchen in Österreich nur zwei, drei Händler. Denen wird es dann ganz gut gehen wenn sie alle Auflagen erfüllen. In Deutschland gibt es ja eine ganz andere Vertriebspolitik, sei es in Umtausch- oder Zahlungskonditionen...
Ludwig Flich: Diesen Pessimismus teile ich nicht. Ich glaube nicht, dass es so schlimm wird. Grundsätzlich aber ist es richtig, dass es in den nächsten Jahren zu einer weiteren Reduktion des Angebots kommt, oder einige Vertriebe noch multifunktionaler werden. Ein Grund ist sicherlich, dass es zu wenig Reproduktionsmedien und zu wenig Public Relation gibt. Früher, so lange es ein Magazin wie z.B. Vox gab, oder jemanden, der darüber berichtete, war die Szene aktiv. Wer irgendwo in einem Artikel auftaucht, lebt. Wer nicht wirbt stirbt und wer nicht präsent ist in den Medien wird nicht als wirklich wichtig wahrgenommen.
Wie könnte ein Ansatz aussehen, dass sich die Situation wieder bessert?
Heinrich Schläfer: An der Software. Wenn du keine gute Software erhältst, hast du auch keinen Impuls eine gute Hardware zuzulegen. Die CD ist in den meisten Fällen nichts wert, damit entfällt der Impuls höherwertiges zu kaufen, weil es egal ist. Der Markt ist nämlich derart überschwemmt von wirklich schwachen Produkten, die letzten Endes den Markt zerstören, da sie eine ungeheure Sättigung hervorrufen. Das führt dazu, dass die "Ware" Musik keinen Wert mehr hat. Und dadurch, dass der Musik in den großen Bereichen diese Wertigkeit fehlt, fehlt natürlich auch der Wert auf der Wiedergabeseite.
Heinz Lichtenegger: Es hat aber auch am HiFi-Markt gewisse Auswüchse gegeben. Wenn jemand heute das teuerste Auto kauft ist das begehrenswert, wenn jemand das teuerste HiFi-Gerät kauft, rümpft der Großteil die Nase, das ist nicht mehr erstrebenswert geworden für einen der Geld hat und ein Statussymbol besitzen möchte.
Heinrich Schläfer: Die Auswüchse fangen in dem Moment an, wenn man im normalen Wohnzimmer Starkstromkabel auslegen muss, damit man einen Ton aus der Anlage rausbringt mit Boxen, die an Aliens erinnern und durchschnittliche Ästheten panikartig die Flucht ergreifen.
Heinz Lichtenegger: Ich würde schon die Innovation und Lösungen in den Vordergrund stellen. Teure Sachen, die elegant und durchaus HighEnd-ig sind. Ich will Produkte und Ideen featuren, dass ich dem Kunden eine Anlage um 70.000 Euro verkaufen kann und die Wohnung bleibt dennoch wohnenswert. Es sollte alles was wir von HighEnd wissen eingepackt sein und auch schick sein.
Ludwig Flich: Aber dann kann nicht sein, dass wir unsere diesbezüglichen biologischen Wurzeln vergessen haben über die Jahre. Es geht immer darum, Musik und Film in bestmöglicher Qualität zu hören. Hat diese Botschaft nicht gefehlt? Darum geht es mir bei den KlangBildern [Infos und Termine dazu unter www.klangbilder.at; Anm.]. Nicht, dass man sich 200 Geräte anschaut, an die man sich nachher nicht mehr erinnern kann, sondern sich an das Gesehene und Gehörte lange zu erinnern.
Gerald Preinfalk: Es geht doch immer darum, was man hören möchte und nicht wie man es hört. Starkstromkabel und dergleichen sind doch immer nur ein Zwischenstadium. In Wahrheit höre ich Musik.
Heinrich Schläfer: Du hast schon recht. Aber: Wenn du Musik hörst hast du genau diese zwei Schritte. Erstens die Musik - das ist ja eigentlich HiFi und zwar in dem Sinne, dass du das möglichst gut hören möchtest. Mit einem kleinen Quäker bekommst du zwar den musikalischen Inhalt mit, aber keine Feinheiten. Dann bist du bereit ein bisschen mehr zu investieren, aber irgendwann kommst du zu einem Punkt, an dem es ganz egal ist wie gut die Musik ist und auch klingt - es schreckt dich ab. Und diese Beispiele gab es in letzter Zeit auch.
Gerald Preinfalk: Ist es nicht trotzdem so, dass man zuerst die Menschen finden muss, die dafür sensibel sind? Auf Autos oder Weine lässt man sich ja doch schneller ein wie für ein Musikempfinden.
Heinz Lichtenegger: Musik ist schon noch weiter im Vordergrund...
Gerald Preinfalk: Noch weiter als Wein und Auto? Nie im Leben!
Heinz Lichtenegger: Es gibt interessante Studien, dass Musik immer das wesentliche Gut des Menschen ist. Das Problem was wir haben, und eigentlich alle Generationen die Musik produzierten hatten, ist, dass wir es nicht schaffen das in jedem Menschen vorhandene Bedürfnis und die Sensibilität nach guter Musik zu wecken. Jeder hört im Hintergrund Musik, und es geht darum, diesen Hintergrund in den Vordergrund zu bringen. Dadurch ergeben sich zwei Effekte: Erstens wird die Musik höherwertiger, das heißt, die Art der Musik wird höherwertiger, denn man möchte ja keinen Ramsch hören. Zweitens wird man auf die Qualität der Wiedergabe anspruchsvoller, weil man sich auf Wiedergabefehler sensibilisiert.
Gerald Preinfalk: Das ist doch die zweite Stufe! Zuerst muss man die Leute auf die Musik generell sensibilisieren und dann erst auf die Wiedergabequalität.
Heinrich Schläfer: Das ist genau das, wo wir hinwollen und womit wir kämpfen. Wer in Österreich bietet hochwertige Software an, wer kann sich das leisten ungeachtet des Drucks aus Deutschland und wie schafft man es dann, mit den Stückzahlen, die man sich eben leisten kann, die öffentliche Aufmerksamkeit zu erringen, um das Geleistete wieder zurück zu verdienen? Was fehlt ist natürlich die Struktur. So gut wie jeder Musiker hierzulande macht seine Aufnahme auf eigene Rechnung, was für die Softwareindustrie unglaublich gut ist, weil es sie ja nichts kostet. Dadurch kommt aber alles auf den Markt, auch was eigentlich gar keine Wertigkeit hat. So gut die Idee vielleicht als Konzertidee gewesen sein mag, heißt es noch lange nicht, dass es die Wertigkeit hat in den nächsten 30 Jahren als Produkt musikalisch zu bestehen. Die hochwertigen Aufnahmen die jeder kennt stammt aus der Zeit von Miles Davis und John Coltrane, auch im Pop- und Rockbereich sind es die Sachen aus den 60er und 70er Jahren, die Klassiker eben.
Zurück zu den HighEnd-Produkten. Bei HighEnd-Produkten war bisher immer nur die Rede von einer Preisklasse bei 70.000 Euro. Ab welcher Preisklasse ist ein Produkt ein HighEnd-Produkt?
Heinz Lichtenegger: HighEnd beginnt bei mir mit einem Verstärker und einem CD-Player um jeweils 200 Euro und das Meter Kabel um 10 Euro. HighEnd ist das was raus kommt, nicht die Komponenten. Wenn alles mit Liebe gemacht ist, ist das Ergebnis HighEnd. Das gilt es zu transportieren und das ist meine Grundphilosophie.
Gerald Preinfalk: Super. Das wusste ich zum Beispiel nicht. Tut mir echt leid.
Was kostet dann 70.000 Euro?
Heinrich Schläfer: Das sind die Auswüchse, die wir kritisieren.
Ludwig Flich: Ich teile die Ansicht, es handle sich um Auswüchse, nur bedingt, denn auf der anderen Seite macht es natürlich Sinn. Du kannst mit kleinen Anlagen nicht große Säle bespielen. Es gibt ausgefuchste Technologien, wo du der CD nur mit dieser Technologie bestmöglich entgegenkommst. Es ist nicht nur teuer, es macht ab einer gewissen Lautstärke Sinn.
Heinz Lichtenegger: Ich gebe dir ein anderes Beispiel aus der Software. Unsere Problematik im HiFi ist, wenn ich bis heute nur Ö3 hörte muss ich zum Jazz geführt werden. Das heißt, ich brauche zunächst ein einfaches Stück und dann hantelt man sich eh automatisch weiter. Das gleiche gilt im HiFi-Bereich. Es gibt keinen Kunden, der sofort eine Anlage um 10.000 Euro kauft.
Ludwig Flich: Aber es darf nicht die Aussage sein, dass eine teure Anlage keinen Sinn macht.
Gerald Preinfalk: In Wahrheit sind wir gleich weit voneinander entfernt. Ich glaubte immer, dass man für HighEnd viel Geld braucht, für ihn heißt es, dass man sich Jazz nicht anhören kann.
Heinz Lichtenegger: Das ist genau, was die Masse glaubt. Die selbe Problematik. Man muss mit einem gewissen Einstieg beginnen und dann wird es automatisch mehr. Es geht darum, dass man den Leuten die Schwellenangst nimmt. Es gibt Leute, die würden nie in ein HiFi-Geschäft gehen, nie in ein CD-Geschäft, um in den Jazzregalen zu stöbern. Wenn sie da hineingehievt werden, kommen sie auf den Gusto und kommen drauf, wie viel Spaß das macht.
Abschließend noch eine Frage. Was ist die wichtigste Komponente bei einem HighEnd-Set oder sind alle Einzelstücke gleich wichtig?
Ludwig Flich: Ich glaube, dass die Quelle das Beste sein muss.
Heinz Lichtenegger: Eine Anlage klingt so gut wie das schwächste Glied. Für den geübten Musikhörer, zu dem Ludwig sicherlich gehört, wird die Quelle immer entscheidender. Für den weniger geübten Musikhörer ist der Lautsprecher das Entscheidende, weil der Lautsprecher die Klangfarbe macht. Das ist ungefähr so wie beim Wein trinken. Wenn du Süßwein nicht willst, sondern nur trockenen, dann kann dir der beste Süßwein vorgesetzt werden, nur wird er dir nicht schmecken. So ist das beim Lautsprecher auch. //
Interview: Manfred Horak