gerhard_bronner_pressefotoGerhard Bronner, geboren 1922 in Wien, ist tot. Er – der Urvater des Austropop - wird als einer der wichtigsten Textautoren und Komponisten Österreichs in Erinnerung bleiben. Wie sein Leben verlief gibt es zudem in der Autobiographie "Spiegel vorm Gesicht. Erinnerungen." (DVA; 2004) zu lesen. Seine im Buch ausgebreiteten Lebenserinnerungen sind von beklemmender, heiterer, spöttischer und zuweilen bitterer Natur. Ein Drama eines beeindruckenden Lebens. Die Nachrufslupe vorm Gesicht hielt sich Manfred Horak.

Der trainierte Emigrant

"Bronner? Das ist doch der, der die Beatles so verrissen hat. Ein Trottel!" Nein, man kann nicht unbedingt behaupten, dass Gerhard Bronner, der eigentlich Gerhart, nach Gerhart Hauptmann, heißen sollte, uneingeschränkte Beliebtheit genoss. Er war eine kontroversielle Figur in der hiesigen Kulturszene, dessen Einfluss jedoch bis zuletzt spürbar war. Seine Haltung ließ sich mit "Er denkt, was er redet und er redet, was er denkt", umschreiben, eine Haltung also, die dem von Natur aus schleimigen Österreicher sehr schnell zuwider sein kann. Gerhard Bronner war ein Unbequemer, und das war gut so. Dass es in seinem langen Leben zudem viel zu erinnern gab, "und", wie er schrieb, "mindestens ebenso viel zu vergessen", dennoch den Versuch startete, "sowohl das Erstere wie auch das Letztere zu praktizieren. Beides wird mir nicht leicht fallen.", bewies, dass er selbst im hohen Alter noch nicht eingerostet war.

Und fürwahr: Bei der Buchpräsentation seiner Autobiographie im Jahr 2004 z.B. überraschte der damals 82jährige mit einer Ausstrahlung und Fitness eines vielleicht 60jährigen. Nun, vielleicht vertieften sich seine Falten, sein Haar ergraute eventuell noch um eine Nuance, aber älter schien er nicht geworden zu sein. Auch der Anzug, in dem seine schlanke Figur steckte, war zeitlos, wenn auch nie wirklich modern. Er las Passagen aus seinem Buch vor und er verstand es wie eh und je kraft seiner sonoren Stimme das Publikum um den Finger zu wickeln, klar, dass er sich auch am Klavier begleitete. Allerdings verzichtete er auf seine Klassiker wie "Der Bundesbahnblues", "Weil mir so fad is'", "Der g'schupfte Ferdl", "Der Papa wird's schon richten" oder seine wohl beste Komposition "Die alte Engelmacherin" [da schiebe ich jetzt doch glatt eine große Klammer ein: Solche Lieder, wie es Bronner zu schreiben wusste, fehlen mir im gegenwärtigen Österreich, dabei gäbe es doch so viele Themen. Klammer zu].

Quasi maßgeschneiderte Lieder

Bronner hatte mit Helmut Qualtinger eine Zeit lang einen kongenialen Partner, der Bronners Lieder neue Dimensionen verlieh. Qualtinger, der Interpret, Bronner, der Liedermacher. Ein Duo, das zwischen 1956 und 1961 eine immense Popularität erlangte und sie zu den ersten Popstars Österreichs machte. Sie waren das schlechte Gewissen der Politiker und die Lieblinge der Nicht-Politiker. Neben seinen Liedern wurde vor allem Qualtinger als Travnicek und Bronner als sein Freund zum Dauerrenner - und ein wahrer Zitatenschatz bis heute:

bronner_qualtingerTravnicek: Die FPÖ? Die hab ich schon 38 gewählt...
Freund: Die hat es 38 doch gar nicht gegeben!
Travnicek: Naa. Aber g'wählt hab'i s' ... is aa nix dabei herausgekommen...
(aus: Travnicek und die Wahl; 1959; Foto: Barbara Pflaum)

Gerhard Bronner war einer jener Baumeister des österreichischen (Polit-)-Kabaretts nach dem Zweiten Weltkrieg - einen Krieg, den er nur zufällig überlebte. Und warum gerade er überlübte war auch eine Frage, auf die er sehr lange versuchte eine Antwort zu finden. So schrieb er in seiner Autobiografie: "Wieso bin gerade ich der Einzige meiner Familie, der dem braunen Inferno heil entrinnen konnte? Wieso hat mich der Gendarm damals nicht an die deutsche Grenze gebracht? Wieso bin ich nicht beim Überqueren der Donau ertrunken? [Sein Freund Michel hingegen schon; Anm.] Wieso habe ich den Jeep versäumt, der zerbombt wurde? Wäre ich nicht strenggläubiger Atheist, dann müsste ich an einen Schutzengel, zumindest an eine höhere Vorsehung glauben." Die erste Hälfte des Buchs widmete Bronner denn auch seinem Überlebenskampf in Brünn, Rustschuk, Palästina und Bronner verstand es mit großer Eindringlichkeit über diese unmenschlichen Jahre die hereingebrochen sind zu erzählen. 1948 kehrte er eher zufällig nach Wien zurück. Der Wien-Aufenthalt sollte nur von kurzer Dauer sein, dass er dann doch etwas länger blieb und - gemeinsam mit Peter Wehle, Georg Kreisler, Helmut Qualtinger, Carl Merz - künstlerische Maßstäbe setzte, ist längst ein Teil der Kulturgeschichte Österreichs und kann nie hoch genug gewürdigt werden. Gerhard Bronner starb am 19. Jänner 2007 in Wien. (Manfred Horak)

bronner_buchcoverBuch-Tipp:
Gerhard Bronner – Spiegel vorm Gesicht. Erinnerungen.
DVA (2004)
272 Seiten
ISBN 3-421-05812-1

CD-Tipps:
Der g'schupfte Ferdl - frisch gestrichen und weitere 15 neue alte Lieder (Preiser, 1998)
Travniceks gesammelte Werke. Mit Gerhard Bronner & Helmut Qualtinger (Preiser, 1988)