Zugegeben, sie hatte leichtes Spiel (aber - und das fällt mir soeben ein und auf: das hatte ich bereits einmal in einem Konzertbericht von Rebekka Bakken geschrieben - scheinbar hat sie hierzulande bei einem Konzert immer ein leichtes Spiel die Gunst vom Publikum in kürzester Zeit zu erobern; Anm.) und sich dennoch nicht in die Automatik des Runterspielens diverser Lieder begeben, sondern ziemlich viel gegeben.
Das Programm im ausverkauften Wiener Konzerthaus am 10.10.2006 bestand aus einer Mischung ihrer bisher drei veröffentlichten Solo-CDs, "The Art Of How To Fall", "Is That You?" und "I Keep My Cool", plus, als Draufgabe, von zwei Coverversionen (davon später, denn diese kamen auch erst so ziemlich am Schluss dran). Rebekkas Stimme ist – und da sind sich wohl so ziemlich alle einig – ein Gewinn (im Gegensatz dazu ist sie hingegen was „ihre“ Musik betrifft umstritten) und diese setzt sie auch gekonnt im Konzert ein, was natürlich in erster Linie in den ruhigen Liedern bestens wahrgenommen werden kann. Und so bot auch das Konzert eine Mischkost zwischen Uptempo-Liedern und Slow Songs. Letztere brachte sie gemeinsam mit ihrer hervorragenden Band als intensive Epen zum Ausdruck, und hier wiederum glänzte das in norwegischer Sprache gesungene Lied "So ro" aus dem Album "Is That You?". Ein Meilenstein, funkelnd, elegisch, märchenhaft, elfengleich, nordlichternd, sehnsuchtsverhangen, Sagen umwoben. Kurzum: Edel.
Aus eben diesem Album stammte der zweite Höhepunkt des Abends, nämlich "Why Do All The Good Guys Get The Dragons?". Das auf Pete Seeger basierende "Where have all the Flowers gone?" besticht nicht nur mit Textzeilen wie “Mam says that good girls go to heaven/But what about the rest of us”, sondern auch mit einer ausführlichen Anekdote zur Einleitung und einem beinahe schon exzessiven Gitarrensolo von Staffan Astner. Hervorragend kam auch aus "I Keep My Cool" das Herzstück des Albums, "Hard to be a Loser" rüber. Ein schwerer Blues, in dem die sympathische Sängerin in unglaublicher Weise mit ihrer Stimme variantenreiche Nuancen zu setzen weiß. Ein elektrifiziertes wie elektrifizierendes Stück Musik, das man in diesen Tonarten gerne häufiger von der norwegischen Sängerin hören möchte. Ein Feger, wie man so schön sagt.
Feinstarbeit bot auch Jesper Nordenström am Klavier, sowie Lars Danielsson am Bass und Per Lindvall am Schlagzeug - eine Band, die mittlerweile sehr gut ausloten kann, wann musikalische Freiheit ausgekostet werden kann und wann sie sich zurückhalten soll. Im Zugabenblock gab es dann noch drei Lieder zum Besten - ganz am Schluss stand das ziemlich leiwande Titelstück vom Album "Is That You?" auf der Setlist, davor kamen noch zwei Coverversionen zu Gehör: Weidlich bekannt aus den Konzerten des Vorjahres (sie spielte dieses Lied auch damals als Zugabe) ist "Ghost in my House", das relative Bekanntheit von Alison Krauss & The Union Station auf deren Album "Forget About It" (1999) erhielt, tatsächlich aber von Hugh Prestwood von der Band Shenandoah für das Album "Extra Mile" (1990) geschrieben wurde. Weitere Coverversionen gibt es zu diesem Lied übrigens von Caroline Doctorow (1991), Amanda McBroom (1991), Simone Kopmajer und Nils Landgren (2002). Ein Lied im deutlichen Country-Jargon, und Staffan Astner packte es denn auch tatsächlich in seinem Gitarrenspiel das reaktionäre Amerika erklingen zu lassen. Die große Überraschung bot die zweite Coverversion. Nein, es war kein Lied von Bob Dylan (wie ich es mir erhoffte), sondern "Time After Time" von Cindy Lauper. Musikalisch kann man diesem Lied vielleicht nicht wirklich allzu neue Aspekte verleihen, sehr wohl aber in gesanglicher Hinsicht, und hier konnte einmal mehr Rebekka Bakken voll punkten. Schwebend. Flirrend. Stück für Stück verschachtelt mit der Zeitlosigkeit. Feiner Abend. (Manfred Horak)