Van Morrison, the Belfast Cowboy, verharrt live in der Langeweile und singt knapp an der Magie vorbei.
Nach dem bisher letzten hierzulande gebotenen Konzert von Van Morrison, das gerade noch das Prädikat "Durchschnitt" erreichte und den auch nicht gerade übermäßig aufregenden zwei Konzerten im Museumsquartier war ich beinahe schon geneigt, auf dieses Morrison-Konzert zu verzichten, zumal es in der kalten Halle im Gasometer stattfand. Aber seither kam es zu zwei interesssanten Veröffentlichungen, dem besonders wertvollen "Magic Time" und dem Country-Album "Pay the Devil", und somit stand ich mittendrin in der unüberschaubaren Menge, die diesem Konzert regelrecht entgegenfieberte. Ich glaubte mich zunächst einmal verirrt zu haben, denn weder hatte ich mit einer derart großen Menschenmenge gerechnet noch mit einer derart grundpositiven, friedlichen Stimmung. So, als ob der Künstler, auf den alle warten, ein Guru, ein Lehrer sei. Gute Atmosphäre. Hatte ich schon lange nicht mehr so empfunden.
Und dann kam er - nein, doch nicht er, sondern seine Band als Vorhut. Die gleiche Band - oder zumindest ein Teil davon - begleitete ihn auch schon bei den erwähnten mittelmäßigen Konzerten und so begann auch das Konzert, mittelmäßig, nein, noch schlimmer, hausbacken. Mit dem Doc Pomus-Lied "Boogie Woogie Country Girl" startete die Van Morrison Band ohne Meister und ruderte nur allzu brav und bieder durch den aus guten Gründen wenig bekannten Song. Bob Dylan - so viel Zeit für eine kurze Nebenbemerkung muss sein - machte sich übrigens auch mal über dieses Liedchen her, und zwar auf der CD "Tribute to Doc Pomus", und bei ihm klang es irgendwie ulkig, wenn auch nicht gerade essenziell. Na ja, dann kam aber wirklich er: Please welcome! Mr. Vaaaaaaaan Moooooorrrrrison! Der kleine Mann mit Hut und Brille, schön g'sackelt wie immer, spazierte er, das Saxofon spielend, zur Bühnenmitte und vergrub sich im bewährten R&B der Frühzeit (was freilich nicht vergleichbar ist mit gegenwärtigem R&B!).
Und dann, nach der Aufwärmphase sozusagen, erklang das wunderbare "Stranded" aus dem wunderbaren Album "Magic Time" und die Magie stand plötzlich im großen Saal, wollte herunter geholt werden, war schon ganz dicht oberhalb des Kopfes, schwebte über einem. Es folgten das grandiose "Enlightenment" und eine wuchtige Version von "In My Memories" da glaubte man bereits, es werde ein ganz großes Konzert, ein magisches. Mindestens. Der Hemmungsorgel-Spieler bauschte irre Sachen aus dem Instrument raus, und das ganze Unternehmen schien aufzugehen (meine Augen glänzten bereits), aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund wollte Mr. Morrison nicht mitmachen, bei "Moondance" kappte er vorzeitig das Solo des Schlagwerkers, und überhaupt: Sein Gesang blieb über weite Strecken am Rande des Lustlosen, nach dem Motto: Bitte nehmt es nicht privat, ich mache nur meinen Job, und heute hätte ich viel lieber frei. Da half auch eine gut gelaunte Candy Dulfer nicht und da halfen noch so viele gut gespielte Soli der diversen Musiker der 10-köpfigen Band nicht, denn Van Morrison entschied sich in Folge durchschnittliche Songs aus seinen durchschnittlichen Alben der jüngeren Vergangenheit, in denen er Tribut an die 1950er Jahre zollt, ohne große Motivation zu spielen.
Da blieb dann halt nicht mehr viel übrig, und selbst der Glanz aus meinen Augen wich lange bevor das exakt 90-minütige Konzert zu Ende ging. Ich war in gewisser Weise traurig über seine Gelangweiltheit, obwohl die Magie zum Greifen nahe war, und noch mehr bedauerte ich, dass er aus dieser Langeweile offenbar nicht raus findet. Nur, komisch: Das Publikum jubelte ihm das ganze Konzert hindurch begeistert zu. (Manfred Horak)
Link-Tipps:
CD-Kritik Van Morrison - Magic Time
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DVD-Kritik Van Morrison live at Montreux
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CD-Kritik Van Morrison - Keep It Simple
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