Das Theremin zählt nicht unbedingt zu den bekanntesten und häufig verwendeten Musikinstrumenten. In Wien gibt es aber immerhin zwei Musikerinnen, die sich darauf spezialisiert haben. Eine davon, Pamelia Kurstin, die bereits auf dem Sprung nach Berlin zu Aufnahmen für ihr Debütalbum war, traf sich mit Robert Fischer, um über ihre Erfahrungen als Theremin-Spielerin zu sprechen.
Genremäßig habe ich keinerlei Scheuklappen
Die Welt ist so klein. Letztes Jahr lernte ich in einem Lokal zufällig einen Mann kennen, der mir von einem bevorstehenden New York-Urlaub bei seiner Freundin erzählte. Und ich solle doch einmal zu einem Konzert kommen, seine Freundin spiele auf einem ungewöhnlichen Instrument namens Theremin. (Dieses allererste elektronische Musikinstrument, wird durch den Abstand beider Hände zu zwei Antennen berührungsfrei gespielt, wobei eine Hand die Tonhöhe, die andere die Lautstärke verändert. Dadurch entsteht ein Sound, der ungefähr an eine singende Säge erinnert. Erfunden wurde es 1919 vom russischen Physikprofessor Leon Theremin, und fand ab den 1950er Jahren zunehmend auch im Pop und im Jazz Verwendung, u.a. bei Led Zeppelins legendären Konzert-Film „The Song Remains The Same“ oder dem Beach Boys-Hit „Good Vibrations“. Um die Faszination des Theremins richtig zu verstehen, sollte man aber unbedingt einmal ein Live-Konzert besuchen. Anm.d.Verf.)
Cool. Pamelia Kurstin zählt zu den international versiertesten Musikern auf diesem selten gespielten Instrument, gibt solo oder mit der Band Barbez weltweit Konzerte und kann auch schon jede Menge internationale Credits (bei Projekten mit David Byrne, Marisa Monte, Indigo Girls u.a.) vorweisen. Derzeit bereitet die in Wien lebende 28-jährige Musikerin ihre erste Solo-CD vor, die 2007 auf dem renommierten Tzadik-Label von John Zorn erscheinen wird.
Kulturwoche.at: Pamelia, wie bist du dazu gekommen, Theremin zu spielen bzw. dich mit diesem seltenen Instrument zu beschäftigen?
Pamelia Kurstin: Ich habe mir die hervorragende Dokumentation “Theremin – An Electronic Odyssey“ angesehen, die über Erfindung und Geschichte des Theremins erzählt. So bekam ich Lust, das selbst einmal auszuprobieren. Es war auch nicht leicht, damals ein Theremin zu bekommen, sie wurden nur von einer kleinen Firma über Mailorder verkauft. Doch ich bestellte mir eines, wollte es eigentlich nur mal so zum Spaß ausprobieren und blieb dann dabei.
Ist es schwierig Theremin zu lernen?
Kommt ganz drauf an. Manche Leute lernen es schnell, andere langsamer. Wichtig ist auf jeden Fall, dass du das Instrument technisch gut verstehst bzw. weißt wie es funktioniert.
Was sind deine wichtigsten musikalischen Einflüsse?
Oh, es gibt so viele verschiedene Arten von Musik, die mir gefallen. Als ich jung war, hörte ich viel Klassik, später in der Schule hatte ich viele Freunde, die ich auch Rock, Pop und Jazz hörten. Diese Sachen hörte ich dann natürlich auch. Auch bei meinen jetzigen Projekten habe ich keine großen Präferenzen. David Byrne, Marisa Monte, Otto Lechner… es kommt einfach darauf an, wie der jeweilige Song aussieht bzw. ob mir die Musiker sympathisch sind. Genremäßig habe ich keinerlei Scheuklappen.
Hattest du schon mal ein besonders witziges Erlebnis bei einem Theremin-Auftritt?
Klar! Ich spielte einmal Jazz mit einem Pianisten in Brooklyn. Er spielte Keyboard und ich spielte mit dem Theremin die Bass-Noten dazu. In der Pause kam eine Zuschauerin zu uns und meinte ganz angetan zu meinem Kollegen: Sie spielen wunderbar Keyboard, sie sind ein toller Musiker, aber dieses Mädchen da ist eine schauderhafte Tänzerin! Sie dachte wohl, ich bin so eine Art Avantgarde-Tänzerin! (lacht)
Christof Dienz hat kürzlich ein Album veröffentlicht, bei dem er den Sound einer Zither elektronisch verfremdet. Ungewöhnliche Instrumente scheinen derzeit „in“ zu sein. Warum, glaubst du, hast du mit dem Theremin momentan viel Aufmerksamkeit und Erfolg?
Wow, klingt interessant. Ich glaube mein Erfolg hängt einerseits damit zusammen, dass ich so viele verschiedene Projekte mache und einfach fast jede Gelegenheit wahrnehme, den Theremin musikalisch einzusetzen. Andrerseits waren zu Beginn, als der Theremin erfunden wurde, die Geräte technisch noch nicht ausgereift und auch schwer zu transportieren. Dazu wurde damals auch fast keinerlei Werbung für das Instrument gemacht. Die heutigen Instrumente funktionieren viel besser und sind auch in einer Live-Situation sehr gut einsetzbar, da sie nicht über ein Mikrofon abgenommen werden, sondern einen direkten Kabel-Ausgang haben. Auch für Studio-Aufnahmen ist das natürlich ideal.
Zufällig gibt es ja noch eine andere Theremin-Spielerin aus Wien, Dorit Chrysler. Habt ihr euch schon einmal kennen gelernt?
Ja, lustig, ich habe sie in New York getroffen. Wir haben aber ganz verschiedene Ansätze. Sie geht mit dem Theremin mehr in die Pop-Song-Richtung, mit diesem Genre habe ich, außer ganz spezifisch für bestimmte Projekte, aber nicht so viel am Hut.
Wie kam es zum Zusammentreffen mit David Byrne, mit dem du auch schon auf Tour warst?
David kenne ich schon lange, und das witzige war, dass er mich noch als Bassistin kennen gelernt hat. Mittlerweile weiß er natürlich, dass ich jetzt hauptsächlich Theremin spiele, aber hin und wieder kriege ich noch Anrufe der Marke: Hey Pam, kannst du bitte auf meiner CD Bass spielen, David hat dich empfohlen? (lacht) New York ist einfach toll, um andere Musiker kennen zu lernen. Die Szene ist nicht so groß, es gibt nur einige bestimmte Lokale, wo diese Art von Musik veranstaltet wird und dort kann man Kontakte knüpfen. Du kannst in New York mit schräger Musik auch niemanden mehr richtig schocken, weil es dort sowieso an jeder Ecke Avantgarde-Musik gibt. So kann man sich in dieser Stadt ohne viel Stress super musikalisch weiter entwickeln.
Wie hat es sich ergeben, dass du derzeit in Wien lebst?
Wien gefällt mir, das ist so eine entspannte Stadt. Ich habe hier viele Freunde gefunden, es gibt jede Menge Musiklokale und Auftrittsmöglichkeiten, und es tut sich auch kulturell viel. Langsam schlage ich hier Wurzeln. Wien ist nicht so hektisch wie New York, das kann mit der Zeit ein wenig anstrengend sein. Hier habe ich einfach mehr Zeit das Leben zu wenig zu genießen und mit meinen Freunden abzuhängen.
Jetzt muss ich dich aber noch etwas anderes fragen, weil ich ein Fan der Indigo Girls bin. Wie war die Session mit ihnen, du bist ja auf einem Song des Albums „Come On Now Social“ zu hören?
Wow, das ist schon recht lange her, aber ich kann mich noch gut erinnern, dass mich die Indigo Girls sehr gut behandelt haben. Als ich in ihrer Heimatstadt Athens, Georgia ankam holte mich eine Limousine vom Flughafen ab und ich wurde in einem tollen Hotel untergebracht. Es war eine meiner ersten Sessions für andere Künstler und ich war total positiv überrascht. Die Indigo Girls waren sehr interessiert, wie man das Theremin richtig spielt, da sie selbst eines besitzen.
Kannst du zum Schluss noch einen Ausblick auf deine Solo-CD, für die du im August in Berlin Aufnahmen machst, geben?
Da kann ich dir leider noch nicht viel darüber sagen. Ich weiß nur, dass ich fast alles live einspielen werde, und von einer einzelnen Note ausgehend, verschiedene Layer, die ich am Theremin spiele, übereinander lege. Erscheinungstermin wird Anfang 2007 sein.
Danke für das Interview! //
Interview: Robert Fischer
Fotos: John Richardson und Christopher Kontoes
CD-Tipp:
Pamelia Kurstin - Tinking Out Loud
Label/Vertrieb: Tzadik/Sunny Moon (2007)
Link-Tipps:
www.pameliakurstin.com
www.barbez.com
www.thereminworld.com