Wie wir unsere Zukunft verbauen; Szenenfoto Erde

In unserer Artikel-Reihe #FridaysForFuture: Musik für eine bessere Welt begeben wir uns in Teil 3 zunächst in den Kinosaal zum Dokumentarfilm Erde von Nikolaus Geyrhalter, in dem wir sehen, wie wir unsere Zukunft verbauen

Im Dokumentarfilm Erde sehen wir, wie wir unsere Zukunft verbauen

Bei der Diagonale 2019 präsentierte der Filmemacher Nikolaus Geyrhalter seinen neuen Dokumentarfilm Erde. Darin sehen wir, wie unser Planet als Spielwiese behandelt wird - nur, dass halt die Wiese fehlt. Vielmehr ist uns die Erde wie ein großer Sandkasten, in dem wir mit großen Baggern im Namen des Geldes darin herumwühlen, frei nach dem Motto: Irgendwer muss den Job ja machen und mache ich ihn nicht, dann macht ihn ein anderer. Am Anfang des Films lesen wir einen Vergleich: "Täglich werden 60 Millionen Tonnen Oberflächenmaterial durch Flüsse, Winde und andere natürliche Kräfte bewegt." Das kann man zunächst einmal sickern lassen. Dann steht zu lesen: "Der Mensch bewegt 156 Millionen Tonnen Erde täglich und ist damit der entscheidende geologische Faktor der Gegenwart." Auch das sollte man sickern lassen und vielleicht endlich mal beginnen über Alternativen nachzudenken. Nur: Gibt es eine Alternative? Schließlich wollen wir alle ja im größt möglichen Wohlstand leben und uns weiterhin all den Bequemlichkeiten frönen. Egal, ob als Tunnelbohrer oder Baggerfahrer, der Massen von Erden verschiebt oder als Konsument, der das Endresultat in Anspruch nimmt. Erde ist kein Film, der verurteilt (schon gar nicht die Arbeiter), und dennoch ist Erde ein sehr lautes Statement. Wir sehen zu, wie wir uns die Erde untertan machen, und sehen doch nur kleine Ausschnitte von den täglich weltweiten Sandkastenspielen. Sieben Schauplätze wählte Geyrhalter aus, um am Ende des Films dann doch auch mit kritischen Aussagen den Film ausklingen zu lassen. Erde ist zugleich ein Film, den sich unsere Kinder anschauen sollten, damit sie bestärkt die #FridaysForFuture Bewegung fortführen. Und Erde zeigt letzten Endes die Bilder, worüber Joni Mitchell bereits im Jahr 1970 in Big Yellow Taxi sang bzw. über akratische Handlungen 1988 die Talking Heads in (Nothing But) Flowers.

They paved paradise and put up a parking lot

Und es beginnt einmal mehr alles wieder bei Null, dort wo wir bereits waren und wo wir wieder sein werden - im Anthropozän. In Erde wird u.a. auch der Schauplatz Gyöngyös in Ungarn gezeigt. Dort wird Braunkohle Tagebau betrieben. Tote Gegend. Aber der Arbeiter ist überzeugt, dass die Natur und die wilden Tiere wieder zurückkommen werden, weil sie dort ja nur die Braunkohle entnehmen. Der Rest der Erde wird rekultiviert. Manchmal, wenn die Kohlefelder abgearbeitet werden, kommen Sumpfzedern zum Vorschein. Gläserne Baumstämme, die bestimmt eine Tonne wiegen. Vor etlichen Jahren wurde dort im Zuge der Tagebauarbeiten die Entdeckung eines riesigen Sumpfzedernwaldes gemacht, die in ihrer originalen Form konserviert wurden. Einige dieser ca. sieben Millionen Jahre alten Baumfossilien kamen ins dortige Museum, gemäß Joni Mitchell in Big Yellow Taxi: "They took all the trees / And put them in a tree museum / Then they charged the people / A dollar and a half just to see 'em". Die kanadische Musikerin und Malerin Roberta Joan Anderson, besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Joni Mitchell, gehört zu den bedeutendsten Singer-Songwritern der ersten Generation. 1970 sang sie im erwähnten Big Yellow Taxi über Betonburgen und Parkplätze und inspirierte möglicherweise damit 18 Jahre später David Byrne für den Song (Nothing But) Flowers, das auf dem letzten Talking Heads Album Naked erschien. In diesem Lied hat die Natur wieder Oberhand über den Planeten Erde bekommen und der Mensch muss auf seine Konsumorientierten Bequemlichkeiten verzichten. Aus der von Joni Mitchell formulierten Textzeile "Man hat das Paradies asphaltiert und darauf einen Parkplatz gebaut" wird bei David Byrne die Textzeile "Wenn das das Paradies ist, wünschte ich, ich hätte einen Rasenmäher". Und er begibt sich auch in die Metaebene. An einer Stelle singt er z.B.: "Hier stand ein riesiger Supermarkt, nun ist es wieder ein Kornfeld." Die Anspielung ist klar: Der Supermarkt, in dem wir unsere Cornflakes kauften ist verschwunden, was blieb ist das Kornfeld. Kritiker und Fans sind sich uneinig, ob Anspielungen wie diese von Zynismus geprägt sind oder einfach nur lustig sein wollen, oder aber, im Gegenteil, ob David Byrne damit einen postapokalyptischen traurigen Kommentar abgeben wollte, wie sehr wir drauf und dran sind unsere Zukunft zu verbauen, sodass es in absehbarer Zeit endgültig heißen wird: The Party is over. TEIL 1 / TEIL 2 / TEIL 4 //

Text: Manfred Horak
Foto: NGF
Die Filmarchiv Austria
Retrospektive Nikolaus Geyrhalter ist vom 5.4. bis 21.4.2019 im METRO Kinokulturhaus zu sehen. Die Wien-Preview von Erde findet am 6.4. (20 Uhr) in Anwesenheit des Filmteams statt.
Kinostart: 17. Mai 2019