Ein Gespräch mit Friedl Preisl von den Anfängen des Akkordeonfestivals bis hin zum ausgebliebenen Jubiläumsstress.
Ein Hype geht schnell wieder vorüber, das Akkordeon ist immer noch da. (Friedl Preisl)
Die heimische Festival- und Musiklandschaft erhielt vor zwei Dekaden einen neuen Farbtupfer, das ein Instrument in den Mittelpunkt stellte, das damals, höflich formuliert, milde belächelt wurde: Das Akkordeon. Immer schon galt für das in Wien beheimatete Akkordeonfestival: Jazz trifft auf Wiener Lied, Klassik auf Rock und Pop, traditionelle Volksmusik präsentiert sich im neuen Gewande. Eine Offenheit der Musikströmungen, die bewusst gewählt ist, spiegelt sie sich doch in der enormen Einsatz-Bandbreite des Instruments wider. Zum Interview gebeten wurde der umtriebige Festivalveranstalter Friedl Preisl.
Kulturwoche.at: 20 Jahre Akkordeonfestival - könntest du etwas von den Anfängen erzählen? Wie war der Weg vom kleinen Nischenfestival zum Festival mit internationaler Strahlkraft?
Friedl Preisl: Angefangen hat alles im 9. Bezirk. Ich habe in einem alten Fuhrwerksgasthaus im Lichtental jeden Montag in einem kleinen Extraraum Kulturveranstaltungen organisiert. Das Konzept war, dass ich jeden Monat drei unbekannte und einen bekannten Künstler eingeladen habe. Irgendwann hatte ich drei Akkordeonspieler zu Gast, die alle eine sehr unterschiedliche Art von Musik gemacht haben. Damals erst habe ich realisiert wie vielschichtig das Akkordeon ist. Zudem hatte ich das Glück, dass ich immer wieder Konzerte von Otto Lechner im kleinen Rahmen besuchen durfte. Ich fand damals schon: Otto Lechner ist ein Weltstar - nur keiner wusste es. Irgendwann habe ich ihm die Frage gestellt, was er davon hält, wenn ich ein Festival organisiere. Seine Antwort war, "bist du deppert, der Zug ist abgefahren" (lacht). Im Jahr 2000 haben wir trotzdem das erste Festival realisiert. Dadurch, dass Otto Lechner zwei Freunde von ihm aus der Schweiz und aus Slowenien zum Festival vermittelt hat, hatten wir gleich von der ersten Ausgabe an einen internationalen Charakter. Wir haben damals zwölf Konzerte an unterschiedlichen Spielstätten organisiert. Das Festival konnte sich sehr schnell einen Platz in der Wiener Festivallandschaft erobern. Nicht zuletzt auch deshalb, weil wir das erste Musikfestival im Jahr sind. Das Akkordeonfestival vertreibt sozusagen die Winterdepression.
Als du begonnen hast, hatte das Akkordeon keinen guten Ruf. Würdest du sagen, dass du mit dem Festival mitgeholfen hast, das Akkordeon zu pushen?
Friedl Preisl: Ich würde eher sagen, ich war beim Aufschwung dabei. Es stimmt, als ich angefangen habe, war das Akkordeon als volksdümmliches Instrument verschrien. In Wien galt es ausschließlich als Heurigen-Instrument. Dass das Akkordeon sich heute seinen fixen Platz in der internationalen Musiklandschaft erobert hat, liegt aber an einer Reihe von Faktoren. Damals ist die Musik freier, grenzüberschreitender geworden. Dadurch hat auch das Akkordeon einen enormen Aufschwung erfahren. Ich würde aber auf keinem Fall von einem Hype sprechen - ein Hype geht schnell wieder vorüber, das Akkordeon ist immer noch da.
Wie wird das Akkordeonfestival international wahrgenommen?
Friedl Preisl: Was ich sagen kann, ist, dass ich bei meinen Anfragen keine Absagen mehr erhalte. Wir haben beim Festival ein Top Niveau. Es ist mir wichtig dieses Niveau zu halten ohne dabei zu mainstreamartig zu werden. Eine Besonderheit des Akkordeonfestivals ist, dass ich nicht spezifisch bin. Ich lasse jeden Musikstil seinen Platz. Eine Vielfalt der unterschiedlichen Musikrichtungen in dieser Qualität, da ist das Wiener Festival weltweit sicherlich einzigartig.
Inwieweit treffen beim Festival historische Klänge auf neue Kompositionen? Gibt es bekannte Wiener Komponisten, die für das Akkordeon Stücke geschrieben haben? Sind diese historischen Einflüsse heute noch spürbar? Immerhin hat ein Wiener Instrumentenbauer ein Patent auf das von ihm und seinen Söhnen entwickelte Accordion - das erste Mal, dass der Name Akkordeon auftaucht - angemeldet.
Friedl Preisl: Die meisten Künstlerinnen und Künstler, die bei uns auftreten komponieren ihre Stücke selbst. Aber natürlich schwingt vieles aus dem kulturellen Background aus dem Land aus dem sie kommen mit. Indem sie die unterschiedlichen volksmusikalischen Einflüsse ihrer Region mitnehmen und in das Heute hineintragen. Es gibt auch bestimmte Musikformen wie den Tango, die feste Strukturen haben, wo aber jeder Künstler seine kreativen Einflüsse, Farbkleckse, wenn man so will, in die Musik mit hinein bringt. Diese Mischung, das macht die Spannung aus. Klassisches hört man bei uns aber eher weniger. Walther Soyka, der regelmäßig bei uns auftritt, spielt zum Beispiel die Tänze von damals, aus der Zeit als die Schrammeln gelebt haben. Wobei man das nicht falsch verstehen darf. Das sind keine Tänze im heutigen Sinn. Dazu kann heute keiner mehr tanzen.
Inwieweit ist es dir wichtig auf neue Gesichter und damit auch Klänge zu setzten oder will das Publikum die, die eh immer spielen? Wie gehst du bei der Programmierung vor?
Friedl Preisl: Wer bei mir jedes Jahr spielt ist die österreichische Akkordeonelite - Dobrek Bistro, Walther Soyka, Otto Lechner. Wenn man so will, baue ich um sie herum das Festival auf. Dabei nehme ich mir durchaus die Macht als Programmgestalter und wähle das aus, was mir gefällt. Ich möchte mich ja nicht selbst quälen, indem ich Leute einlade, deren Musik ich nicht hören will. Ich habe jährlich so an die 100 Anmeldungen, 50 kommen ins Programm. Den Rest wische ich einfach vom Tisch und im Jahr darauf starte ich wieder neu. Das ist anders als bei so einem Stapel, wie ihn Beamte haben, wo man die Einreichungen langsam abarbeitet.
Gibt es zum diesjährigen 20. Jubiläum einen Schwerpunkt?
Friedl Preisl: Wir haben keinen Schwerpunkt gesetzt. Was ich auch auf keinen Fall machen wollte, war ein Best-of. Das erzeugt zu viel Stress und ist außerdem immer ungerecht. Was wir haben ist eine Plakatausstellung im Aktionsradius Wien mit den Festivalplakaten der letzten 20 Jahre. Mit dem Konzert der Wiener Tschuschenkapelle gibt es dieses Jahr ein weiteres Jubiläum, und das dritte Jubiläum innerhalb des Programms ist die Wiener Tafel, die beim Konzert für Essen sorgt - die wird heuer ebenfalls 20 Jahre. Das wird ein großes Fest im Wiener Schutzhaus mit Überraschungsgästen.
Eine besondere Schiene sind die so genannten Stummfilm Matineen jeden Sonntag zu Mittag. Was gibt es dieses Jahr zu sehen? Wie kam und kommt die Auswahl zustande?
Friedl Preisl: Entstanden ist die Filmschiene dadurch, dass ich sehr gerne ins Filmcasino gehe, das meiner Meinung nach schönste Programmkino Wiens. Daraus hat sich eine Zusammenarbeit ergeben. Zu Beginn hatte ich immer einen Solisten besetzt, der den Film begleitet. Da es aber für eine Person am Akkordeon sehr schwer ist einen ganzen Film hindurch die Spannung zu halten, sind wir mittlerweile dazu übergegangen Pärchen zu besetzen. Eines der Instrumente ist ein Akkordeon und das andere variiert. Da haben wir heuer mit Walther Soyka am Akkordeon und Karl Stirner, der die Zither spielt, eine spannende Kombination. Die beiden werden den Film "Aelita", ein russischer Science-Fiction-Film aus dem Jahr 1921, begleiten. Starten werden wir heuer mit "Three Must-Get-Theres" von Max Linder - eine Komödie. Von den fünf Filmen im Programm ist der erste immer eine Komödie, dann kommt ein Abenteuerfilm, dann ein freies Thema, und zum Abschluss wieder eine Komödie. Ich mag den Gedanken, das Festival fröhlich zu beenden und im nächsten Jahr startet das Akkordeonfestival wieder mit einer Komödie. //
Interview: Sandra Schäfer
Einleitungstext adaptiert von Manfred Horak
Fotos: Anne Bennent, Hatz
Das ungekürzte Interview erschien erstmals auf Kulturfüchsin.com.
20. Internationales Akkordeon Festival Wien 2019
23. Februar bis 24. März 2019
an diversen Locations der Stadt