Musik: @@@@@
Klang: @@@@
Label/Vertrieb: Anti/Edel (2005)
"Es gibt soiche und soiche. Die soichn san ma liaba." Wie heutzutage mit dem Begriff "Soul" umgegangen wird hat tragikomische Dimensionen. In modische Hüllen gesteckte Schaufensterpuppen, die, gepusht von weltweiten Promo-Aktivitäten der Major-Labels und im Dauer-Air-Play gleichgeschalteter Formatradiostationen, es dennoch nie schaffen werden als Künstler oder Künstlerin ernst genommen zu werden, auch wenn hohe Charteinstiege dieses Dilemma zumindest scheinbar retuschieren.
Dass es weiterhin auch anders geht ist klar, dass Soulmusik nur übel riecht aber beileibe nicht zu Grabe getragen werden muss, kann man einigen wenigen Neuerscheinungen in den letzten Jahren verdanken - sei es "Don't Give Up On Me" von Solomon Burke (2002; Fat Possum Rec./Edel), sei es "I Can't Stop" von Al Green (2003; Blue Note/EMI), sei es "Speak Your Peace" von Terry Callier (2004; Cargo Rec./Edel) als Speerspitze dessen, was die alte Generation vorgab (die junge Generation rund um Alicia Keys sei an dieser Stelle nur am Rande erwähnt, weil es den Rahmen einer CD-Kritik sprengen würde). Die "Alten" also.
Und nun Bettye LaVette, die unter der Regie von Joe Henry ein fabulöses Comebackalbum abliefert. Eine Manifestation. Ein Musikerlebnis. Emotionale Intensität mit einer fast kathartischen Wirkung. Grandiose Neueinspielungen bekannter und weniger bekannter Songs mit Tiefenwirkung von Joan Armatrading ("Down To Zero"), Sinead O'Connor ("I Do Not Want What I Haven't Got"), bis hin zu Aimee Mann ("How Am I Different") und Dolly Parton ("Little Sparrow") stehen am Programm; Zehn Tracks mit großer Wirkung. Ein Sog praller Gefühle, ein intensives Hörerlebnis mit einer Stimme, an die so schnell niemand rankommt, kurzum: ein Naturereignis. Alleine, wie Frau LaVette "Down To Zero" intoniert ist derart sensationell, dass man beim Hören desselben rund um sich alles abblockt. Oder, sogar noch eindrucksvoller, ihre Interpretation von "Little Sparrow", ein Original von Country-Suse Dolly Parton. LaVette verleiht diesem Stück Musik ob ihrem Grummeln und Fauchen eine kosmische Würde. Die Zusammenarbeit mit Joe Henry lohnte sich also für die bereits in Vergessenheit geratene Soulsängerin, erinnert in gewisser Weise an jene fruchtbare künstlerische Verbindung zwischen Rick Rubin und Johnny Cash. LaVettes Stimme steht deutlich im Vordergrund, musikalische Akzente werden sehr sparsam eingesetzt, oft sind es nur skelettartige Skizzen, welche den einzelnen Song nur um so beeindruckender ins gerechte Licht rücken. Vergesst den Formatradioschmarrn, kauft "I've Got My Own Hell To Raise". Ihr werdet glücklich sein. (Manfred Horak)