Die 2016er-Auflage vom Jazzfest Wien bringt einmal mehr ein breites Spektrum an musikalischer Originalität auf die diversen Bühnen Wiens. Aus österreichischer Sicht erfreuliche Highlights sind die Auftritte von Meena Cryle & The Chris Fillmore Band, Marina & The Kats und Wolfgang Muthspiel Solo in der Wiener Staatsoper.
Die Staatsopernkonzerte in der ersten Juliwoche sind seit jeher Garant für außergewöhnliche Live-Erlebnisse. Heute noch erinnert man sich gerne an die Opern-Konzerte von Ry Cooder, David Lindley & Family und tags darauf an jenen von Joan Armatrading. Das sind Konzerte, die man einfach nicht vergisst. Ebensowenig den bislang einzigen Auftritt in der Wiener Staatsoper von Keith Jarrett, ebenfalls irgendwann in den 1990er Jahren. Letzt genannter ist heuer wieder einmal Gast beim Jazzfest Wien, allerdings nicht in der Oper, sondern im Goldenen Saal des Musikvereins (9.7.). Auch kein schlechter Ort, um die Klassik zu entstauben und auf Vordermann zu bringen. Bei Keith Jarrett sind die Grenzen ja so und so fließend, so wie seine Improvisationen ein steter Fluss an Gedankenspielen sind. Ein erneuter Verweis auf das Köln Konzert von 1975 sei gestattet, aber natürlich auch an seinen unglaublichen Output an Longplayern und was es da nicht schon alles gibt: Live in Vienna, Tokyo, Paris, Rio, München, Bregenz. Die Liste ließe sich, vielleicht nicht beliebig, aber sehr lange, fortsetzen. Wer diesen großartigen Musiker mit seinen weit ausschweifenden Soloimprovisationen noch nie live gehört hat, sollte sich diese Gelegenheit freilich nicht entgehen lassen und wer bereits einmal oder öfter das Vergnügen hatte bzw. mehrere seiner Tonträger kennt, weiß natürlich eh schon längst, dass kein Keith-Jarrett-Konzert dem anderen gleicht.
Zwei schlechte und fünf gute Nachrichten
Aber wieder zurück zu den Opern-Konzerten. Die schlechte Nachricht: Zwei Konzerte - Jamie Cullum und Ludovico Einaudi - sind bereits ausverkauft. Die gute Nachricht: Für alle anderen Konzerte gibt es noch (noch!) Karten, so z.B. für den 4.7. mit der in L.A. geborenen Sängerin und Musikerin Beth Hart, deren Musik irgendwo zwischen Jazz und Blues angesiedelt ist und die mit ihrer Gesangleistung allerorten für Entzückung sorgt. Den Auftakt am 1.7. macht hingegen einer der ganz großen Musikmaler der Geschichte - der mittlerweile 88-jährige (!) Burt Bacharach. Er komponierte, gemeinsam mit Songtexter Hal David, weit mehr als 500 Klassiker im Pop-Format. Lieder, die jeder kennt, man aber nicht unbedingt weiß, dass sie von Mr. Bacharach sind. Gemeinsam mit Elvis Costello gab es 1998 eine fruchtbare Zusammenarbeit, dessen Ergebnis das meisterliche "Painted From Memories" war. Costello schrieb in seiner Autobiografie "Unfaithful Music - Mein Leben" ausführlich über seine Begegnungen mit Burt Bacharach. An dieser Stelle daher auch gleich der Querverweis, dieses hervorragende Stück autobiografischer Literatur zu lesen. Einige bekannte Hits von Burt Bacharach? Bitte schön: "Baby, It's You" (The Shirelles 1961, The Beatles 1963), "Just Don't Know What to Do with Myself" (Dusty Springfield 1964, The White Stripes 2003), "What's New Pussycat?" (Tom Jones 1965), "The Look of Love" (Dusty Springfield 1967, Diana Krall 2001), "Raindrops Keep Falling on My Head" (B.J.Thomas 1969), "Arthur's Theme (Best That You Can Do)" (Christopher Cross 1981), "That's What Friends Are For" (Dionne Warwick, Gladys Knight, Elton John & Stevie Wonder 1985)... - Für Lieder wie diese erhielt Burt Bacharach zahlreiche Ehrungen, sei es den Oscar für beste Filmmusik, Grammy-Auszeichnungen (u.a. auch für sein bislang letztes Studio-Album At This Time von 2005), sei es den Polar Prize (quasi der Nobelpreis für Musik) bis hin zum Gershwin-Prize, überreicht von Barack Obama.
Meena, Marina und da Wolfgang a
Musik aus Österreich in der Wiener Staatsoper ist natürlich keine Seltenheit, allerdings ist es dann eine Seltenheit, wenn es um Popularmusik, egal ob Rock oder Jazz, geht. Musik aus Österreich beim Jazzfest Wien ist auch so seine Sache. Die Quote erinnert bisweilen an jene von Ö3 oder an jene von Frauen in der Regierung. Immer wieder mal wird seitens österreichischer Musikerinnen und Musiker aufbegehrt und immer wieder mal wird seitens der Festivalorganisation ein Schritt auf die hiesige Szene zugegangen, aber dann, hoppala, muss man (leider wieder) zwei Schritte zurückgehen. Woran es liegt? Vielleicht an den Sponsoren, die lieber internationalen Stars die Hand schütteln wollen denn österreichischen Bands. Vielleicht liegt es auch an etwas ganz anderem. Was weiß ein Fremder. Eine recht gute Österreicher-Quote und innerhalb dessen eine super Frauen-Quote findet man beim 2016er Jazzfestival nur in der Wiener Staatsoper, sehr zum Erstaunen und sehr zur Freude. "Das schöne daran war, dass wir uns gar nicht um einen Auftritt in der Oper beworben haben, sondern, dass wir einen Anruf von der Festivalleitung erhielten, ob wir dort auftreten wollen", erzählt Meena Cryle. Solcherart ist natürlich gut zu hören, umso mehr, da ja Meena Cryle & The Chris Fillmore Band dafür bekannt ist, spezielle Auftrittsorte musikalisch zu entjungfern. Ob Cindy Lauper da live mithalten wird können - sie ist der zweite Act beim Doppelkonzert - kann man am 3.7. erleben, gilt die Band um Meena ja schließlich definitiv als eine der besten Live-Acts aus Österreich, die zudem schon längst international konkurrenzfähig sind. Große Vorfreude. Tags davor, also am 2.7., gibt es ebenfalls ein Doppelkonzert mit österreichischer Beteiligung. "Small" heißt zwar das Album von Marina & The Kats, aber klein sind weder deren Songs, noch die Live-Performance. Swing is a feeling ... Everything else is just style, heißt es so schön, und, ja, den Swing und das Feeling hat das Trio mit Sängerin Marina Zettl, Thomas Mauerhofer (Gitarre) und Jörg Haberl an Bass & Drums eindeutig drauf. Neue Songs im Gewand der 1940er Jahre, dabei so zeitlos wie das Jetzt, die Gegenwart. Die amerikanische Band Pink Martini passt da ziemlich gut als zweiter Act. Erwarten darf man sich tanzbare Grooves und große Melodien, lodernde Scats und irre Gitarrenläufe, Energie bis zum Abwinken und - ach ja, ganz viel Spaß, also einen ausgelassenen Abend für muntere Tanzbeine in den Logen und vielleicht auch am Opernparkett. Der dritte Abend mit einem Österreicher geht am 5.7. über die Opernbühne. John Scofield (Gitarre), Brad Mehldau (Piano) und Mark Giuliana (Schlagzeug; er ist auch auf "Blackstar", dem Abschiedsalbum von David Bowie zu hören) bestreiten einen Teil des Abends, den anderen Teil verbringt Gitarrist Wolfgang Muthspiel alleine auf der Bühne. Solo-Abende von ihm sind ja nichts Neues, aber immer wieder ein neues Erlebnis, da von unvergleichlicher Schönheit, bewegenden Gefühlsmomenten und immenser Intensität geprägt. Dieses Doppel-Konzert könnte ein echtes Aha-Erlebnis werden. Das Jazzfest Wien bespielt aber wie jedes Jahr natürlich auch andere Locations, nämlich das Porgy & Bess (acht Konzerte zwischen 1. und 8.7.), den Reigen (Trio Balkan Strings am 2.7.), das Miles Smiles (Berndt Luef Quartet am 6.7.), Rathaus/Arkadenhof (drei Konzerte am 8., 9. und 11.7.), das Fernwärme Open Air am 2.7., die Ottakringer Brauerei (Hefeboden) mit Kamasi Washington am 23.8., den Bank Austria Salon im Alten Rathaus (eXtraxello am 28.6. und Mondphasen am 29.6.), sowie vier Konzertreihen im altehrwürdigen Jazzland (28.6. bis 9.7.). Die zwei Gratiskonzerte auf der Summerstage mit Sabine Stieger und Kathie Kallauch finden am 5.7. und am 8.7. statt.
Das gesamte Programm mit Infos zu jedem Act könnt ihr auf der Festivalseite nachlesen. (Text: Manfred Horak; Fotos: Rose Anne Colavito, Eric Ray Davidson, Mischa Nawrata, Antonia Renner, J. Wahl)