Raus aus dem Archiv! Die Rolling Stones und ihre legendären Live-Tourneen stehen im Mittelpunkt der CD-DVD-Reihe "Rolling Stones From The Vault". Diesmal im Fokus stehen der erste Japan-Auftritt 1990 und Live in Leeds 1982.
Die vorliegenden Live-Aufnahmen aus der Schatzkammer (engl. Vault) der Rolling Stones beschäftigen sich mit dem letzten Konzert der European Tour 1982 und dem Japan-Auftritt im Zuge der Steel Wheels Tour 1990. Im Tokyo Dome spielten die Stones vor 55.000 Leuten groß auf, alleine die darauf enthaltenen eruptiven Versionen von "Miss You" und "Midnight Rambler" sind zum Niederknien gut und legen Zeugnis von der majestätischen Größe der Stones ab. Aber das sind eigentlich nur zwei Details, die aus dieser großartigen Set-List mit 24 Songs zunächst einmal herausragen. Die Konzerte rund um die Veröffentlichung des Albums "Steel Wheels" war auch der Auftakt der Mega-Tourneen, die im Laufe der Jahre noch folgen sollten. In der Autobiografie von Keith Richards hinterfragte der Gitarrist warum das Ganze so groß wurde. Richards: "Eigentlich nur wegen der Nachfrage. Warum macht ihr das immer noch, fragen uns die Leute, wie viel Geld wollt ihr denn noch verdienen? Klar, Geld ist immer schön, aber wir wollten vor allem auftreten. [...] Ich persönlich trete ja lieber in kleineren Läden auf, aber wohin mit den ganzen Menschen?" Letzten Endes sind es musikalische Kraftakte, die mit erstaunlichen Ergebnissen bewältigt werden, und wohl keine andere weiterhin aktive Band kann sich auf ein solches weltweites Unterfangen in dieser Größenordnung einlassen wie The Rolling Stones (Live-Aufführungen von "The Wall" vielleicht mal ausgenommen). Die Steel Wheels Tour war gleichzeitig die letzte Tour mit Bill Wyman am Bass, und erneut mit Bobby Keys am Saxofon. Sein Solo bei "Miss You" muss man einfach gehört haben! So mittelprächtig das Studio-Album auch war, die Live-Konzerte (auch jenes in Wien bleibt in guter Erinnerung) waren, das offenbart die vorliegende DoCD und DVD, ein Genuss par excellence. Die Klangqualität der CDs ist mehr als zufriedenstellend und auch die Bild- und Klangqualität der DVD lässt keine Wünsche offen. Große Performances ihrer Klassiker wie "Paint it Black", "Sympathy for the Devil", "Brown Sugar", "(I Can't Get No) Satisfaction" und "Jumpin' Jack Flash" zeigen auf, wie großartig diese Band anno 1989 und 1990 sein konnte, live und ohne Netz, vor Massenpublikum, mit dem gekonnten Spagat zwischen Show und Hingabe. Immer noch sensationell gut nach all den Jahren.
Die vermurksten 1980er Jahre
Bis es zur Steel Wheels Tour kam, vergingen acht lange Jahre, die längste Live-Pause der Rolling Stones. Im Jahr 1982 spielten die Stones ihr letztes Europa-Konzert im Roundhay Park in Leeds, zugleich ihr allerletztes Konzert mit dem 1985 verstorbenen Pianisten Ian Stewart, das nun ebenfalls in der Vault-Reihe aus dem Tresor gehoben wurde. Anlass der Tour war die Veröffentlichung des 16. Albums, "Tattoo You" (1981), das bis zu diesem Zeitpunkt meistverkaufte Album der Rolling Stones. Darauf enthalten ist mit "Start Me Up" ein echter Feger und zudem der bislang letzte Single-Hit der Rolling Stones. Der Song kletterte bis auf Platz 2 in den USA, das Album selbst landete dort auf Platz 1 (in GB auf #2). Neben dem Single-Hit befindet sich mit "Waiting on a Friend" ein weiterer gültiger Klassiker auf dem Album (den Saxofon-Part lieferte übrigens der geniale Jazz-Koloss Sonny Rollins bei). Nach dem Leeds-Konzert endete die mittlere Periode der Stones, es kam zum Zerwürfnis zwischen Jagger und Richards, das Ende der Band drohte. Das katastrophal schlechte Live-Album "Still Live" dokumentiert die zuvor abgehaltene Amerika-Tour, vor allem das zeitgeistige 1983er-Studioalbum "Undercover" kann getrost als Tiefpunkt der Bandgeschichte bezeichnet werden. Keith Richards attestierte Mick Jagger die allgemein bekannte Krankheit LVS (Lead Vocalist Syndrome), Soloalben waren die Folge. Die 1980er Jahre entpuppten sich also als eine Sackgasse für die Stones. Das Konzert in Leeds, die vorliegende Dokumentation aus der Vault-Serie, zeigt bereits all das in Ansätzen. Selbst ihre Songs aus der Klassiker-Wundertüte wirken hier lahm. Mick Jagger stellt seinen Egoismus auf der Rückseite der Jacke zur Schau und demonstriert seine Fitness in einer eigenartig aussehenden Aerobic-Hose und glitzernden Badehaube, Bill Wyman trägt das unvermeidliche 80er-Jahre-Stirnband und so klingt das Ganze halt auch irgendwie sehr schnöselig, wären da nicht die Saxofon-Soli von Gene Borge, wie z.B. in "You Can't Always Get What You Want" oder die rollenden Piano-Läufe von Ian Stewart und Chuck Leevell samt großartigem Gitarre-Solo der Herren Richards und Wood in "Let Me Go" (das Original ist auf "Emotional Rescue" enthalten). Das sind die großen, die berührenden, Momente, in denen die Stones jede andere Band locker an die Wand gespielt haben. Auffallend gut sind in erster Linie die Cover-Versionen im Set, "Just My Imagination" von The Temptations, "Twenty Flight Rock" von Eddie Cochran, sowie "Going To A Go-Go" von Smokey Robinson, das mit einem superben Sax-Solo von Bobby Keys daherkommt. Insgesamt betrachtet gibt es freilich bessere Live-Momente in der Stones-Karriere als Live in Leeds 1982, dennoch ist es eine Empfehlung wert, da es definitiv besser ist als das bislang einzig veröffentlichte Live-Dokument aus dieser Zeit ["Still Life (American Concert 1981)"; VÖ: 1982] und, mehr noch, das Beste was man von den Rolling Stones in den Bandintern vermurksten 1980er Jahren zu hören bekommt. //
Text: Manfred Horak
Foto: Mikio Ariga
Rolling Stones From The Vault
Live in Leeds 1982
Musik: @@@1/2
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: Eagle Vision / Edel (2015)
Rolling Stones From The Vault
Live at the Tokyo Dome
Musik: @@@@@@
Klang: @@@@@
Label/Vertrieb: Eagle Vision / Edel (2015)