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franz-liszt_festival2013Die Verwandlung und die Veränderung steht im Fokus der fünf Konzerte beim Liszt Festival 2013, das zwischen 18. und 22.10. im burgenländischen Raiding über die Bühne geht. Zu hören sind das Israel Chamber Orchestra unter Dirigent Roberto Paternostro, die venezolanische Pianistin Gabriela Montero, Sopranistin Ildikó Raimondi, das Orchester Wiener Akademie unter Dirigent Martin Haselböck, sowie Pianist Boris Berezovsky.

Den Auftakt machen echte Botschafter des Friedens, nämlich das Israel Chamber Orchestra unter dem Wiener Dirigenten Roberto Paternostro, die nicht nur die Ouvertüre zu "Don Sanche ou le château d'amour" und "Angélus! Prière aux anges gardiens" von Liszt zu Gehör bringen werden, sondern auch die "italienische" Symphonie Nr.4 A-Dur op.90 von Mendelssohn, die Symphonie classique Nr.1 D-Dur op.25 á la Haydn von Prokofjew ico_lisztfestival2013und die Kammersymphonie op.110a von Schostakowitsch. Dirigent Roberto Paternostro - er ist seit 2009 künstlerischer Leiter des Israel Chamber Orchestra - in einem Interview mit dem Festivalmagazin über Franz Liszt: "Liszt ist für mich ein großer Komponist, ein genialer Erneuerer - man denke an die Symphonischen Dichtungen und die späten Klavierstücke! Er war sicher ein großer Humanist und tolerant. Ein trotz aller Erfolge bescheidener Mann, was man von seinem Freund und Schwiegersohn Richard Wagner nicht behaupten kann." Die 4. Symphonie von Mendelssohn ist für Paternostro "ein sehr fantasievolles Stück, leicht, luftig und dennoch streng gearbeitet mit vielen Fugati." Prokofjews Musik wiederum findet der Dirigent als ganz fein gewebt, "fast Kammermusik, und dann plötzlich klingt das Orchester wie ein riesiges Symphonieorchester." Und: "Es ist ein funkelndes Stück, mit schweren Stellen in den Violinen und schönen Bläsersoli, eine Herausforderung für jeden Musiker." Eine ganz besondere Beziehung hingegen hat das Israel Chamber Orchestra zur Kammersymphonie op.110a von Schostakowitsch. Paternostro: "Einer meiner Vorgänger als Musikdirektor war der große Rudolf Barschai, der mit Dmitrij Schostakowitsch befreundet war und soweit ich weiß, hat das Israel Chamber Orchestra diese Fassung mit Barschai sogar uraufgeführt."

gabriela-monteroKlavierabenteurerin aus Venezuela

Technisch brillant und dabei erfrischend unkonventionell. So lässt sich die venezolanische Pianistin Gabriela Montero in einem Satz beschreiben. Dass dies nicht leere Phrasen sind, sondern tatsächlich auf die Spielweise der jungen Musikerin zutreffen, davon kann man sich via YouTube und natürlich auch via reguläre Tonträger überzeugen. Was aber ist so unkonventionell und so erfrischend in ihrem Spiel? Nun, da wäre zunächst einmal der Drang nach Improvisation - was ja nicht allzu häufig in der Klassik vorkommt. "Improvisation", so Montero, "ist eine intime Erfahrung, ich habe immer gespürt, dass es nötig ist, meine Seele und meine Erfahrungen auf eine Weise zu reinigen, die irgendwie durch meine persönliche Sprache definiert ist." Und so wird sie beim Liszt Festival in Raiding nicht nur die hervorragende Liszt's Piano Paraphrase basierend auf Verdi's Oper Rigoletto zum Besten geben, sondern u.a. auch drei Uraufführungen aus eigener Feder, "Tres Piezas", denn schließlich ist es ja von der Improvisation zur Komposition nicht weit, oder, wie es Montero formuliert: "Ich glaube, alles, was wir tun und sagen, ist ein Zeugnis dessen, wer wir sind. Ein Fingerabdruck. Eine Erklärung." Zudem verspricht Montero einen spontanen Zugabenteil, bei dem sie das Publikum um eine Melodie bitten wird, die sie dann in ihrer ganz speziellen Art und Weise verarbeitet. Gabriela Montero: "Ich mache eigentlich nichts. Da ist etwas, das fließt einfach durch mich hindurch."

martin-haselboeckLiszt aus der Schublade

Eine Uraufführung steht auch beim Konzert vom Orchester Wiener Akademie unter Dirigent Martin Haselböck am Sonntagvormittag auf dem Festivalprogramm in Raiding. Dabei handelt es sich um die von Liszt 1863 geschaffene Orchesterfassung des Kreuzeshymnus "Vexilla regis prodeunt", den Haselböck der Vergessenheit entrissen hat. Bisher war das auf dem frühmittelalterlichen Text von den "hervortretenden Standarten des Königs", dem "Geheimnis des Kreuzes" und der Erlösung durch Christus basierende Werk nur in der Klavierfassung bekannt. "Liszt selbst hat die prachtvoll klingende Orchesterfassung nie gehört", weiß Haselböck. Wie es dazu kommen konnte, erklärt Martin Haselböck im Interview mit dem Festivalmagazin: "Liszt wandte sich sakralen Themen zu, bediente sich aber der in Weimar perfektionierten musikalischen Techniken". Blöd nur, dass einerseits das Verbot bestand, Orchesterwerke in der Kirche aufzuführen, und andererseits in Konzertsälen keine Kirchenmusik gespielt werden durfte. "Außerdem", so Haselböck, "hat Liszt keine der üblichen musikalischen Formen übernommen, wie sie für die Aufführungspraxis erforderlich gewesen wären. Diese Stücke wurden von vornherein für die Schublade geschrieben."

ildiko-raimondi_lisztfestival2013Lieder von Liszt, Wagner und Peter Cornelius

Die gefeierte Sopranistin und Integrationsbotschafterin Ildikó Raimondi wird wiederum beim Liszt Festival nicht nur Lieder von Franz Liszt und Richard Wagner singen, sondern auch Lieder von Peter Cornelius [1824-1874; also bitte nicht zu verwechseln mit dem Austropopper!; Anm.]. Ildikó Raimondi zur Vielfalt in ihrem Liedrepertoire: "Ich liebe es, mich zwischen vielen Epochen, Stilen, Gefühlen und Bekenntnissen zu bewegen. Dieser unendliche Reichtum ist vielleicht das Schönste an meinem Beruf." Und über Franz Liszt meint die vielseitige und zu Recht populäre Sängerin: "Franz Liszt ist für mich ein überaus faszinierender Künstler, ein großer Vorreiter seiner Zeit, ein großzügiger Mensch, ein Mäzen und ein leidenschaftlicher Mann. Er war aber auch ein Mensch der Extreme. All das spürt man in seinen Liedern. Die Interpretation von Liszt-Liedern erfordert viel technisches Können und tiefe seelische Empfindungen. Manche großen Liszt-Lieder, wie "Kennst du das Land" oder "O lieb, solang du lieben kannst", wirken wie Opernarien und dann gibt es auch die kleinen, zarten Vertonungen wie "Es muss ein Wunderbares sein" oder "Freudvoll und leidvoll". Mich begeistert dieser Reichtum an Klangfarben und die große stimmliche Herausforderung." Begleitet wird Frau Raimondi vom Co-Intendanten des Festivals, dem Pianisten Eduard Kutrowatz.

boris-berezovskyZauberkünstler am Klavier

Boris Berezovsky erlernte das Klavierspiel am Konservatorium seiner Heimatstadt in Moskau, sein Debüt feierte er hingegen 1988 in der Londoner Wigmore Hall. Von den Auszeichnungen und Preisen, die Berezovsky gewinnen konnte, war sicher 1990 die Goldmedaille beim renommierten Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau die bedeutendste und wichtigste für seine Karriere. Er steht also in der Tradition der russischen Klavierschule, und gilt für Kritiker als einer der wahrhaftigen Nachfolger der großen russischen Pianisten. Boris Berezovsky sieht das allerdings nicht ganz so, als er einmal in einem Interview erklärte: "Eine spezielle russische Spielweise oder so etwas Ähnliches kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Es gibt nur eine individuelle Spielweise. Eine gute Interpretation kommt immer aus dem Herzen." Wie auch immer: Boris Berezovsky hat sich, sowohl als einer der aussagekräftigsten Klaviervirtuosen als auch als Musiker von einzigartiger Einsicht und Sensitivität, eine beachtenswerte Reputation geschaffen und mittlerweile gilt er als Zauberkünstler am Klavier, dessen Vorliebe technisch kniffligen Werken gilt. Dabei erweckt Berezovsky den Eindruck, als sei Klavierspielen für ihn eine Art pianistischer Denksport um unlösbar scheinende Probleme zu bewältigen. Beim Abschlusskonzert beim Liszt Festival - es ist dies gleichzeitig der Geburtstag von Franz Liszt - hören wir Berezovsky die haarsträubend komplexen "Etudes d'execution transcendante" von Franz Liszt interpretieren. Berezovsky schafft diese Lisztsche Komplexität mit einer beneidenswerten Leichtigkeit, gleichzeitig mit enormem Gestaltungswillen und zupackender Energie, gepaart mit fein differenzierter Agogik und großem erzählerischen Bogen. Anders formuliert: Virtuosität hat einen Namen: Boris Berezovsky. Oder, wie der Pianist es einmal auf den Punkt brachte: "Um virtuose Musik auch virtuos zu spielen, muss man virtuos hören können". (Text: Manfred Horak; Quelle: Magazin Liszt Festival Raiding 2013; Fotos: Lukas Beck; Colin Bell, EMI Classics; Vincent Garnier, Mirare; Sabine Hauswirth; Boris Ravich)

Festival-Tipp:
Liszt Festival Raiding
18. bis 22.
Oktober 2013
Franz Liszt Konzertsaal Raiding
Lisztstraße 46, 7321 Raiding (Burgenland)

Freitag, 18. Oktober (Beginn: 19.30 Uhr)
Israel Chamber Orchestra (Dirigent: Roberto Paternostro)
Samstag, 19. Oktober (Beginn: 19.30 Uhr)
Gabriela Montero, Klavier
Sonntag, 20. Oktober (Beginn: 11.00 Uhr)
Orchester Wiener Akademie (Dirigent: Martin Haselböck)
Montag, 21. Oktober (Beginn: 19.30 Uhr)
Ildikó Raimondi (Sopran) und Eduard Kutrowatz (Klavier)
Dienstag, 22. Oktober (Beginn: 19.30 Uhr)
Boris Berezovsky, Klavier