Im Jahr 2009 erschien das bemerkenswerte Debüt-Album von Irmie Vesselsky, knapp vier Jahre später folgt mit "The Key" Album Nummer 2. Und wieder packt sie uns mit Songs, die uns in den Schmerz und in die Schönheit des Lebens eintauchen.
"All songs written, composed, arranged and performed by Irmie Vesselsky" steht kleingedruckt im Booklet und, dass die Sängerin und Multiinstrumentalistin die Rolle der Produzentin übernahm. Was ganz stark nach Eigenständigkeit klingt, ist es auch. Übersetzt kann man das in etwa mit der Begrifflichkeit "Individualität pur" kurz umreißen. Auch wenn manche vielleicht Vergleiche mit Tori Amos oder Kate Bush heranziehen, ist es doch eine eigene Inselwelt, die man hier zu Gehör bekommt. Ihre Songs leben von feinsinnigen Melodien, geschickten Arrangements, den intensiven Piano-Momenten und den kontrastreichen Electronic Sounds, Beats, Drums und Strings, sowie von Texten, die nicht im Reimkalauer enden, sondern in Blickrichtung anspruchsvolle Hörkonsumenten ausgerichtet sind. Bereits der Untertitel des Albums gibt die Stoßrichtung vor ohne direkt Bezug auf die Erzählung "Der Zauberer von Oz" und der Heldin der Geschichte, Dorothy Gale, zu nehmen. Die inneren Dämonen, die gebändigt werden sollen, die Weisheit von Dorothy und im Gegensatz dazu Vesselskys Lieder, irgendwo angesiedelt zwischen Spiritualität, Weltschmerz und Lebenslust, kann man eher als eine Art Untersuchung von Parallelen verorten. Eine Verortung von Parallelen wie sie auch der Autor Joey Green in seinem Buch "The Zen of Oz: Ten Spiritual Lessons from Over the Rainbow" (Renaissance Books; 1999) zwischen dem Buchklassiker und dem Zen-Buddhismus betrieb. Diese Spurensuche kommt nicht von ungefähr: Lyman Frank Baum, der Autor von "The Wizard of Oz", war nämlich mit den Grundprinzipien des Buddhismus sehr gut vertraut.
I'll be homesick forever
Gegen Ende der Oz-Geschichte erfährt Dorothy, dass sie eigentlich die ganze Zeit die Möglichkeit hatte, nach Hause zu kommen. Sie hätte nur die Hacken ihrer roten Schuhe zusammenschlagen und folgenden Satz laut aussprechen müssen: There is no place like home. In "Far, Far Away" scheint Vesselsky die Hacken ihrer roten Schuhe zusammengeschlagen zu haben: Coming home it's been a hard day / I light candles to feel home but if home is where my heart is then I'll be homesick forever. Zugegeben, das ist eine spekulative Interpretation aufgrund des Oz-Hinweises im Untertitel von "The Key". Im dazu gehörenden Video sieht man nämlich keine roten Schuhe, dafür kommt einem dabei ein anderer Oz-Satz in den Sinn: Toto, I've a feeling we're not in Kansas anymore. Na, wie auch immer. "The Key" ist ein Album, das man sich auf diverse Hitlisten wünscht. Es beginnt mit Kirchglockengeläut und Vogelstimmen aus der Ferne, bevor die Sängerin die Tasten ihres Instruments anschlägt und uns ihren großartigen Opener "Black And White World" näher bringt. All my letters were written in dark ink to protect my black and white world, singt sie da, und ebenso: And gently I touch the black and white keys never able to bring you peace. Nach dem bereits erwähnten "Far, Far Away" folgt mit "Mirror Me, Mirror You" der große dritte Track des Albums, der übrigens ob der elektronischen Verzierungen und des sich steigernden Textes auch gut ins Repertoire der Mael-Brüder aka Sparks passen würde. Textzeilen wie Everytime you shout to me it's to your mirror, not to me und die quirlig verspielte Melodie machen das Lied zu einem echten Earcatcher. International konkurrenzfähiger Adult-Pop mit Hitqualität. Die Gesamtspielzeit des Albums mag sich mit 33 Minuten als sehr kurz anhören, ist aber gerade richtig. Etwaiges Füllmaterial fehlt dadurch nämlich komplett. Die darauf enthaltenen weiteren Hörschmankerln "Elizanh", "Au Revoir, Les Démons", "The Message", "The Weather", "Winter" und das Titellied sind allesamt mehr als gelungene Beispiele zeitgenössischer Popularkultur aus Österreich. Mit "The Key" erinnert uns Irmie Vesselsky erneut daran, dass man sie zu den relevantesten Künstlerinnen in der stark pulsierenden hiesigen Singer-Songwriter-Szene zählen muss. (Manfred Horak)
CD-Tipp:
Irmie Vesselsky: The Key (The Wisdom of Dorothy Gale or: How To Tame Your Inner Demons)
Musik: @@@@@
Klang: @@@@
Label/Vertrieb: Donauwalzer Records (2013)