Der in Wien geborene Florian Schober treibt seit 2006 das Soloprojekt Nils voran und schreibt "Lieder über Mädchen und Frauen, für Mädchen und Jungs jeden Alters". Im virtuellen Interview mit Nadia Baha beantwortete der Musiker Fragen über sein aktuelles Album "Keine Nacht für Niemand".
Kulturwoche.at: Triviale, aber dennoch wichtige Frage: Wie geht es Dir?
Nils: hinundwiederdochokay.
Im November 2012 ist dein Album "Keine Nacht für Niemand" herausgekommen und erhielt gute Kritiken. Die KünstlerInnen sind aber bekanntlich ihre härtesten KritikerInnen. Was sagst du zu Deinem Album?
Mittlerweile gefällt es mir sehr gut. Natürlich gibt es Dinge die ich inzwischen anders machen würde und Sachen, die ich für das nächste Album gelernt habe, aber ich glaube, dass mir ein sehr stimmiges, rundes Album gelungen ist. Während des Mischprozesses habe ich oft an mir und den Songs gezweifelt. Da ich das Album zu dem Zeitpunkt auch schon x-mal gehört habe, habe ich natürlich den Bezug verloren, wie die Lieder auf jemanden wirken, der sie zum ersten Mal hört.
Die Texte behandeln das große und ewige Thema Liebe facettenreich und immer mit einem Augenzwinkern ... Das war ja auch beim Debütalbum "Mädchenmusik" schon so. Du und die Liebe ...
Haha, ja ein ewiges Hin und Her. Vielleicht finden wir ja noch zusammen.
Manche meinen ja, der Autor sei tot. Wie sieht es mit dem Komponisten/Texter aus? Wenn man Dein Album hört, kommt man zu dem Schluss, dass der Komponist/Texter quicklebendig ist und das Album doch mehr als nur einen Hauch autobiographisch ist...
Ich glaube nicht, dass der Autor tot ist. Die meisten meiner Lieder sind von meinem Umfeld und meinem eigenen Leben inspiriert. Das macht sie, glaube ich, zu echten Geschichten. Wenn diese Lieder in jemandem etwas auslösen können, oder es Leute gibt die damit etwas verbinden oder man sich sogar damit identifizieren kann, ist das das Beste was den Liedern und somit mir passieren kann. Solange Texte, Lieder, Geschichten berühren und in anderer Menschen Köpfen weitergedacht werden, kann der Autor nicht tot sein.
Wie kam es eigentlich dazu, dass Du Dich "Nils" nennst, Florian? Fliegst Du schon länger "mit den Gänsen davon", wie es ein Songtitel verrät?
Nils ist der Bandname. Ich spiele in der One-Man-Band Nils. Mittlerweile werde ich manchmal auch live vom Cellisten Gernot Cernajsek begleitet. Dann spielen wir beide in der Band Nils :)
Die Gänse kamen erst ins Spiel, als mir von unterschiedlichen Seiten immer die Frage gestellt wurde, ob ich mich nach Nils Holgerson benannt hätte. Habe ich nicht, aber ich verwurschtelte dieses Bild von mir gleich in diesen Song. Nils (Holgerson) der gegen den Jungen aus Flandern um ein Mädchen buhlt, verliert und fortan mit den Gänsen weiterzieht, sozusagen einem vertrautem Gefühl.
Ich finde es immer sehr spannend zu erfahren, wie Lieder entstehen. Hast Du ein Beispiel für mich?
Oft gibt es eine Textzeile, mit oder ohne einer Melodie dazu, die mir im Kopf herum geht. Zum Beispiel "und ich flieg' mit den Gänsen davon": Dazu suche ich dann passende Akkorde. Manchmal finde ich auch eine nette Akkordfolge, zu der sich eine Melodie aufdrängt und der Text entwickelt sich Stück für Stück aus lalalas und Fantasie- oder Platzhalterwörtern heraus. Bananentexte nannte Grönemeyer das einmal, glaube ich.
Musikalisch ist Dein Album ja im Bereich Singer/-Songwriter angesiedelt. Könntest Du Dir auch einmal vorstellen, eine ganz andere musikalische Richtung einzuschlagen?
Ich würde gerne einmal tanzbare Musik machen und kokettiere auch mit der Idee eventuell mehr elektronische Elemente in meine Mädchenmusik einzubauen. Die Lieder werden aber immer Singer/Songwriter-Songs bleiben. So entstehen sie, so kommen sie aus mir heraus und auch ein größeres Arrangement wird daran nichts ändern.
Welche Musik hörst Du selbst gerne? Hast du Empfehlungen? Magst Du Ton, Steine, Scherben - immerhin heißt das Album ja "Keine Nacht für Niemand" - eine Hommage an die Kultband (Keine Macht für Niemand)?!
Mein Lieblingsalbum 2012 war "The Only Place" von Best Coast. Eines meiner All-Time-Favorites ist "Wildlife" von The Crash. Meine Vorbilder trage ich, glaub ich, recht offenherzig und deutlich hörbar in meinen Songs spazieren. Deutscher Diskurspop, Travis, Funny van Dannen, Queen und natürlich Morrissey und The Smiths.
Natürlich ist der Titel eine bewusste Ton Steine Scherben Referenz, wobei ich kein Hardcore Scherben-Fan bin. Ich komme eher aus der Generation danach. Meine Bezugbands sind sozusagen die Erben der Scherben, die sich ihrerseits schon vor Rio Reiser, textlich und musikalisch, verbeugen.
Was mich auch brennend interessiert: Wie kam es zu der quietschgelben Bade-Ente auf dem CD Cover? Bist Du Enten-Fan?
Die Cover-Idee hatte ich bereits vor 5 Jahren und ist eine visuelle Umsetzung einer solchen Verbeugung. Funny van Dannen singt in seinem Lied "Dias von Tibet" "Ich weiß noch Mutter weinte, als er nach Berlin verschwand, und dass auf seiner Ente KEINE MACHT FÜR NIEMAND stand." Ich tauschte das Auto einfach gegen eine Bade-Ente und fand die Referenz in der Referenz lustig. Ich war gespannt ob jemand ähnlich versponnene Gedankengänge hat und die Anspielung verstehen würde.
Auch bei "Mädchenmusik", Deinem ersten Album, kam Berlin vor. Was fasziniert Dich an der Stadt besonders?
Lustigerweise bin ich gar kein großer Berlin-Fan. Mir ist es zu groß. Vermutlich bin ich einfach noch nicht tief genug eingetaucht. In dem Fall kann Manhatten-Berlin als eine kleine Leonard Cohen Anspielung verstanden werden. Die Berlin-Glorifizierung läuft ja doch schon ein paar Jahrzehnte. Das Herz muss man ja dorthin schicken wo die Freunde sind, die es beschützen können, sei es nun Berlin, Mainz oder Linz. Ich finde auch Städte sind nur so gut und interessant wie die Freunde die dort Zeit mit dir verbringen können.
Deine Texte beinhalten u.a. auch literarische Anspielungen aber nichts Politisches. Würdes Du Dich als politisch denkenden Menschen bezeichnen?
Ich würde mich als politisch interessierten Menschen bezeichnen, der aber zu selten aktiv wird. Alle meine Versuche politisch/gesellschaftlich brisante oder kritische Lieder zu schreiben, wirkten aufgesetzt, platt und irgendwie peinlich auf mich. Die Lieder die ich schreibe handeln vermutlich von den Sehnsüchten und Wünschen die mich in dieser Lebensphase am meisten beschäftigen und mich somit auch ausmachen.
Was sagst Du eigentlich zum Protest der Flüchtlinge zuerst im Votivpark und jetzt in der Votivkirche?
Es ist erschreckend wie in diesem Land mit Asylsuchenden umgegangen wird. Ich finde es wichtig, dass sie für ihre Rechte eintreten und toll, dass es Menschen gibt die sie dabei unterstützen.
Böse vs. Nett. "Die Guten bringen es nicht weit" heißt es in dem Song "Böse". Da bist Du doch der beste Gegenbeweis...
Haha, ... Naja das sind ja konstruierte Begriffe. Jeder von uns ist auf seine Weise gut, böse, nett und manchmal wohl auch ein Arschloch. Manchmal glaubt man halt man müsste ein bisschen mehr von dem einen oder anderen sein, um jemand sein zu können, der beeindruckt.
Wunderst Du Dich auch über Tom Schilling, so wie es Bob Dylan in einem der neuen Songs tut oder bewunderst Du Tom Schilling? Und Bob Dylan?
Tom Schilling find ich super. Das Lied spielt ja auf Leander Haußmanns Film "Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe" an. Tom Schilling spielt einen jungen Softwaredesigner namens Robert Zimmermann, Dylans bürgerlichem Namen. Bob Dylan/Robert Zimmermann ist zu einer popkulturellen Marke geworden die in nahezu jedem Gedächtnis irgendwie verankert ist. Darum kann man sie einfach so einstreuen und damit spielen, wie es der Film tut, und dem Publikum das Gefühl geben, dass es eingeweiht ist. In meinen Song "Bob Dylan wundert sich über Tom Schilling", nütze ich das ebenfalls, spiegel aber auch den Film damit.
Im gleichnamigen Song singst Du, Du seist auf der Suche nach "Neuen Verehrerinnen". Wenn Du magst, kannst Du hier einen "Aufruf" starten! ;)
Da geht es vorrangig darum endlich mit Vergangenem abschließen zu können, das mich immer wieder einholt und schwer loszulassen ist. Ich glaube das funktioniert aber für mich erst wenn es jemand Neuen gibt, für den ich mich begeistern kann. Verehrerinnen deshalb weil es einfach das Tollste ist wenn einem jemand das Gefühl gibt, ganz und gar gewollt zu werden. Und ein bisschen Verehrung ist nie verkehrt ;-)
Traditionell dürfen sich bei mir die Befragten die letzte Frage immer selbst aussuchen - und gegebenenfalls auch gleich selbst beantworten.
Nils: How many roads must a man walk down?
42.
Vielen Dank und alles Gute weiterhin!
Danke.
Interview: Nadia Baha
Fotos: Felix Dietlinger
CD-Tipp:
Nils: Keine Nacht für Niemand
Label/Vertrieb: FRW Records (2012)
Link-Tipps:
Nils
Interview mit Leander Haußmann
Interview mit Tom Schilling
Rio Reiser (Ton Steine Scherben)