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sara-lee-guthrie-2012"Jeder Idiot kann kompliziert sein. Aber um Einfachheit zu erreichen, braucht man Genie", sagte einmal Pete Seeger mit Blick auf Woody Guthrie, der am 14. Juli 1912 in der kleinen Stadt Okemah in den Sanddünen von Oklahoma, geboren wurde. Die 100-Jahr-Feierlichkeiten erreichten auch Wien und hier trat im Wiener Metropol unter anderem seine Enkelin live auf, Sarah Lee Guthrie. Robert Fischer nutzte diese Gelegenheit für ein Interview. 

Kulturwoche.at: Gratulation zu dem feinen Konzert im Wiener Metropol im Rahmen des 100 Jahre Woody Guthrie-Abends. Bist du mit deinem Mann schon öfters in Europa aufgetreten?

Sarah Lee Guthrie: Ja, das Konzert im Metropol war toll! Mir hat es auch sehr gut gefallen. Wir waren schon öfters in Europa und sind in Holland, Belgien, Schweden, Italien und Spanien aufgetreten, aber es ist jetzt das erste Mal dass wir in Österreich und Deutschland unterwegs sind.

Warum sind die Songs von Woody Guthrie und ihre Message nach wie vor aktuell?

Ich denke, weil der Inhalt von Woodys Songs einfach zeitlos ist. Woody hat durch seine Songs die Meinung von einfachen Leuten und Arbeitern zum Ausdruck gebracht, also von denen, die normalerweise keine Stimme in der Öffentlichkeit haben. Und es ist speziell wichtig sich immer daran zu erinnern, welche Kraft wir als Individuen haben. Gerade in Zeiten wie diesen. Ich weiß zwar nicht genau wie es gerade in Europa ist, aber in den USA ist es so, dass wir, bzw. die Gesellschaft, faul geworden sind, und uns von der Regierung bzw. anderen Leuten erwarten, dass sie etwas für uns tun. Ich glaube, Woodys Message ist einfach, dass die Leute selbst Dinge verändern können. Deshalb ist es wichtig, sich selbst immer daran zu erinnern, dass man auch als Einzelperson Dinge verändern kann. Woody Guthrie selbst ist das beste Beispiel dafür: Ein einzelner Mann - und sein Werk hat so viele Leute weltweit inspiriert. Auch Pete Seeger ist so ein Beispiel. Woody hat jede Menge Songs geschrieben, die sich dann durch Übersetzungen in andere Sprachen immer weiter verbreitet haben. Die Quintessenz aus den Songs von Woody ist die Kraft, die in jedem einzeln steckt, um eine Veränderung in der Gesellschaft zu bewirken. Wir müssen es selbst tun, es macht einfach niemand anderer für uns!

Woody Guthrie hat ja eine unglaublich große Anzahl von berühmten Songs geschrieben. Welche davon sind deine persönlichen Favoriten?

Oh, da gibt es so viele (schmunzelt)! Und ich mag verschiedene Songs aus verschiedenen Gründen. Um ganz ehrlich zu sein, die erste Woody Guthrie-Platte, die ich wirklich sehr mochte, war das "Mermaid Avenue"-Album [auf dem Billy Bragg und Wilco 1998 unveröffentlichte Texte von Woody Guthrie neu vertonten; Anm.]. Dieses Album hat Woody Guthrie meine Generation nahe gebracht und auch mir persönlich mehr verständlich gemacht. Das war dann der Ausgangspunkt, um zurückzugehen und mir dann die Originale von Woody anzuhören. Da konnte ich dann manche Aufnahmen noch mehr schätzen als vorher. Also sind einige meiner Favoriten von "Mermaid Avenue", aber ich liebe natürlich auch "I Ain't Got No Home" oder "Pastures Of Plenty". Das sind einfach Songs, die sich auf die Lebensbedingungen von Wanderarbeitern beziehen und immer noch sehr aktuell sind. Die unwürdigen Lebensbedingungen dieser Menschen gehören immer noch thematisiert. Auch "I Ain't Got No Home" ist hochaktuell, wenn man bedenkt, wie viele Leute in den USA, egal ob politisch rechts oder links, gerade ihre Häuser verlieren. Das ist wirklich eine Tragödie und der Song reflektiert das.

Ich mag "Mermaid Avenue" auch sehr und freute mich, dass ihr daraus "California Stars" live gespielt habt...

Ja, an diesen Alben ist einfach toll, wie es Billy Bragg und Wilco geschafft haben, die Songs von Woody Guthrie in eine andere Zeit zu transportieren! Wir sind ja auch beide große Fans von Jeff Tweedy. Er hat unser nächstes Album produziert, das 2013 erscheinen wird.

Kannst du mir mehr darüber erzählen? Sind die Aufnahmen für das neue Album schon fertig?

Ja, die Aufnahmen sind fertig. Wir haben die neue CD gerade gemischt und arbeiten an den letzten Details für die Veröffentlichung nächstes Jahr. Geplant ist, dass das Album im Juni 2013 erscheint. Johnny und ich haben viele gute Songs für das Album geschrieben, u.a. "Hurricane Window", den wir auch im Metropol live gespielt haben, von denen Jeff Tweedy und Pat Sasone [ebenfalls von Wilco; Anm.] die besten für die Produktion ausgesucht haben. Jeff hat es perfekt hinbekommen, den Fokus darauf zu legen, was unsere Stärken sind, und das in die Musik und den Sound des Albums zu transportieren. Ich glaube, es ist insgesamt unser bisher bestes Album.

Welche anderen Musiker schätzt du?

Oje, das sind so viele, dass ich gar nicht weiß wo ich anfangen soll (schmunzelt)! Ich mag die ganzen Singer/Songwriter, die ich durch meinen Vater und meine Mutter kennengelernt habe, z.B. Hoyt Axton. Oder Richard Farina - er hat so wundervolle Texte und schöne Melodien. Ich mag Bobby Charles, John Prine und  J.J. Cale. Ich bin halt ein Kind der 70er, das beeinflusst meine Auswahl natürlich. Aus der aktuellen Szene schätze ich Lucinda Williams sehr. Sie hat so was Direktes, Erdiges. Ich mag Künstler mit Mumm, die nicht lange um den heißen Brei herumreden.

Ein schöner Moment beim Konzert war auch, als ihr eure beiden Töchter für ein paar Songs auf die Bühne geholt habt. Gefällt es den beiden schon so jung auf der Bühne zu stehen?

Auf jeden Fall! Sie haben Spaß auf der Bühne! Es ist für sie normal, sie sind damit aufgewachsen. Beim Konzert im Metropol war meine ältere Tochter noch ein wenig scheu, aber normalerweise ist sie gerne mit uns auf der Bühne. Bei den folgenden Shows hatten wir dann auch mehr Zeit für die Vorbereitung, und da hat sie sogar einen kurzen Solo-Part bekommen. Es macht uns großen Spaß, als Familie gemeinsam auf der Bühne zu stehen! In meiner eigenen Kindheit war das nämlich überhaupt nicht so. Auch wenn manche Leute glauben, dass ich als Kind oft mit Arlo auf der Bühne war, ist das Gegenteil wahr. Meine Mutter ist bei den Konzerten oft zu Hause geblieben, und ich mit ihr. Arlo hat mich nur zu speziellen Anlässen zu Konzerten mitgenommen. Deshalb macht es mir jetzt Freude mit meinen eigenen Kindern und meinem Mann auf die Bühne zu gehen. Mein Vater hat mir erzählt, dass Woody immer davon geträumt hat, mit seinen Kindern auf der Bühne zu stehen. Und wenn wir jetzt manchmal alle gemeinsam als große Familie mit Arlo, meinem Mann und mir und den Kindern auf der Bühne stehen, ist das wunderbar! In diesen Momenten ist der alte Traum von Woody Wirklichkeit geworden. Mein Mann und ich haben 2009 mit einigen Freunden  die Kinderlieder-CD "Go Waggaloo" aufgenommen, für die wir neben eigenen Songs und Traditionals auch unveröffentlichte Texte von Woody verwendet haben.

Wenn ihr auf Tour seid - welche drei persönlichen Dinge hast du da immer dabei?

Lass mich überlegen. Dieses Mal auf jeden Fall Bilder meiner Mutter, die ja leider kürzlich verstorben ist. Und dann...

Vielleicht etwas für die Kinder?

Ja, genau! Die Hausaufgaben von der Schule (schmunzelt)!

Danke für das Interview! Ich hoffe auf ein baldiges Wiedersehen in Wien...

Gern geschehen. Ich hoffe, wir können bald wieder in Wien auftreten, es ist eine wunderschöne Stadt! Goodbye!

Interview und Foto: Robert Fischer (November 2012)

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CD-Tipp:
Sarah Lee Guthrie & Johnny Irion: Bright Examples
Label/Vertrieb: Ninth Street Opus/Alive (2011)

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