Rolling Stones GRRR! Eine Würdigung mit Effekt von Manfred Horak.
Im Jahr 1982 gab es eine Radiosendung auf Ö3 namens Musikbox. Das war gewissermaßen die Pflichtsendung für all jene, die großräumig einen Bogen um den Mainstream-Pop (in dieser Zeit waren das u.a. Bands wie ABBA) machten. In diesem Jahr veröffentlichte die ein Jahr zuvor gegründete österreichische Band Blümchen Blau der Herren Josef Fencs, Jakob Mundl, Götz Schrage, Wolfgang La und Ernst Tschuri Hörmann das Album "Wie die Tiere". Mit dem alten Hans-Albers-Schlager "Flieger" landeten sie einen Überraschungshit und im Lied "Wir bauen ein Haus" konnte man den damals hyperaktiven Ludwig Weinberger alias WALULISO (Wasser, Luft, Licht und Sonne) hören. Das Wiener Original dauerdemonstrierte in weißer Toga, einem Stirnkranz aus Olivenzweigen, einem Hirtenstab und einem Apfel für Abrüstung und für Frieden und hielt regelmäßig Ansprachen an die Bevölkerung, bei denen er in eindringlicher Sprechweise Gott und Natur als Eines ansah und sich auf Visionen berief. In einer Sendung in diesem Jahr wurde der Band Blümchen Blau eine große Zukunft vorhergesagt und in einem Atemzug mit The Rolling Stones genannt. Der Moderator der Sendung sah Mick Jagger, Keith Richards und Co. so um das Jahr 2000 als eine peinliche Senioren-Partie, die mit Rollstuhl auf die Bühne gekarrt wird, um in Erinnerungen zu schwelgen, während Blümchen Blau zu diesem Zeitpunkt quasi auf dem Zenit sein wird. "Wie die Tiere" von Blümchen Blau ist auch heute noch ein hörenswertes Album, nur blöderweise blieb es das einzige der Band, denn Blümchen Blau löste sich bereits nach zwei Jahren wieder auf, von wegen Weltkarriere und Zenit und so. Und auch was The Rolling Stones betrifft lag der Moderator völlig daneben. Rollstühle braucht die Band bis heute nicht. Und was die Peinlichkeit betrifft: Die haben sie längst schon überwunden. Über die wenigen peinlichen Alben sieht man heute gelassen hinweg angesichts dessen was sonst so übrig bleibt in ihrem Repertoire. Und die Sache mit dem Zenit-Dings? Da gibt es vermutlich annähernd so viele Meinungen wie es Rolling-Stones-Fans gibt. Um sich selbst eine Meinung zu bilden sollte man natürlich möglichst viele Alben der englischen Band kennen, und da gibt es doch einige, die sich im Laufe der fünf Jahrzehnte angesammelt haben. Live-Alben und Kompilationen nicht mit eingerechnet veröffentlichten The Rolling Stones 11 Alben in den USA der 1960er Jahre, sechs Alben in den 1970er Jahren, fünf Alben in den 1980er Jahren, zwei Alben in den 1990er Jahren, sowie ein Album seit dem Jahr 2000 - das macht exakt 25 Alben in 50 Jahren, im Schnitt also alle zwei Jahre ein neues Studio-Album - so freundlich können Statistiken sein.
Rolling Stones GRRR!
Zeitsprung. Hüpfen wir in die Gegenwart. Von der ursprünglichen Besetzung der Rolling Stones sind nur noch drei mit dabei, nämlich Mick Jagger, Keith Richards, Charlie Watts. Die zwei Mitgründer Brian Jones und Ian Stewart sind tot und Bill Wyman ist Stones-Pensionär. Der Nachfolger von Brian Jones, Mick Taylor, stieg 1974 bei den Stones aus, seither greift Ron Wood bei den Stones in die Gitarrensaiten (seit 1993 als vollwertiges Bandmitglied inklusive der entsprechenden Gewinnbeteiligungen am Unternehmen). Anstelle von Bill Wyman bedient Darryl Jones den Bass, allerdings im Angestelltenverhältnis und nicht als vollwertiges Bandmitglied. Beim 50-Jahr-Jubiläum stehen insgesamt fünf Konzerte an, und zumindest für die Shows in London gab es ein erneutes Wiederhören mit Mick Taylor und Bill Wyman. Kartenpreise in drei- bis vierstelliger Höhe sind allerdings selbst für eine der größten Errungenschaft der Rockmusik einfach nur pervers, da kann man eigentlich nur GRRR! sagen. Apropos: Als Highlight des Stones-Jubiläums auf Konserve gilt klarerweise die (im Vergleich zu den Ticketpreisen) überaus günstige Mehrfach-Box GRRR!, die in fünf verschiedenen Formaten angeboten wird. Die preiswertesten Versionen sind die Doppel-CD mit 40 Tracks und einem 8-seitigen Booklet bzw. die 3-CD-Box mit 50 Tracks und einem 12-seitigen Booklet. Etwas interessanter ist da schon die Limited 3-CD-Box mit 50 Tracks und einem 36-seitigen Hardcover-Buch plus ein Tour-Poster-Postkarten-Set, das es auch auf Vinyl (5 LPs) gibt. Um knapp 100 Euro erhält man die Greatest Hits Limited Super Deluxe Edition mit 80 Tracks auf 4 CDs, ein Tourposter-Postkarten-Set, sowie einer Bonus-CD mit bisher unveröffentlichten Studioaufnahmen plus ein 7”-Vinyl, Poster und ein 96-seitiges Hardback-Buch. Uns liegt die Limited 3-CD-Box vor, die musikalisch einen breiten Bogen von der ersten Single "Come On" bis hin zu den zwei jüngsten Stones-Kompositionen "Doom and Gloom" und "One More Shot" spannt. Diese zwei neuen Stones-Songs, geschrieben vom langlebigsten Songwriter-Paar der Rock-Geschichte, sind auch ganz klar der hauptsächliche Kaufreiz. Zwei Songs, die, wie man es von The Rolling Stones gewohnt ist, mit einer unglaublichen Dynamik daher kommen. Ansonsten finden sich jedoch keine Überraschungen in dieser Liedsammlung. GRRR! ist ganz einfach eine Chronologie mit so ziemlich den wichtigsten Liedern der Jubilare. Das Booklet mit einem Vorwort von Jan Wenner (dem Mitgründer des Rolling-Stone-Magazins) zeigt Fotografien von Filmrollen, Tagebucheintragungen, Kleidungsstücken, Instrumenten, Verstärker, Flugkoffer und anderen persönlichen Utensilien der Rolling Stones. Die Poster-Nachdrucke (freilich nicht in Originalgröße) stammen von Tourneen bzw. Konzerten aus den Jahren 1966, 1973, 1989, 1994/95 und 2005/06. Nette Beigaben also, aber nicht wirklich berauschend. Was dabei zählt ist aber eh nur die Musik und dass gerade hier mit Informationen gespart wurde ist ärgerlich. Weder erfährt man das Entstehungsjahr des jeweiligen Liedes, noch, ob es nur als Single veröffentlicht wurde bzw. auf welchem Album es erstmals zu hören war, geschweige, wer auf dem jeweiligen Song zu hören ist. Ein GRRR! auch dafür. Sehr schön, da sehr eigenwillig, hingegen das Cover: Dem Monkey Business wird hier die obligate Stones-Zunge gezeigt. (Text: Manfred Horak; Fotos: Mark Seliger, Universal)
P.S.: Der komplette Artikel ist in unserer E-Zine-Ausgabe No 3 zu lesen.
CD-Tipp:
The Rolling Stones GRRR!
Musik: @@ bis @@@@@@
Klang: @@@@@@
Label/Vertrieb: Universal (3-fach Box; 2012)