Das Gasthaus Wratschko in Wien, wer es kennt, mit seinem heimeligen Licht und dem nicht renovierten Gastraum, bildet die Kulisse für das Album-Cover des zweiten Harlequin's Glance Albums "Ashore". Und so wie im Wratschko Slow Food gekocht wird gibt es bei der Band um Gernot Feldner Handmade Music auf hohem Niveau.
Die Dichter schuften in den Mühlen, die Kellnerin in der Spelunke sieht besser aus als die Lage es tut, und irgendwie schreien einen die Neonlichter trotzdem an, dass es am Ende vielleicht sogar okay wird. Die Trinker und die Säulenheiligen, die Taschenspieler und die Halblustigen, jene, die Geschichten von den rauen Gesetzen der hohen See erzählen obwohl sie das Festland keinen Zentimeter verlassen haben: eben der Pantheon, in dem Songs immigrieren, emigrieren, weitergegeben, verändert, sich zu Eigen gemacht werden. Harlequin's Glance sind vielleicht so etwas wie Wiens bestgehütetes Geheimnis, eine Band in die man sich leicht verlieben kann, wenn man sie live sieht, sei es in Gasthäusern oder auf Clubbühnen, mit ihrem verschrobenem, bärtig-huttragendem Humor. Mythen müssen nicht nur gesponnen, sondern vor allem auch ad absurdum geführt werden: das funktioniert nicht nur live ganz fabelhaft, sondern auch auf Platte, auf dem mittlerweile zweiten Bandalbum.
"Ashore" heißt die Liedsammlung, an Land. Man hat den rumpelnden Scrapyard-Polka über weite Strecken ein wenig gegen melodiösen Folk-Rock eingetauscht: nicht, dass hier die Rhythmen nicht auch hier und dort anständig vor sich hin und in sich versumpfen - "Ashore" ist dennoch ein wenig geradliniger ausgefallen als der Vorgänger "Turn". Geblieben und verfeinert die Essenz des Quintetts: Songs, die so klingen als wären sie immer hier gewesen, alte Bekannte, melancholisch, stoisch, poetisch und ein wenig versoffen.
Gernot Feldner kanalisiert das Sumpfige, Goldsuchende, mit einer eigenwilligen, charakteristischen Stimme - Worte und Silben ziehend, nasal und stur, Martin Mixans Kontrabass untermauert das, gemeinsam mit Zirkusdirektor und Zeremonienmeister Daniel Klemmers Schlagzeug mit einem soliden, poetischen Rhythmusgerüst. Richtungsgebend und atmosphärenweisend hinzu kommen das extrem versatile Gitarrenspiel von Alexander Gantz sowie Stephan 'Stoney' Steiners Geigenspiel. Im Studio kommt da noch das Multiinstrumentalistentum zu Tage, Mixan spielt von Trombone bis Mariachi Trompeten sowieso alles, Gantz tobt sich auf allem aus, was Saiten hat und Klemmer haut nicht nur auf Toms, sondern auch auf Plastiksackerln und Waschbrettern.
Götter und Kellner, verriegelt die Türen. Elf Songs später tanzen sie noch immer im Pantheon. Und auch wenn der Mühlendichter am Ende einsieht, dass das kein Gold, sondern nur Steine waren; die Kellnerin nicht mit einem heimgeht und die Taschenspielertricks nicht heiliger werden mit der Zeit: irgendwie könnte es sich ausgehen, gegen Ende hin. Harlequin's Glance mögen der Soundtrack dazu sein. (Text: Markus Brandstetter)
CD-Tipp:
Harlequin's Glance: Ashore
Musik: @@@@@
Klang: @@@@
Label/Vertrieb: Heurekord/Lindo Rec./Hoanzl (2012)
Live-Tipp:
18.1. @ Wiener Brut (Beginn: 20 Uhr)
Link-Tipps:
Harlequin's Glance: Turn (CD-Kritik)
Harlequin's Glance (HP mit allen Live-Terminen)