Der Süden ist auf einer Almwiese direkt am sizilianischen Meer und Werner Schmidbauer, Pippo Pollina & Martin Kälberer liefern dazu den Soundtrack. Im Interview mit Regina Lettner erzählt Werner Schmidbauer Näheres zu dieser ungewöhnlichen sizilianisch-bayerischen Kooperation, die im Oktober und November auf Österreich-Tour zu hören ist.
So kann es gehen: Werner Schmidbauer, Pippo Pollina & Martin Kälberer haben sich vor 10 Jahren bei einem Konzert dank einer gerissenen Gitarrensaite kennengelernt. Die daraus folgende Kooperation entwickelte sich für die drei nicht nur zu einer großen Freundschaft, sondern auch zu einer wahren musikalischen Herzensangelegenheit. Nach gemeinsamen Konzerten in Bayern und der Schweiz war es an der Zeit ins Studio zu gehen. Entstanden ist ein echtes Kleinod namens "Süden". 16 wunderbare Songs, die 2011 bei einem gemeinsamen Urlaub in Pippos Heimat Sizilien entstanden und in Martins Studio im bayerischen Voralpenland nun ihre Form fanden. Auf "Süden" vermischen sich die unterschiedlichen Musikstile der drei und inspirieren sich gegenseitig; die Texte wechseln fließend vom Italienischen ins Bayerische.
Kulturwoche.at: In der Einleitung zu "Süden" schreiben Sie, dass das Album die Geschichte einer Freundschaft ist. Wie hat diese Freundschaft begonnen?
Werner Schmidbauer: Im Jahr 2002 spielte der mir völlig unbekannte Pippo Pollina ein Solo-Konzert in einem kleinen Club in meiner Heimatstadt Bad Aibling, Martin Kälberer und ich waren im Publikum. Bei einem Lied riss ihm eine Gitarrensaite und er fragte, ob jemand ihm Publikum sei, der ihm die Saite wechseln könne. Ich wechselte ihm die Saite, und wir improvisierten spontan ein Lied zusammen auf der Bühne. Das war der Ursprung unserer Freundschaft.
Wann entstand die Idee für die weitere Zusammenarbeit?
Wir fanden sehr schnell heraus, dass eine gewisse Seelenverwandtschaft zwischen uns besteht, weil wir beide aus dem jeweils äußersten Süden unserer Herkunftsländer sind: Pippo aus Sizilien, wir aus Bayern. Die ersten Versuche, gemeinsam in italienisch-deutscher Sprachverschmelzung gemeinsam Lieder zu singen, wurden vom Publikum euphorisch aufgenommen.
Was hat es mit dem "Süden" als Albumtitel auf sich?
Tatsächlich erst mal die südlichen Wurzeln. Dann aber auch die Tatsache, dass ein früheres Lied von mir mit dem Titel "Im Süden von meim Herzen" den inneren Süden, den inneren Kompass eines Menschen, beschreibt, wo es einem immer warm ist, egal, wo man sich geographisch befindet. Dorthin wollen wir die Menschen in unseren Konzerten und mit unserer CD begleiten.
Was ist das Besondere an der Zusammenarbeit von zwei Bayern und einem Italiener?
Wir essen und trinken gerne, sind alle drei sehr emotionale und sinnliche Menschen, die aber auch nie die Genauigkeit und Zuverlässigkeit vergessen, die eine Zusammenarbeit erst möglich macht. Der große Unterschied: wenn die Sonne scheint, gehen Martin und ich aus dem Haus heraus, Pippo geht ins Haus hinein.
Bei fast allen Liedern sind die Texte sprachlich gemischt, nämlich Italienisch und Bayrisch. Wie kam es zu dem englischen Lied auf dem Album?
Der Text zu "Bruno" stammt von Pippos 16-jähriger Tochter Madlaina, die dort das Schicksal des Schweizer Umweltaktivisten Bruno Manser beschreibt, der sich sehr für die Belange der Urvölker in den Regenwäldern Neuguineas eingesetzt hat, und mit Ihnen lebte. Damit entwickelte er sich zur Bedrohung der Tropenholzlobby und -Industrie und verschwand schließlich spurlos im Urwald.
Welche Gemeinsamkeiten verbinden die Musiker und wo gibt es Unterschiede?
Uns verbinden sehr viel Gemeinsamkeiten: Lust am mehrstimmigen Satzgesang, am Autorenlied und der instrumentalen Improvisation, Unlust am trockenen Proben ohne Publikum. Unterschiede gibt es eigentlich nur in kleinen Details des Raum- und Größenempfindens bei den Hallräumen in Studioaufnahmen.
Welche Rolle spielt Kaffee im "Bandgefüge"?
Für Pippo und Martin eine durchaus respektable und große Rolle. Für mich ist das nicht relevant, bin Teetrinker...!
Bei "Passa il tempo" geht es darum, wie schnell die Zeit vergeht. Was wäre, wenn man mit der Zeit reden könnte. Welche Frage würden Sie ihr stellen?
Wo gehst Du hin, wenn Du an uns vorbeigehst, oder bist du eigentlich immer da, stellst du dich heimlich hinters Hauseck und springst plötzlich, anders verkleidet, wieder hervor?
"Mia san zua" beschreibt einen Zustand, wo man glaubt keine Kraft mehr zu haben etwas in der Welt zu ändern. Ist es manchmal schwierig gerade bei den ständigen Berichten über die Krise in der Weltwirtschaft nicht zu resignieren?
Mich persönlich begleitet dieses Gefühl der Kraftlosigkeit und der Ohnmacht immer wieder, speziell seit dem World-Tradecenter-Attentat 2001. Generell empfinden wir alle drei sehr stark primär die ökologischen, aber auch die ökonomischen Krisen durchaus als Bedrohung. Aber wir versuchen mit unseren Waffen, der Musik und der Kraft der Seele und der Poesie, dagegen zu halten.
"Il mondo è la mia patria" heißt übersetzt die Welt ist mein Zuhause. Wie definieren Sie Heimat? Wo fühlen Sie sich "dahoam"?
Martin und ich sind durchaus regionale Menschen, die ihre Heimat hier in Bayern benennen können, obwohl wir beide gerne und viel reisen. Pippo ist ein ewig Reisender, der seine regionale Heimat verloren hat und sie in seinen Begegnungen und Erinnerungen wiedergefunden hat.
Was darf man sich von den anstehenden Konzerten erwarten?
Eine Reise aus dem Süden in den Süden, vom Meer in die Berge, einen Trip hin zum Süden des eigenen Herzens. Authentische Geschichten, lebendige, pulsierende Musik und drei Musiker, die sich die Seele aus dem Leib singen und musizieren. Und, wie ich hoffe und immer wieder erfahre, nach dem Konzert einen Heimweg mit einem warmen Gefühl im Bauch.
Interview: Regina Lettner (2012)
CD-Tipp:
Werner Schmidbauer / Pippo Pollina / Martin Kälberer: Süden
Label/Vertrieb: Sony Music (2012)
Link-Tipp:
Südenmusik
Live-Tipps 2012:
26.10. Innsbruck / Hafen
27.10. Salzburg / Republic
17.11. Traun / Spinnerei
18.11. Graz / Orpheum
19.11. Wien / Metropol
21.11. Vöcklabruck / Stadtsaal