Musikalische Sensationen gab es von Van Morrison im 21. Jahrhundert bisher nur sehr wenige, aber zumindest die Kontinuität seiner Alben-Veröffentlichungen blieb erhalten (it's just a job, you know?) und mit einzelnen Liedern traf der Berufssänger immer noch voll ins Herz. Born to Sing: No Plan B setzt diesen Weg seiner Arbeitsstudien frei nach dem Motto Ich singe, also bin ich fort. Oder steckt da noch mehr dahinter?
Wir schreiben das Jahr 2012. Es gibt viel zu feiern in diesem Musikjahr. Zum Beispiel 50 Jahre The Beatles, Rolling Stones, Bob Dylan. Da dürfen auch neue Alben nicht fehlen. Sir Paul McCartney singt auf Kisses On The Bottom Standards und lässt sich von Diana Krall am Piano begleiten, Mick Jagger autorisiert seine Biografie und die Rolling Stones machen ein lautes Grrr! zum Fünfziger, Bob Dylan füllt mit Tempest einmal mehr die Feuilletons und mit dem Wiedererwachen der Dexys gibt es außerhalb dieser 50er-Jubiläen sogar ein sensationelles Comeback. Last but not least: Nach der 40-Jahr-Feier von Astral Weeks und der Hoffnung seiner Fans sich damit wieder ausreichend motiviert zu haben, legt Van Morrison sein 40. Album vor. Titel: Born To Sing: No Plan B. Ja, es ist eine Veränderung eingetreten. Alles, was anders ist, ist gut, sagte Bill Murray, als er im Kinofilm Groundhog Day (dt.: Und täglich grüßt das Murmeltier; 1993) endlich der Zeitschleife entkam. Van Morrison setzte sich zwei Jahre vor diesem Release bewusst in eine Zeitkapsel, um dieses übermächtige Astral Weeks Album live in bisweilen neue Bahnen zu lenken und aus diesem von Mythos umrankten Album Kraft zu schöpfen und seiner eingerenkten, vorhersehbaren und von daher weidlich bequemen, Musikzone zu entfliehen und seiner Karriere einen neuen Schub zu geben. Auf dem vorliegenden Album stellt er den Kult des Geldes in Frage. Aus In God We Trust (zu finden auf jedem Ein-Dollar-Schein) wird hier If In Money We Trust und wirft gleich die Frage hinterher: Where's God? Ein düsteres Acht-Minuten-Mantra, das vom Bass und Piano angeschoben und von den Bläsern getragen wird. Dieses Thema taucht in den 10 Songs immer wieder auf, so z.B. in der Eröffnungsnummer Open the Door (To Your Heart), sowie in Educating Archie [Archie ist in Irland das Synonym für einfache Leute; Anm.], das die globale Elite des kapitalistischen Systems an den Pranger stellt, da sie die einfachen Leute wie Sklaven halten bzw. behandeln. Starke Texte, die auch musikalisch adäquat umgesetzt werden. Vor allem If In Money We Trust ist ein dermaßen packender Song auf extrem hohem Level. Van Morrison besinnt sich auf seine Tugenden, ist wieder der Alchimist, der Sinnsuchende, der große Beobachter, der seinen Songs die nötige Zeit gibt sich zu entwickeln. Neben den bereits erwähnten Money-Songs kommt extrem gut sein Crossroads-Blues Pagan Heart, auf dem man wieder einmal hört welch großartiger Gitarrist Van Morrison ist. Ein eindringlicher Song, der mit jeder Menge Spirit von John Lee Hooker versehen ist und mit zu den stärksten Momenten in Van Morrisons Karriere gezählt werden kann. Das dritte der großen Drei auf diesem Album ist Track Nummer 2, Goin' Down To Monte Carlo. Van Morrison ist hier in poetischer Zitatenlaune: Sartre said that hell is other people, I believe that most of them are, singt er an einer Stelle und lässt nach knapp fünf Minuten die Band abschwellen, damit Paul Moore ein Bass-Solo anbringen, Paul Moran seine Hammond Organ leicht flirren und Van himself am Alt zeigen kann, dass er ja auch ein mehr als passabler Saxofonist ist. Transzendental. Mystisch. Intensiv. (Text: Manfred Horak; Foto: Exile Productions)
Den Artikel in voller Länge gibt es in der E-Zine-Ausgabe No 2 von Kulturwoche.at zu lesen.
CD-Tipp:
Van Morrison: Born To Sing: No Plan B
Musik: @@@@@@
Klang: @@@@@@
Label/Vertrieb: Blue Note/EMI (2012)
Link-Tipps:
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