"Hätte man die besten Tracks von 'The Sensual World' und 'The Red Shoes' genommen, hätte man ein großartiges Album anstelle zweier mittelmäßiger erhalten", schrieb Rob Jovanovic im Buch "Kate Bush: Die Biografie". Ob die Sängerin das Buch las und sich dabei dachte, "ja, das hat was", ist nicht überliefert, aber "Director's Cut" ist genau dieses Album.
"Director's Cut" enthält nämlich zum Teil komplett neu eingespielte Songs aus den Alben "The Sensual World" (1989) und "The Red Shoes" (1993). Wie stark die Veränderungen sind hört man gleich beim Einstiegssong, dem Titelsong von "The Sensual World", das nun den Titel "Flower of the Mountain" trägt. Nicht nur, dass der Song musikalisch eine Neudefinition erhielt, wurde auch auf der Textebene das umgesetzt, was Kate Bush bereits 1989 plante. Ja, für die Erstaufnahme bekam die Engländerin keine Genehmigung den Monolog der Molly Bloom aus dem James Joyce Roman "Ulysses" zu verwenden, ja, sie musste daher einen eigenständigen Text schreiben, ja, diesmal erfolgte eine Freigabe. "Ich hatte eine Rhythmusidee", erklärte Bush dereinst, "die auf einer Synthesizerfigur basierte, die ich eines Tages mit nach Hause genommen hatte, um weiter an ihr zu arbeiten. Während ich sie spielte, fiel mir dieses wiederholte 'yes' ein und ließ mich an Molly Blooms Rede am Schluss von Ulysses denken. Ich ging hinunter zu meinen Büchern und las ihn wieder einmal, diesen endlosen Satz, der nur von Jas unterbrochen wird - ganz fantastisches Zeug. Und es war geradezu unheimlich - es passte zum Rhythmus in meinem Song." Auf dem "Sensual World" Album befand sich mit "Deeper Understanding" auch ein frühes Lied zum Thema Internet und den Auswirkungen der virtuellen Welt auf das individuelle Empfinden. Mit dabei war damals und ist jetzt das bulgarische Gesangsensemble Bulgarka Trio. Die Visionen von Kate Bush anno 1989 wurde längst Wirklichkeit und in der neuen Version zu einem Vexierspiel zwischen elektronisch verfremdeten Stimmen und Blues. Wie sie hier Musik und Text auslotet ist einsame Klasse. "Flower of the Mountain" und "Deeper Understanding" rechtfertigen jedenfalls bereits den Kauf des Albums, das in hübscher Aufmachung mit abgedruckten Texten und kunstvollen Fotografien auch fürs Auge etwas hergibt. Weitere Höhepunkte: "Moments of Pleasure", in dem sie die Wolkenkratzer von New York mit schneebedeckten Bergen vergleicht und ihre Mutter sagen hört "Every old sock meets an old shoe", sowie die (endlich würdige und vom 1993er Zeitgeist Sound befreite) Version von "Rubberband Girl" inklusive Danny Thompson am Bass. Und überhaupt die Besetzung, die ist wieder einmal vom Feinsten, quasi Staraufgebot. Auf fast jedem Lied ist Steve Gadd am Schlagzeug zu hören, die Gitarre spielt Dan McIntosh (der bereits auf "Aerial" zu hören war) bzw. auf "And So Is Love" Eric Clapton - hier spielt übrigens Gary Brooker (Procol Harum) die Hammond. Die Bässe bedient neben Danny Thompson natürlich Del Palmer, aber auch der langjährige Jan Garbarek Bassist, Eberhard Weber, und auf "Top of the City" hören wir den Starviolinisten Nigel Kennedy. "Director's Cut" ist ein kluges, in sich schlüssiges, ausgereiftes, homogenes Album und somit ein weiteres Meisterwerk von Kate Bush. //
Text: Manfred Horak
Foto: Courtesy of the artist
CD-Tipp:
Kate Bush: Director’s Cut
Musik: @@@@@@
Klang: @@@@@@
Label/Vertrieb: Fish People/EMI (2011)