nashvilleskyline"Is it rolling, Bob?" Wir schreiben das Jahr 1969, Dylan ist verheiratet, Vater geworden, und lebt mit der Familie am Land. Auf "Nashville Skyline" lässt uns Dylan Einblick nehmen in sein privates Glück und löst nebenbei eine Neuorientierung in der Musikszene aus.

Zog er auf "John Wesley Harding" der elektrischen Musik die Stöpsel raus und zeigte er mit den letzten beiden Songs ("Down Along The Cove" und "I'll Be Your Baby Tonight") bereits auf die Skyline von Nashville, so bog er mit den unglaublich unprätentiösen Songs von "Nashville Skyline" in die Straße der Erlösung ein, während andere im Jahr 1969 stoned werden mussten "und", wie Dylan-Biograph Robert Shelton schrieb, "in Woodstock gewesen sein, eine psychedelische Platte aufnehmen, durch verstörtes Betragen beweisen, dass er von Vietnam betroffen war." Dylan wurde freilich immer wieder auf Vietnam angesprochen, und einmal wurde er, in einem sonst verblödelnden Interview, ernst: "Natürlich mach ich mir etwas aus dem Krieg, aus Vietnam. Meine Gedanken beschäftigen sich mit der Sinnlosigkeit des Krieges, nicht mit der Moral." In gewisser Weise geht es genau darum auf "Nashville Skyline", nur dass Dylan hier über das Pendant zur Sinnlosigkeit des Krieges singt, nämlich über die Wahrhaftigkeit von Leben und Liebe. "Nashville Skyline" ist nicht nur das letzte Album von Dylan in den 1960er Jahren, sondern auch ein Album mit einigen (offiziellen) Premieren: Zum ersten Mal singt Dylan auf einem Album im Duett (mit Johnny Cash), zum ersten Mal spielt er ein Lied zum zweiten Mal ein (eben jenes Duett; "Girl from the North Country"), zum ersten Mal verwendet Dylan elektronischen Hall, zum ersten Mal veröffentlicht er ein Instrumental-Stück ("Nashville Skyline Rag") und zum ersten Mal singt er, in den Melodien schwebend, mit offenen Intonationen. "Lay Lady Lay" wurde zum großen Hit, und Dylans Frage zu Beginn von "To Be Alone With You" an den Produzenten Bob Johnston, ob das Band schon laufe ("Is it rolling, Bob?") legendär. Dylan brachte mit diesem Album die Rockmusik mit Country endgültig zusammen, eine neue Musikszene tat sich auf. Wenige Monate nach diesem Album nahm The Byrds ihr "Sweetheart Rodeo" auf, danach ging es Schlag auf Schlag: Von Kris Kristofferson bis Commander Cody, von Doctor Hook and The Medicine Show bis Poco, von The Flying Burrito Brothers bis hin zu Crosby, Stills, Nash and Young, und wie sie alle hießen, folgten Dylans Idee. Und egal, ob die scherzhaften Country-Klischees in "Peggy Day", das einsame Cowboy-Lied "One More Night" oder das kindlich verspielte "Country Pie", ob die Echos in "Tell Me That It Isn't True", der Liebesschwur in "Tonight I'll Be Staying Here With You" oder die Anklänge an Elvis in "I Threw It All Away", Bob Dylan zeigt sich hier erneut in seiner eigenen Meisterschaft. Die neue Maske stand ihm gut, verkam jedoch bald darauf für die nächsten Jahre zu einem verzerrten Selbstporträt. //

Text: Manfred Horak

SACD-Tipp:
Bob Dylan: Nashville Skyline
Musik: @@@@@@

Klang: @@@@@@
Label/Vertrieb: Columbia/Sony (1969; 2003)

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