highway61revisitedDas sechste Album von Bob Dylan zählt zu "One of the two or three finest rock and roll albums ever made", wie der Musikhistoriker Greil Marcus einmal meinte, und dem kann man sich nur anschließen. Darauf enthalten: "Like a Rolling Stone", das in einer weltweiten Umfrage unter Musikern zum besten Lied aller Zeiten gewählt wurde.

Zirka 20 Jahre nach der Veröffentlichung von "Highway 61 Revisited" sagte Dylan in einem Interview: "Ich höre mir diese Songs an und ich weiß ich könnte sie heute nicht mehr schreiben obwohl ich sie immer noch spiele. Aber ich wundere mich wo sie herkamen und wie, selbst die einfachsten Lieder. Ich könnte sie heute nicht mehr schreiben und ich wäre ein Idiot es zu versuchen." Diese Lieder auf diesem Album, neun Songs sind es, und gerade mal fünf Monate nach "Bringing It All Back Home" veröffentlicht, sind präziser und klarer als jene auf dem Vorgänger-Album, und die logische Weiterentwicklung von Bob Dylan. "Like A Rolling Stone" lassen wir an dieser Stelle links liegen (einen ganzen Artikel über den Song gibt es dafür HIER). Dylan, der Blues-Musiker, Dylan, der Rocker, Dylan, der Poet mit surrealistischen Neigungen gilt es auf diesem Album zu entdecken. Die Blues-Sängerin Ma Rainey und Beethoven werden im "Tombstone Blues" von Tuba-Spielern abgelöst, die einen Militärmarsch proben, und Dylan erzählt uns die "Ballad of a Thin Man" über einen Beobachter, der nichts sieht und auch sonst ziemlich oberflächlich ist: "Do you, Mr. Jones?" Wir hören im Titelsong einen Dialog zwischen Gott und Abraham ("Oh God said to Abraham / "Kill me a son" / Abe says, "Man, you must be puttin' me on" / God say, "No." Abe say, "What?" / God say, "You can do what you want Abe, but / The next time you see me comin' you better run" / Well Abe says, "Where do you want this killin' done?" / God says, "Out on Highway 61""), wir hören das scheppernde Honkytonk-Klavier in "Just Like Tom Thumb's Blues" und einen Sänger "lost in the rain in Juarez", und wir hören einen weiteren Anwärter zum besten Lied aller Zeiten: "Desolation Row". Dylan überschreitet mit diesem Lied erstmals die 10-Minuten-Marke; Die 11 Minuten und 20 Sekunden sind aber auch notwendig, um die zehn jeweils zwölfzeiligen Strophen unterzubringen. Wenn wir uns nicht vom Materialismus abwenden, wird unsere Zukunft apokalyptisch sein, prophezeit uns Dylan. "Desolation Row" ist allerdings nicht von der Düsterkeit beherrscht, wie er es in "A Hard Rain's A-Gonna Fall" zum Ausdruck brachte, sondern greift hier auf Stilmittel wie Ironie, Sarkasmus und Galgenhumor zurück. "They're selling postcards of the hanging / They're painting the passports brown / The beauty parlor is filled with sailors / The circus is in town", heißt es zu Beginn des Liedes, und in Folge begegnen wir an der Straße der Verwüstung und Trostlosigkeit eine bizarre Gesellschaft voller maskierter Persönlichkeiten. Große visionäre Literatur, die für sich steht, auf einem Album von Bob Dylan, das zu den besten in der Rockgeschichte zählt. //

Text: Manfred Horak

SACD-Tipp:
Bob Dylan: Highway 61 Revisited
Musik: @@@@@@
Klang: @@@@@@
Label/Vertrieb: Columbia/Sony (1965; 2003)

Link-Tipps:
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