Nach über 10-jähriger Pause meldet sich die deutsche Sängerin Julia Neigel ("Schatten An Der Wand") mit dem Album "Neigelneu" zurück. Robert Fischer traf Julia Neigel zum Interview, um mehr über ihr Comeback und die Gründe für die längere Auszeit zu erfahren.
Kulturwoche.at: Julia, wann bist Du zum letzten Mal in Wien aufgetreten? Julia Neigel: Am Donauinselfest! Das ist allerdings schon ein paar Jährchen her. Ich bedaure, dass ich die lange Pause hatte, sonst wäre ich sicher öfters zu Konzerten bei euch vorbeigekommen. Ich fühle mich in Österreich sehr wohl. Um welche Themen dreht sich Dein neues Album 'Neigelneu'? Einerseits hat das neue Album sicher autobiografische Anteile, aber es sind auch Themen verarbeitet, die ich von anderen erzählt bekommen habe, und die mich persönlich berührt haben. Man hat ja nicht nur Beziehungsthemen oder soziale Themen, sondern es beschäftigen mich auch allgemeine Zeitgeschehnisse. Es ist eine Mischung aus persönlichen Sachen, die ich in den zwölf Jahren, die ich an dieser CD gearbeitet habe, erlebt habe und in zwölf Jahren kommt schon ganz schön viel zusammen! Mein letztes Album 'Alles' stammt ja noch von 1998, und ich glaube, im Vergleich dazu haben meine Texte mehr Tiefgang bekommen. Einer der Gründe für Deine lange Pause waren Streitigkeiten mit Deiner alten Band bzw. hast Du Dir die Rechte für Deine alten Lieder gerichtlich erkämpfen müssen. Wie kam es zu dieser Auseinandersetzung? Als ich meine ehemaligen Bandmitglieder kennen lernte, war ich noch recht jung. Mein Keyboarder und der Gitarrist, der lange Zeit auch mein Lebensgefährte war, erklärten mir damals, als es um die Rechte beim Songschreiben ging, dass ich bei der GEMA [dt. Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und Vervielfältigungsrechte, Anm.] nicht den gleichen Status wie sie hätte, weil ich ja 'nur' singen würde. Da ich keine Noten lesen kann und kein Instrument spielen kann, hätte ich als Autorin nicht den gleichen Stellenwert. Das war aber schlichtweg unwahr. Und obwohl bei meinem ersten Hit 'Schatten an der Wand' und den meisten anderen Songs die Melodien von mir kamen, hat mich die Band in diesem Punkt bewusst falsch informiert, und das ist sechs Alben so gegangen. Dann kam es zum Bruch mit der Band. Ich wollte mich zuerst einmal von der ganzen Situation befreien. Dann habe ich begonnen, wegen der entgangenen Lieder-Rechte mal nachzurechnen, was mir da an Tantiemen entgangen war. Das betraf immerhin 66 Songs und zwei Millionen verkaufte Alben. Eine außergerichtliche Lösung war nicht möglich, die Mitglieder der alten Band wollten nicht mal mehr mit mir reden. So habe ich dann begonnen, um die Rechte an meinen Liedern gerichtlich zu kämpfen. Ich war auch erfolgreich, habe die Rechte zugesprochen bekommen, aber zum Teil laufen die Prozesse heute noch. Das Ganze war natürlich für mich eine große persönliche Krise, die ich erst einmal verarbeiten musste, um danach privat und musikalisch wieder komplett neu durchzustarten. Hast Du damals auch mit dem Gedanken gespielt, mit der Musik ganz aufzuhören? Ja, am Anfang habe ich mit mir selbst so gehadert, dass ich aufhören wollte, zu arbeiten. Erst nach zwei, drei Jahren hatte ich wieder Lust und Laune, habe gemerkt, ich scharre innerlich schon mit den Hufen, will unbedingt wieder Musik machen und singen. Da habe ich langsam begonnen, mich nach Musikern für meine neue Band umzusehen. Diese Musiker habe ich aber dann nicht nur nach ihrem Können ausgesucht, sondern ich wollte sie erst mal persönlich kennenlernen, um zu wissen was das für Menschen sind. Mit der neuen Band bin ich jetzt auch schon wieder acht Jahre zusammen und damit sehr zufrieden. Das war für mich eine ganz wohltuende und tröstliche Erfahrung, die mir auch wieder das Urvertrauen in das Miteinander, auch im Team, zurückgegeben hat. Ab diesem Zeitpunkt sah ich dann wieder eine musikalische Perspektive neben den ganzen juristischen Auseinandersetzungen bzw. kam durch die neue Band auch die Freude am Musizieren wieder zurück. In Folge habe ich dann wieder begonnen, Unplugged-Konzerte zu geben und habe mit meinen Musikern am neuen Album gearbeitet. Wir haben dafür insgesamt über vierzig Songs produziert und auch viel herum experimentiert. Welche Funktion hatte Dein Produzent Edo Zanki bei der Arbeit am neuen Album? Edo kam erst letztes Jahr dazu. Da war die Produktion eigentlich schon veröffentlichungsreif, aber wenn man so lange an einer CD arbeitet , tendiert man schon dazu die Übersicht zu verlieren bzw. sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. Edo ist sehr kompetent, und der richtige Mann, um einem Künstler noch den letzten Schliff zu geben. Seine Meinung war uns sehr wichtig, gerade weil er als 'neutrale' Person ins Studio dazu gestoßen ist. Nach acht Jahren Arbeit an den Songs wird man leicht betriebsblind, und Edo hat uns geholfen, den sogenannten 'roten' Faden wieder zu finden. Es ist für einen Produzenten sicher keine leichte Situation zu einem fast fertigen Album dazuzukommen, aber Edo hat das sehr gut gemacht. Was darf man sich von Deinem Wien-Konzert gemeinsam mit Edo Zanki im Porgy & Bess erwarten? Wir werden uns den Abend teilen. Edo hat ja kürzlich auch ein neues Album veröffentlicht ["Zu Viele Engel", 2011; Anm.]. Jeder wird getrennt seine Sachen präsentieren, und am Schluss werden wir auch gemeinsam was machen. Mehr will ich noch nicht verraten. Das ist für uns auch nichts Neues, wir waren schon letztes Jahr auf der 'Rock'n Soul Tour' gemeinsam unterwegs. Sowas ist relativ einfach realisierbar, da wir z.B. den gleichen Gitarristen haben, und uns auch ein paar andere Musiker teilen. So kann man ganz easy eine gemeinsame Band zusammenstellen. Wir sind also als Team schon ganz gut eingespielt. Welche Musik hörst Du privat gerade am liebsten? Oh, sehr unterschiedlich. Quer durch den Gemüsegarten. Von Chris Cornell über Zucchero bis Daniel Lanois und Massive Attack. Ich höre mir natürlich auch die aktuellen Charts an, das gehört einfach dazu. Auch Lady Gaga, aber genauso Madonna und ich höre mir auch AC/DC an. Es ist so, dass es nicht immer vom Genre abhängig ist, warum ich eine CD in die Hand nehme, sondern es ist tatsächlich auch der Künstler, die Band, der Act. Wenn ich das Gefühl habe, da kommt 'was rüber, das ist speziell, das gefällt mir, dann entdecke ich das. Acts, die immer die gleiche Musik machen, interessieren mich nicht. In meinem CD-Schrank ist stilistisch genauso eine große Bandbreite wie auf meinen Alben. Vor einigen Jahren warst Du Jurorin in der ZDF Casting-Show 'Die deutsche Stimme'. Welche Erfahrungen hast Du da gemacht? Da war eine ganz anständige Jury, die hatten schon einen relativ hohen Anspruch. Da waren z.B. Leute wie 'Mr. Song Contest' Ralph Siegel dabei. Ich habe festgestellt, dass meine eigenen Ansprüche höher sind, als eine Casting-Show je bieten kann. Es ist sicher nicht schlecht, dass es solche Wettbewerbe gibt und junge Gesangstalente dadurch überhaupt einmal an die Öffentlichkeit treten können. Wir mussten uns das früher durch regelmäßiges Touren in kleinen Clubs erarbeiten. Es gibt in den Casting-Shows viel Schund, aber genauso glänzende Talente. Was in den meisten Shows neben dem Singen ein wenig zu kurz kommt, ist das eigene Material. Wenn diesem Umstand mehr Gewicht zukommen würde, dann würde ich eine Casting-Show befürworten. Aber da es sich fast immer nur um das Kopieren handelt, hat das für mich den Sinn verkannt. Reines Kopieren ergibt für mich keine Authentizität. Und wenn sich eine Show 'Deutschland sucht den Superstar' nennt, kann ich nur den Kopf darüber schütteln. Superstars sind für mich Leute wie Madonna oder Coldplay, die nicht nur gut singen, sondern wie schon erwähnt, auch ihr eigenes Material schreiben und performen. Das ist einfach eine ganz andere Kategorie, als die Leute, die bei 'DSDS' antreten. Danke für das Gespräch! Das Interview führte Robert Fischer; Foto: Christian Barz
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