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bmg_thommymardoAm Donnerstag, 4. November 2010, war es soweit: die Premiere der Schlagzeugshow mit den blauen Köpfen stand auf dem Spielplan der Halle E in den ehemaligen Hofstallungen der Kaiserresidenz: 1 ½ Stunden perkussiver Hochgenuss, Witz, Anspruch und jede Menge Farbe...

 

Blau machen oder Die Premiere

Blauer Montag war es keiner - zumal dieser Brauch, zumindest in unseren Breitenkreisen, schon lange nicht mehr zugegen ist. Aber ein blauer Donnerstag. Für mich zum Beispiel, die sich mal ganz kess vom Seminar auf der Uni freigenommen hat, um die Blue Men erstmals in Wien bestaunen zu dürfen. Fehler war das ganz bestimmt keiner. Man muss eben Prioritäten setzen. Aber auch für alle anderen Gäste war dieser Donnerstag freilich ein blauer. Denn statt zum Beispiel rotem Teppich gab es einen blauen, auf welchem natürlich die österreichische B-Prominenz auf und ab stolzierte und sich selbst nicht zu schade war über 'blau-sein', 'blau-machen' und 'Blau' im Generellen Auskünfte zu geben. Naja, sehen um gesehen zu werden, sag ich nur. Sonstige der Premiere innewohnende Eigenheiten waren dann schon ganz konventionell erfüllt. Ein ausverkaufter Saal zum Einen, der - zum Anderen - hauptsächlich mit bekannten Gesichtern gefüllt war. Die meisten von ihnen natürlich in den vorderen Rängen, wo man ja ganz besonders gut sieht, aber so auch den einen oder anderen Farbklecks abkriegt, weshalb sie gebeten werden, sich in einen Regenponcho zu werfen. Aber dazu später mehr. Tja, und sonst natürlich jede Menge Pressemenschen, die geschäftig von A nach B nach C laufen, ihre geliebten Promis in ein Blitzlichtgewitter hüllen und - frech, wie sie eben sind - sogar während der Show filmen. Die können da nicht blau machen, denn es geht ja um den Report, der danach zu Ihnen gelangen und Sie so fesseln soll, als wären Sie selbst dabei gewesen.

Blau sein oder Die Show

Blau sind wir vorerst einmal noch nicht. Aber gespannt. Und deshalb sitze ich schon um Punkt 20 Uhr im Saal und warte auf den Start. Der dauert aber noch, weil hier und da noch der eine Kameramann oder die andere Fotografin herumwuseln. Im Hintergrund Percussions - selbstverständlich! Klassische Musik wäre auch so richtig fehl am Platz... - und über zwei LED-Laufschriften wird auf das Bitte-nicht-benutzen-von-Foto-und-Filmmitschnitten, das Ausschalten von Handys, den Einsatz von Stroboskop-Licht und das Abraten von während-der-Vorstellung-ins-Foyer-gehen hingewiesen. Freundlich ist er, dieser LED-Lauftext. Dann die Musik lauter, der Saal dunkler und die Schrift noch sympathischer. Jetzt geht's nämlich los! Der Lauftext spricht mit uns - dem Publikum - als wäre er tatsächlich ein Mensch. So werden wir aufgefordert einer anderen Person im Saal zum Geburtstag zu gratulieren. Fertig los! "Happy birthday to you, happy birthday to you..." und so weiter und so fort. Dann stellt die LED-Leiste fest, dass Mausi (ehemals Lugner) - apropos B-Prominenz... - Kopfschmerzen hat. Gemeinsam helfen wir ihr nun diese Kopfschmerzen los zu werden. Fertig los! "Mausi, stell dir vor, deine Kopfschmerzen wären eine Kuh ... Und jetzt: erschieß die Kuh!" Gelächter, Applaus und so geht's weiter. Alle machen sie mit und freuen sich über den Spaß, den sie dabei haben. Bin ich die einzige, die feststellt, dass wir so ziemlich die dümmsten Marionetten sind, die es überhaupt geben kann? Ich meine, wir machen all das, was uns eine LED-Laufschrift ansagt! Nun gut, aber das gehört ja zur Show und hat schon einen Sinn, wie wir weiter herausfinden werden. Und da sind sie schon, die drei blauen Köpfe. Süß. Wie Außerirdische, die keinen Plan haben, wo sie eigentlich gelandet sind und warum da so viele Menschen sitzen und sie anstarren, stehen sie verwirrt auf der Bühne und blicken neugierig um sich. Dann wird erst einmal das Publikum genauer unter die Lupe genommen. Mit einer Handkamera laufen sie durch die Reihen und bestaunen erstaunte Gesichter. "Nun gut. Alles klar. Die sind irgendwie anders als wir", erkennen die Blue Men und machen einfach - so scheint es - was ihnen gerade in den Sinn kommt. Marshmallows werden durch die Lüfte geschleudert und mit dem Mund wieder aufgefangen, riesige bunte Kaugummis ebenso und dann wird eben Kunst daraus gemacht. € 4.000,- kostet dann der aus dem Mund gewürgte Berg aus Marshmallows. Aber das ist eben Kunst! Schon langsam erkenne ich den roten Faden, der sich durch dieses Licht-, Farb- und Klang-Spektakel zieht. Sie auch? Ah ja! Jetzt geht's ran an die PVC-Röhren. Unvorstellbar, was für ein Sound aus diesen Plastikteilen erklingt. Und die Blue Men probieren wieder. Und sind wieder erstaunt über das, was dabei herauskommt. So sympathisch, diese außerirdischen Kerlchen, die sich immer wieder gegenseitig beweisen wollen, dass der Eine besser ist als der Andere aber dann doch draufkommen, dass sie gemeinsam den meisten Spaß haben.

Und um das jetzt kurz zu fassen und den Bericht ein wenig voranzutreiben ein Schnelldurchlauf:

PVC-Röhren-Getrommel, Cereal-Knusper-Gekaue im Takt, Farb-Spritz-Blechtonnen-Getrommel (jetzt kommen die Regenponchos ins Spiel), Zu-spät-Kommer-Alarm (die Show steht still und eine Kamera filmt die in einen Lichtkegel gehüllten zu spät kommenden Gäste), Kinder-Biscuit-Dinieren mit einer unwissenden Fremden aus dem Publikum, eine Hommage an das Internet, Online-Netzwerke und Internetcafés (wie toll, dass man Freundschaften außerhalb des 'echten' Lebens haben kann, denn dann muss man sich gar nicht mehr mit emotionalen Irrfahrten, die ja typisch für zwischenmenschliche Beziehungen sind, beschäftigen!), die im Endeffekt in einer fatalen Kritik an eben diesen Netzwerken ihren Höhepunkt findet, weitere Untersuchungen des seltsamen Publikums, noch mehr PVC-Röhren, einen Ausflug ins Fernsehen, eine weitere Aktion mit einem unwissenden Zuseher, viele interessante Kurzepisoden zwischendurch und dann die How-to-be-a-Rockstar-Anleitung: Mehrere 'Konzert-Bewegungen' werden vorgestellt und durchgespielt. Selbstverständlich wieder von einer optischen Einspielung - diesmal auf einer Leinwand - und einer Stimme aus dem Off, die auch wieder sehr sympathisch wirkt, angeleitet. Und? Alle machen mit! Ja, da sitzen sie, die unwissenden Spielfiguren, die die Show eigentlich erst zu dem machen, was sie ist: Eine - neben fantastischen KlangFarbenSpielen - gesellschafts- und sozialkritische Veranstaltung, die eigentlich zum Denken anregen will. Aber soweit kommt es dann gar nicht. Denn zwischen all dem interaktiven Dasein, dem fassungslosen Staunen und dem lauten Gelächter von Seiten des Publikums bleibt kein Raum, sich selbst zu hinterfragen. Und dann sind die 1 ½ Stunden auch schon wieder vorbei, glücklich und zufrieden gehen die bespielten Gäste aus der Vorstellungshalle und amüsieren sich über die verrückten Kerlchen und das nette Einbinden des Publikums in die Show. Zur Krönung des Ganzen laufen die drei Blue Men auch jetzt noch durch die Gänge - außerhalb des Vorstellungsraumes - und untersuchen erstaunt die seltsame Spezies Mensch. Was soll ich sagen? Ich fühle mich nach der Show diesen blauen Köpfen tausendmal mehr zugehörig als dem Rest dieses spektakulären Abends... - Ein wundervolles Gefühl, so über den Dingen zu stehen. Aber halt! Begebe ich mich nun nicht wiederum auf das, von der Blue Man Group kritisierte, wackelige Terrain, auf eine Seite des schmalen Grates von Verschmelzen und Herausheben des Individuums aus der Masse? (Text: Nathalie Wessely; Fotos: Thommy Mardo / BB Promotion)

bmg_thommymardo_4214_3_klKurz-Infos:
Blue Man Group

Bewertung: @@@@
Bis 2.1.2011, Halle E+G, Museumsquartier Wien