uajo-michael-dominikAuch wer dem Jazz nicht den größten Teil seiner Platten- oder MP3-Sammlung gewidmet hat, wird seine Musik schon gehört haben. Michael Gibbs ist ein englisches Urgestein der Komponisten- und Arrangeursgilde und hat international für Stars auch in populäreren Gattungen geschrieben, darunter Whitney Houston und Peter Gabriel. Mit dem UAJO gastierte er im Porgy & Bess.

Michael Gibbs muss man nicht kennen. Aber man wird. Zumindest seine Musik.

Das Programm mit dem UAJO war klassisch gehalten. Big Band-Primärliteratur wie "Opus One" von Tommy Dorsey oder "Rockin' in Rhythm" von Duke Ellington standen auf dem Programm, sowie für das große Orchester adaptierte Werke von Charles Mingus, Thelonious Monk oder gar Keith Jarrett. Hört sich alles nicht aufregend an. War es aber. Zum einen klangen die Gibbs'schen Big Band-Arrangements besser als die Originalen, sowohl interessanter als auch gefälliger, zum anderen sind sie schwerer und dadurch auch für die Spezialisten unter den Hörern ein großer Genuss.

Routiniert und sauber

Der angegraute Brite mit Gentleman-Charme, der in seiner sanften Moderation nicht verhehlt werden konnte, bot den Solisten genug Raum, um sich auszutoben, jedoch nutzte dieses nicht jeder ideal. Manches war zu einfallslos, manches zu überdreht und mechanisch. Mit großer Sicherheit und Routine wurden die Einzelleistungen dennoch präsentiert, den Rang eines absoluten Profiorchesters konnte man zu keiner Zeit absprechen. Das Zusammenspiel überdies war großartig, die Anforderung an die Stimmen im Satz groß. Das Meistern dieses Programms verdiente Applaus. Gesonderten Beifall hätte auch die Bandvorstellung des Altsaxofonisten Christian Maurer verdient gehabt, artete sie doch in gelungener Art und Weise zu einem Ein-Mann-Kabarettstück aus. Ein wenig suboptimal verkaufte man die Sängerin Ali Gaggl. War der Rest des Orchesters perfekt ausgepegelt und für das Porgy & Bess zwar an der Grenze der Lautstärkezumutbarkeit (allerdings von unten) so konnten die Vokalstücke nicht den Effekt erzielen, den sie verdient hätten. Die Stimme war nicht zu leise, hob sich aber nicht klar kontrastiert über das Orchester. Wunderbare Nummern wie "It's only a paper moon" verpufften.

Swingen sollen andere

Ein Stück des Abends wurde in einer unveränderten Big Band-Version vorgetragen, der Standard "Lil' Darlin'". Ein Titel, der die Swing-Spreu vom Weizen trennt: Für solche Balladen ist das UAJO nicht gemacht. Rockigere, funkigere, explosivere und kraftvollere Musik liegt diesem Ensemble mehr. Doch mit dem Phänomen steht es nicht alleine da. Andere ebenso international anerkannte Orchester wie die WDR Big Band strampeln sich ebenfalls am Swing ab. Den beherrschen wohl nur die Amerikaner. So wie ausländische Ensembles keinen Wiener Walzer hinbekommen - wie die Klassiker berichten. Eines der letzten Stücke war dann ein Evergreen, wie er grüner kaum zu finden ist. Glenn Millers "In the mood" würde wahrscheinlich jeder kennen - vielleicht nicht mit Namen - auch wenn man in der Warteschlange vor einer Großraumdisko fragen würde. Eine so scharfe Version wie die von Michael Gibbs ist es aber Wert, sich diese Swing-Bierzelt-Nummer im Jazzclub anzuhören. Nicht zu weit vom Original entfernt, aber doch mehr als eine Umorchestrierung mit eingebauten Fallstricken. Alles in allem ein Abend für Big Band-Enthusiasten, die Modernes suchten aber nichts Avantgardistisch-Schwerhörbares. Anderen wäre es vielleicht auch zu laut gewesen. Doch die Zuhörer waren hart im Nehmen, spielen doch die meisten von ihnen, wie zu vernehmen war, selbst in einer solchen Formation. (Peter Baumgarten)

Kurz-Infos:
The Upper Austrian Jazz Orchestra & Michael Gibbs
Live am 17. September 2010 im Porgy & Bess (Wien)
Bewertung: @@@@

Die Besetzung:
Michael Gibbs: Arranger, Conductor
Ali Gaggl: voice

trumpet section:  
Andy Pranzl
Lorenz Raab
Herbert Walser
Manfred Weinberger
 
saxophone section:

Klaus Dickbauer
Franz Bachner
Christian Maurer
Christian Bachner
Thomas Kugi

trombone section:
Dominik Stöger
Robert Bachner
Hermann Mayr
Karl Wagner
 
rhythm section:
Martin Wöss piano
Christian Wendt bass
Primus Sitter guitar
Alfred Vollbauer drums