Der aus dem österreichischen Radkersburg stammende Hammond B3-Organist Raphael Wressnig hat längst den Status eines international anerkannten Musikers erreicht, spielt quasi überall in der Welt und sogar die Jazzmusik-Bibel Downbeat widmete sich bereits dem Musiker. Robert Fischer sprach mit Wressnig über das neue Album "Party Factor".
Kulturwoche.at: Hallo Raphael, super dass du auf deiner Tour kurz Zeit für ein Interview hast - wo bist du gerade? Raphael Wressnig: Hi Robert, ich bin gerade in San Javier in Spanien, da gibt's ein relativ großes und cooles Jazz-Festival. Vor uns spielt James Carter, um 23 Uhr bin ich mit meiner Band an der Reihe. Ich möchte mich dir über deine neue CD 'Party Factor' unterhalten. Was war das Konzept bei deiner neuen CD? Im Vergleich zu meinen früheren CDs, auf denen ich groovige Stücke mit jazzigem Material kombiniert habe, hatte ich dieses Mal nach mehreren Sessions eigentlich fast genug Material für zwei CDs, und wollte deswegen einen anderen Weg gehen. Deswegen habe ich mich dafür entschieden, auf die neue CD alles zu packen, was mehr groove-orientiert ist und einfach irgendwie 'Good-Time-Music' ist. Darum auch der Name 'Party Factor'. Die eher jazzigen Stücke werden dann am nächsten Album zu finden sein. Wer sind deine Begleit-Musiker auf 'Party Factor'? Es sind Leute, mit denen ich schon seit 2009 immer wieder arbeite. Ich habe schon vor einem Jahr mit diesem quasi erweiterten und großen Line-Up, also im Septett plus dem Percussionisten Luis Ribeiro und einem dreistimmigen Bläsersatz, live gespielt und dachte mir, das müsste man eigentlich auch einmal auf Platte bringen. Früher habe ich auf meinen CDs im Trio oder im Quartett, maximal im Quintett gespielt, aber diesmal wollte ich das Konzept mit den 'Horns' auf einer ganzen CD durchziehen. Einerseits sind das Leute, die aus der Blues-Ecke kommen, wie 'Sax' Gordon Beadle oder Alex Schultz aber auch waschechte Jazzer wie Craig Handy oder Harry Sokal. Das sind die Musiker, die meinen Tracks noch eine zusätzliche Note bzw. ein Schuss extra 'Sophistication' hinzufügen. Der erste Track auf 'Party-Factor' heißt witzigerweise 'Slivovitz For Joe'. Was hat es damit auf sich? Na ja, Slivovitz, das das ist der Schnaps, der gleichzeitig auch das Lieblingsgetränk von Joe Zawinul war. Meine Beziehung zu ihm ist, dass wir ein paarmal in seinem Jazz-Club 'Birdland' gespielt haben, daneben ist Joe Zawinul international immer noch einer der bekanntesten Jazzmusiker aus Österreich. Dazu kommt, dass ich öfters am Balkan auftrete und dort auch immer nach dem Essen den einen anderen Schnaps angeboten bekomme. So hat sich dieser Titel irgendwie angeboten, denn es ist ja quasi hochprozentiger Groove-Jazz bzw. Funk! Ein anderes musikalisches Vorbild von dir ist Billy Preston, jener Keyboarder, der u.a. bei den 'Let It Be'-Sessions der Beatles mitgewirkt hat, dann mit den Rolling Stones auf Tour war, und nebenbei noch als ein sehr gefragter Studio-Musiker galt. Was schätzt du an ihm? Mir gefällt einerseits der Gospel-Zugang von Billy Preston, weil er ja von der Gospel-Musik kommt und bei seinen Aufnahmen auch immer sehr viel Soul verbreitet hat. Alleine wenn man bedenkt, dass Billy Preston mit den Beatles gespielt hat, als ganz junger Bursche schon bei Ray Charles Orgel gespielt hat und dann auch noch bei Nat King Cole engagiert war, das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. So eine Biografie kann eigentlich sonst fast niemand vorweisen, und das alleine beweist schon, dass Billy Preston etwas ganz Besonders war. Was ich auch sehr bei ihm mag, neben seinem Soul, ist seine Effizienz. Er spielt gar nicht so komplizierte und ausgeheckte 'Lines', sondern sein Spiel ist relativ klar und überschaubar, aber unglaublich packend. Super wenige Noten, aber dafür die richtigen! Er konnte dich mit ein paar wenigen Noten sehr berühren. Auch den Stil seiner Solo-Platten aus den 70er Jahren mag ich sehr. Du hast ja schon in jungen Jahren mit der Musik begonnen bzw. spielst ja seit dem 16. Lebensjahr Hammond-Orgel. Hattest du ein spezielles Schlüsselerlebnis, warum du Berufsmusiker geworden bist? Eigentlich nicht, das hat sich einfach ergeben, weil ich immer schon gespielt habe und auch Konzerte gegeben habe. Irgendwann ist das dann so intensiv, dass man davon leben kann und dann ist es eigentlich eine logische Entscheidung und man sagt sich, wenn Musik das ist, was einem am meisten Spaß bereitet, warum sollte man dann noch versuchen, einen anderen Beruf zu lernen? Bei anderen Leuten ist es vielleicht so, dass man auf das hinarbeitet, genug Konzerte zu spielen, um davon leben zu können, bei mir hat sich das, weil ich schon in jungen Jahren damit begonnen habe, fast von alleine ergeben. Die vielen Tour-Dates auf deiner Website sind wirklich beeindruckend. Was sind die Vorteile, was sind die Nachteile, wenn man so viele Konzerte spielt und oft unterwegs ist? Die Vorteile sind, dass man viele schöne Plätze sieht. Ich reise auch privat sehr gerne, aber auch wenn ich etwas anderes als Musik machen würde, und einen supertollen Job hätte, könnte ich mir das sicher nicht so oft leisten. Als Musiker kommst du außerdem auch relativ leicht mit Leuten in fremden Ländern in Kontakt, schließt Freundschaften und lernst dann über diese 'Insider' die Länder ganz anders kennen, als wenn du nur als Tourist unterwegs bist. Das ist unbezahlbar, und diesen Aspekt genieße ich sehr. Der Nachteil ist, dass man selten zu Hause ist und es sich irgendwann abschminken muss, bei Geburttagen oder anderen wichtigen Anlässen von Freunden dabei zu sein. Das gestaltet sich alles anders. Aber wir Musiker haben ja auch mal ruhigere Zeiten, und man versucht dann halt die Freundschaften in diesen Zeiten mehr zu pflegen. Man sieht sich zwar nicht regelmäßig, aber wenn man sich sieht, dann ist es sehr intensiv. Du bist derzeit einer der wenigen Jazz & Blues-Musiker aus Österreich, der auch international sehr erfolgreich ist. Wie lautet dein Erfolgsrezept? Das hat sicher damit zu tun, dass ich schon relativ früh und in jungen Jahren mit international erfahrenen Leuten gespielt habe. Es gab da vielleicht auch ein paar Zufälle, aber ich habe z.B. schon mit 22 Jahren mit dem Blues-Gitarristen Larry Garner aus New Orleans zu spielen begonnen und bin mit ihm durch ganz Europa getourt. Da lernt man dann halt bald die nächsten Leute kennen. Ich glaube, für junge österreichische Musiker ist es oft schwer, aus Österreich herauszukommen. Österreich ist ein zu kleines Land, um großen Erfolg zu haben, das sieht man ja z.B. auch bei Joe Zawinul. In der Szene in Österreich gibt es halt auch gewisse Platzhirschen, die sich den Kuchen aufteilen und gewisse Strukturen, die es jungen Musikern schwer machen. Für mich hat es sich gut ergeben, weil ich immer schon viel im Ausland unterwegs war. Und wenn man im Ausland erfolgreich ist, werden dann umgekehrt auch die Medien als auch das Publikum im Inland auf einem aufmerksam. Das war bei mir ein ganz guter Kreislauf, der sich immer weiter nach oben geschraubt hat. So ist meine Popularität sowohl beim Publikum, der Presse und den Musikerkollegen kontinuierlich gestiegen. Diese Spirale hat mir sehr geholfen. Blues oder Jazz? In welchem Genre fühlst du dich wohler? Diese Frage wird mir relativ oft gestellt. Ich kann dazu nur sagen, dass ich mit meinen CDs immer versuche, in beide Richtungen zu gehen. Ich habe versucht, in regelmäßigen Abständen sowohl eine Jazz- als auch eine Blues-CD zu veröffentlichen. 'Party Factor' ist jetzt anders, das ist eher ein Konzeptalbum, da sind zwar ein paar Songs mit #bluesiger' Note dabei, aber sonst ist der gemeinsame Nenner der Groove. Das ist vielleicht ein gutes Konzept, um die Genres ein bisschen zu mischen und es sollte auf der neuen CD für jeden etwas dabei sein, sowohl für die Jazz- als auch für die Blues-Fans. Generell habe ich schon das Gefühl, dass das zwei deutlich verschiedene Märkte sind, mit ganz verschiedenem Publikum, das sich auch nicht unbedingt überschneidet. Ich habe mir meinen Zugang zu diesem Thema von den USA abgeschaut. Dort sind die Stilgrenzen nicht so eng gesetzt, da ist das eher ein Ganzes. Dort können auch die meisten Blues-Bands ganz passabel Jazz spielen und umgekehrt, das ist bei uns halt nicht der Fall. Ich versuche mit diesen zwei Genres immer ein wenig zu spielen bzw. mich einer klaren Einordnung in die eine oder andere Ecke zu entziehen. Vielen Musikliebhabern kommt es auch nicht so darauf an, ob sie jetzt Blues oder Jazz hören, und diese Menschen sind mir als Publikum eigentlich am liebsten. Letzten Endes sollte es auch ja eigentlich darum gehen, ob mich als Zuhörer die Musik anspricht, und nicht, welches Etikett sie trägt. Kannst du noch etwas über die verschiedenen Band-Projekte, in denen du derzeit involviert bist, erzählen? Ich spiele derzeit lose mit drei, vier Projekten. Da gibt's ein paar, die mehr in die Jazz- und ein paar, die mehr in die Blues-Richtung gehen, und ein bis zwei davon sind versteckt auch auf 'Party Factor' zu hören. Den Großteil der neuen CD bestreitet mein Septett, das unter dem Titel 'Raphael Wressnig's Party Factor' seit kurzem auch live auftritt. Mit diesem Septett, sprich in der Besetzung Orgel, Bläsersatz, Percussion und Gitarre werde ich im Herbst 2010 u. a. auch am 18.9. im Porgy & Bess zu hören sein. Dann gibt's noch das 'RW Organic Trio', das ein wenig jazzig ausgerichtet ist. Und zu guter Letzt gibt's auch das Blues-Project, von denen auch einige Mitglieder auf der 'Party Factor'-CD mit dabei sind. Ich glaube, mit der neuen CD ist es mir ganz gut gelungen, alle diese unterschiedlichen Projekte auf einem Tonträger zu vereinen. Dann gibt's noch ein bluesiges Projekt mit dem Enrico Crivellaro, mit dem habe ich auch schon mehrere Sachen gemacht, z.B. haben wir letztes Jahr eine Live-DVD und CD ["Live At The Off-Festival"; Anm.] veröffentlicht. Das sind im Großen und Ganzen alle Projekte, die unter meinem Namen laufen. Du kommst ja auf deinen Touren sehr viel herum, angefangen von ganz Europa, über Nordafrika, Asien, den mittleren Osten bis hin zur Karibik. Bemerkst du große regionale Unterschiede, wie das Publikum auf deine Musik reagiert? Es gibt auf jeden fall Unterschiede. Es gibt Länder, wo man öfter mit den Jazz-Geschichten auf Tour ist bzw. in anderen Gegenden kommen meine Blues-Projekt besser an. Interessant ist auch, dass ich in Österreich mit den Jazz-Projekten mehr Erfolg habe als mit Blues. Dafür kommen die Blues-Projekte z.B. in Deutschland und Frankreich besser an. Schon irgendwie schräg. Was dazu kommt, sind natürlich auch die unterschiedlichen Locations, in den ich auftrete. Es gibt Events, wo eher ein gesetzteres Publikum kommt, und es gibt andere Locations, wo eher ein junges Publikum da ist. Also kann man es ein bisschen am Alter festmachen, trotzdem gibt es natürlich schon regionale Unterschiede. Je östlicher bzw, südöstlicher, desto feuriger ist das Publikum. In Spanien oder Italien ist das Publikum witzigerweise, obwohl man das vielleicht nicht erwarten würde, relativ ruhig oder verhalten. Holland und Belgien sowie Skandinavien und der ganze Norden sind in der Regel ziemlich ausgelassen. Natürlich kann man das nicht verallgemeinern, aber das sind so Aspekte, die einem auffallen. Vielleicht könnte man sagen, je nördlicher oder je absolut südlicher man geht, desto ausgelassener wird's. Ich würde das sogar auch ein wenig mit der Küche vergleichen: ganz unten im Süden gibt's eine ganz tolle Küche, und ganz im Norden gibt es auch sehr interessante Gerichte, während dazwischen... - na ja, das ist vielleicht ein unpassender Vergleich, aber es kommt hin. Ein wichtiger Faktor ist natürlich auch, wie oft die Menschen in der jeweiligen Gegend (westliche) Musik schon zu hören bekommen. Ich war z.B. schon oft und ausgiebig in der Türkei unterwegs und da ist es halt was ganz Besonderes, wenn es Live-Musik bzw. ein Festival gibt. Und bei uns hört man das quasi schon tagein, tagaus. In jeder Stadt gibt es unzählige Konzerte, die man besuchen kann. Das Publikum ist manchmal schon etwas übersättigt. Wie lauten deine Zukunftspläne? Ich werde versuchen, intensiv mit der neuen Formation zu touren. Bis jetzt war ich ja doch eher mit kleineren Bands unterwegs, und da ist es schon eine tolle Herausforderung, so eine größere Band auf die Bühne zu bekommen. Sowohl musikalisch als auch organisatorisch und ich hoffe, mutige Veranstalter zu finden, dich sich darauf einlassen. Anderseits ist ja, wie ich schon eingangs erwähnt habe, bei den verschieden Sessions für 'Party Factor' genug Material für eine weitere CD entstanden. Das Follow-Up, das eher in die jazzige Richtung geht und so eine Art 'Late Night'-Flair hat, ist prinzipiell schon fertig. Das wird dann irgendwann 2011 erscheinen. Danke für das Gespräch! (Das Interview führte Robert Fischer)
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