mit den Schlagworten:

ray-davis-kinks-choralThe Kinks sind eine Band aus einer Zeit, als man keine polierte Stimme und super Aussehen brauchte um ein Publikum zu finden, sondern "lediglich" musikalische Kreativität, Melodien und - siehe Beatles - vielleicht einen Bekannten mit einem Schlagzeug. Sie stammen aus der "Gründerzeit der Popmusik". Deswegen werden ihre Songs sie sicher überleben.

 

Hmm. Wann war Erfolg also schwieriger, zur Zeit der Gründung der britischen Gruppe, 1964, oder heute? Musikalische Kreativität kann man schließlich nicht erwerben, Melodien zaubern sich nicht antrainieren. Nur die Sache mit dem Schlagzeug lässt sich organisieren. Will man heute aber ins Musik-Business braucht es derlei Qualitäten nicht, dafür andere: Gutes Aussehen (eher käuflich als Musikalität), motorische Begabung, Öffentlichkeitswirksamkeit (PR-Skills klingt da gut) und - da dürfen uns die Castingshows nicht verblenden - eine gute Stimme. Die hat Ray Davies, Leadsänger der Kinks, nicht wirklich. Das wirkt nicht nur auf dem 2009er-Album so (da war er immerhin schon 65 Jahre alt), auch auf den alten Aufnahmen. Bei John Lennon und Paul McCartney war das aber nicht anders. Wie die Davies-Brüder waren sie geniale Songschreiber, die ihre Lieder auch noch (wie unerhört!) selbst vorgetragen haben. Dass musikalisches und dichterisches Genie und einzigartige Interpretationsqualität in Personalunion auftreten ist nun mal so selten wie ein Satz Winterreifen im Death Valley.

Deswegen ist ja die Musikindustrie heuer wie sie ist: Arbeitsgeteilt. Es gibt Produzenten, Texter und Interpreten. Der eine komponiert, arrangiert und instrumentiert, kümmert sich also um die Musik, der nächste belegt die Klänge mit Worten und der letzte "performt" schließlich, d.h. singt und/oder spielt, tanzt und "promoted", sprich verkauft mit seinem Gesicht und seiner "personality". In jedem Fach den Besten und das Hitpotential ist größer, der Erfolg scheinbar skalierbar. Dies wird ganz selbstverständlich hingenommen, sowohl von Machern als auch dem Publikum. Die sogenannten Künstler posaunen geradezu hinaus, wer sie "produziert habe", allenfalls beim Text, den man wohl in der Branche für wertiger und persönlicher als die Musik erachtet ziert sich der eine oder andere zuzugeben, er habe jemanden, der das für ihn erledige. "Für das nächste Album schreibe ich die Songs selbst", hört man allenthalben und hat es so zu verstehen, dass die Texte dann vom Interpreten teilweise mitgestaltet werden.

Britpop goes Musical

Ganz anders eben noch bei den Kinks. Die Pioniere des Britpop haben alles selbst gemacht und ich meine das auch jetzt noch in diesem Album, das überdies kein echtes Bandalbum ist, sondern ein Solo-Projekt von Ray Davies, anhand der Begeisterung des Sängers für die eigenen Songs zu bemerken. Wie der Untertitel "Classic Kinks songs as you've never heard them before" sagt: Oldies in neuem Gewand. Genauer gesagt im Chorhemd. Dieser Chor baut auf, ist Harmonieinstrument und oft Duettpartner. Deshalb klingt beinahe das ganze Album wie der Urahn des High School Musicals: Grease. Ich sehe förmlich John Travolta und Olivia Newton John beim Hören vor mir. Manchmal klingt es auch ein bisschen Queen-haft, wenn auch nicht so polyphon und eigentlich nur bei "The Village Green" wird das Großaufgebaut an Stimmen so eingesetzt wie man es von ihm in den letzten 2000 Jahren vornehmlich gewohnt ist: Gotteshäuslich mystisch, alsbald aber heidnisch wie der "Hogwarts"-Schulchor. Die Liste der Kinks-Hits ist schier unendlich (jedoch verbindet man sie nicht so selbstverständlich mit einem Bandnamen - leider wurden sie nie zur Marke von Beatles- oder Rolling Stones-Größe - wie das bei den schon genannten Kollegen aus Liverpool der Fall ist), vielleicht finden deshalb auch nicht alle auf diesem Album Platz. Die größten wie "Lola", "Dandy" oder "Sunny Afternoon" fehlen. Andererseits: Wer weiß, ob sie so konzepttauglich gewesen wären. Mehr hätte ich mir dennoch gewünscht, da dieses Album beim ersten Hören schon gefällt und beim mehrmaligen die Freude daran noch wächst.

Manch einer wird nicht unberechtigterweise fragen: "Ist das kein Versuch mit wenig Arbeit nochmal schnelles Geld zu verdienen?" Ich glaube so ein Album ist in der Downloadzeit sicher mehr Risiko als sicheres Pferd, wenngleich die Fans von früher ja mitgealtert sind und arriviert und eher bereit, Geld auszugeben für ihre Stars von gestern. Abseits von solchen Überlegungen sind es die Stücke schlicht wert, noch einmal gehört zu werden. Und das geht ja nicht mit einer nur bunten x-ten Best-of-Edition mit Gratis-DVD. Da ist diese wirklich neue Präsentation nicht nur innovativ, musikalisch wertvoll, sondern schlicht schön. (Peter Baumgarten)

CD-Tipp:
Ray Davies: The Kinks Choral Collection
Musik: @@@@
Klang: @@@@
Label/Vertrieb: Decca/Universal (2009)