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robin-mckelle-by-lucille-reSängerin Robin McKelle, die rothaarige Frau mit der rauchigen Stimme, gastierte am 22. März 2010 im Porgy & Bess und präsentierte dort ihr aktuelles Album "Mess Around".

 

"Revivals gab es zu jeder Zeit und überall - auch im Jazz. Und eine Vertreterin des Neo-Swing haben wir heute Abend hier zu Gast." So wurde uns sinngemäß Robin McKelle von Christoph Huber, dem Leiter des Porgy & Bess, vorgestellt. Wer Ihre beiden letzten Alben mit Big Band kennt, muss ihm da Recht geben. Nicht zuletzt der Titel der 2008 veröffentlichten Platte ist bezeichnend: "Modern Antique". Unter diesem Vorzeichen kam die Amerikanerin also nach Wien. Jedoch ohne großes Orchester - was für sich schon alles über den Haufen geworfen hätte. Aber sie auch klang anders aus gewichtigerem Grund.

Im Westen nichts Neues?

Zum ersten Stück betraten die Bühne Sam Barsh (Tasteninstrumente), Essiet Essiet (Bass) und Mark McLean (Schlagzeug) - die Instrumentalisten des Quartetts. Als klassisches Trio also eröffneten sie den Abend und legten die Messlatte enorm hoch. Einfache Melodien wurden exponiert und wuchsen sich aus in melodische und rhythmische Exzesse, Gerades wechselte sich mit Swing ab, ausschweifend kehrte zurück zu schüchtern und jeder der drei zeigte auch gleich solistisch, dass er mehr kann, als nur einer Sängerin ein Fundament geben. Es war die Essenz eines Jazztrios, keine Avantgarde, das ganze Spektrum abdeckend von gefällig bis fordernd - und alles mit einem Enthusiasmus, als sei es bereits das letzte Stück des Abends.

robin-mckelle-mess-around-0Nun aber zur Hauptdarstellerin. Die rothaarige Frau mit der rauchigen Stimme kam großzügig weiblich daher und erinnerte mit Frisur und Gesicht an eine Amy Winehouse aus gesunden Tagen. Wie man dann zur Verwunderung feststellen konnte, nicht nur in Erscheinung und Stimme, sondern auch im Musikstil. Kein "Bei mir bist du schön" oder "On the sunny side of the street" - lupenreiner Soul wurde gespielt! Der Pianist wechselte bald zu Orgel und Harmonika, der Mann für die tiefen Töne griff zum E-Bass und nach wenigen Stücken bekannte sich auch die Chefin verbal zum Umschwung: Sie wende sich jetzt eher Ray Charles und Nina Simone zu, was sich auch in ihrem neuen Album [RCA/Sony, 2010; in Österreich noch nicht im Handel erhältlich; Anm.] mit dem wiederum bezeichnenden Titel "Mess Around" niederschlage. Aus Titeln dieser Platte bestritt sie größtenteils den Abend.

Ob das den einen oder anderen Zuhörer irritierte? Jedenfalls blieben nach der Pause einige Plätze unbesetzt. Ob der Umschwung von ihr selbst ausging oder von einer Plattenfirma? Man wird es nicht erfahren. Muss ein Künstler sich ständig neu erfinden? Ist es nicht besser eine Marke zu werden und zu bleiben oder ist Stillstand tatsächlich Tod? Fragen, so alt wie die Kunst selbst, müssen den Zuhörer aber nicht interessieren. Wie mir eine Pausenbekanntschaft bestätigte: "Is eh wurschd solang's gfollt!" Richtig, denn es gefiel. Und wie. Die, die blieben, blieben nicht ruhig. Auf Tischen, Sesseln und Schenkeln wurde getrommelt, Finger schnippten und Köpfe folgten dem Groove.

Besonders herauszustellen ist die Nummer, die das erste Set beendete: Nach Soli der Herren (immer ein Highlight der bewegungsaffine Mann an den Tasten) bot  die 34-jährige Amerikanerin eine eindrucksvolle Scat-Einlage, bei der nach und nach die Band ausgedünnt wurde, um kurz vor einem vermeintlichen Ende wegen "voluminöser Unterzuckerung" wieder anzuschwellen und ein regelrechtes Feuer zu entfachen. Wer bis dahin glaubte, so toll singt die gar nicht, ward eines Besseren belehrt. Spätestens hier hatte sie das Publikum - und zwar heiß gemacht auf den zweiten Teil. In dem ging es weiter mit Rhythm'n'Blues, Funk, Soul und bekannten Stücken wie z.B. der Etta James-Nummer "I just wanna make love to you", die durch einen Cola-Werbespot ihr höchstpersönliches globales Revival fand. Auf der anderen Seite die Ballade "Angel", weniger Gegenstück als vielmehr abrundendes Element eines Programms in bester Motown-Tradition. Oft musste ich ob der Stimme, die nicht kratzt, eher grob samtig ist, an Aretha Franklin denken, Robin McKelle singt nur ein wenig tiefer. Und im Grunde steht ihr diese Musik besser als die, die sie bekannt gemacht hat. Ein ironischer Umstand.

Endgültig verabschiedet wurde das Publikum nach einer Zugabe, die es nur unter der Prämisse gab, dass es aufstehe, weil so langes Sitzen doch sehr anstrengend für den "Butt" sei. Quasi unfreiwillige Standing Ovations mit manipulativer Absicht, denn die Zuhörer wurden eingespannt als Aktivisten eines Gospel-Gottesdienstes, wurden Gemeinde und Chor, antworteten ekstatisch ihrer Vorsängerin und hatten mächtig Spaß dabei. Das Konzert war in erster Linie mitreißend; abwechslungsreich und doch so homogen, wie es auch ein wirklich gutes Album sein sollte. Natürlich mit den solistischen Spitzen, die es für das Easy-Listening zuhause nicht braucht und die dort auch eher befremdlich wirken würden. Man hatte nicht das leidige Gefühl, jemand versuche hier auf Biegen und Brechen etwas Neues zu schaffen, obwohl ja nicht einfach nur nachgesungen, sondern in Anlehnung neu interpretiert wird. Die Vorhersage behielt also in einem Punkt Recht: Robin McKelle ist eine Revival-Künstlerin. Persönlich hoffe ich, sie geht nicht allzu schnell weiter und schwingt sich in zwei Jahren auf ein Disco-Pferd. Zwar auch keine schlechte Musik. Aber die würde ihr nicht stehen. (Text: Peter Baumgarten; Foto: Lucille Reyboz)

Kurz-Infos:
Robin McKelle live am 22.3.2010 im Porgy & Bess
Bewertung: @@@@@

Die Besetzung:
Robin McKelle (vocals)
Sam Barsh (piano, keyboards)
Essiet Essiet (bass)
Mark McLean (drums)