"Seine Klarinette spricht zu mir und hat all die reichhaltigen Gefühlsregungen einer verbannten Seele." (Isaac Bashevis Singer)
"Eine Melodie zu sprechen, das heißt die Wahrheit sagen." (Giora Feidman)
Dance of Joy heißt es am 7. August 2005 im Theater an der Wien, wenn der wenn der berühmteste Klarinettist der Welt im Rahmen von Klangbogen Wien zu einem intim besetzten Konzert aufspielen wird.
Giora Feidman ist ein Klezmer der vierten Generation. Bereits sein Vater, Großvater und Urgroßvater machten vor ihm Musik auf Hochzeiten, Bar Mizwas und an Feiertagen hinter den verschlossenen Toren der Ghettos in Mitteleuropa. Mit 20 spielte Giora Feidman bereits als erster Musiker in der Israel Philharmonic, gleichzeitig übernahm er die Professur für Klarinette an der Universität Tel Aviv, wo er mit Entsetzen herausfand, dass praktisch keine jüdische Musik in Israel existierte. Er begann mit der Erforschung der Tradition und Kunst des Klezmer und widmete sich der Interpretation der neuen und alten Musik der jüdischen Seele und des jüdischen Geistes, in dem er alte liturgische Gesänge und traditionelle Volksweisen aufstöberte und dafür eigene Transkriptionen für Klarinette schrieb. Daraufhin formierte er das Giora Feidman Trio und brachte seine neuarrangierte, mit Improvisation durchsetzte, jüdische "Soul Music" in die Konzerthallen Europas, den USA, Südamerika, Japan und Australien. In seiner kosmopolitischen Spielweise lebt Feidman unterschiedlichste Einflüsse aus und klingt dennoch unverwechselbar. "Ich brauche die Klarinette, um mich auszudrücken, um meine innere Stimme auf andere zu übertragen", erklärte Feidman in einem früheren Interview. "Ein Nigun ist mehr als eine Melodie; es ist eine echt allumfassende Möglichkeit zur Verständigung. Es ist die Sprache der Seele. Im Judaismus wird ein Rabbiner einen Klezmer nie bitten, einen Nigun zu spielen. Er wird ihn bitten, einen Nigun zu sprechen. Eine Melodie zu sprechen, das heißt die Wahrheit sagen." Er entfesselt Gefühle, die so alt wie die Steine der Klagemauer sind
Den wohl endgültigen Durchbruch, was weltweiter Bekanntheitsgrad und Stardom betrifft, schaffte Giora Feidman mit der Filmmusik zu Steven Spielbergs "Schindlers Liste". Spätestens seither wird er als "King of Klezmer" tituliert. Nicht zu Unrecht, denn Feidmans Solokarriere steht in engem Zusammenhang mit dem Klezmer-Revival der achtziger Jahre, was sich auch in den Verkaufszahlen widerspiegelt: Er wird so sehr mit jüdischer Musik identifiziert, dass neunzig Prozent aller verkauften Klezmer-CD's Feidman-Alben sind. Diese Identifikation überträgt sich natürlich auch in seine Konzerte, die zum Medium eines neuen Dialogs zwischen Juden und Nichtjuden wurden. Und Leonard Bernstein beschied ihm: "Er überbrückt viele Klüfte zwischen Generationen, Kulturen und sozialen Unterschieden. Und er tut all dies mit musikalischer Vollendung." Mit dieser Aussage traf der Dirigentenstar ins Schwarze, denn Giora Feidman ist kein Klezmer-Purist, vielmehr interessieren ihn fließende Übergänge, Kombinationen und Gemeinsamkeiten divergierender Musikkulturen. Der Klarinettist schuf einen unverwechselbaren "Yiddish Soul", indem er das osteuropäische Klezmer-Repertoire mit Swing und Blues, sowie Tangorhythmen melangiert. Seine Klarinetten säuseln, jauchzen, jubilieren, jazzen improvisationenhaft, klezmern klassikhaft und bringen alle Sehnsüchte des Herzens zum Vorschein. Traurige Lieder aus dem Ghetto von Wilna stehen genauso am Programm wie Niguns und Dudeles, fröhliche Volksweisen und Freilachs über Schwiegermütter. Eins ist allen von Feidman interpretierten Liedern beschieden: Er entfesselt Gefühle, die so alt wie die Steine der Klagemauer sind. Noch einmal Feidman: "Mein Vater versuchte immer, mir zu erklären, was wir unter einem Künstler oder Musiker in der Gesellschaft verstehen. Der Gesellschaft zu dienen. Du bist Mittel für die Klänge, die Musik, die Liebe." (Manfred Horak; 2005)
CD-Tipps:
Giora Feidman - Soul Chai; In Jerusalem; Concert for a Klezmer; The Magic of the Klezmer (jeweils Pläne Rec.).
Buchtipp:
"Feidman: The Magic of Music" - Bildband von Alexandra Vosding (Umschau/Braus-Verlag, ISBN-Nr.: 3-8295-6819-3)
Konzert-Tipp:
Giora Feidman spielt am 7. August 2005 live im Theater an der Wien (Beginn: 20 Uhr)