Gottfried Gfrerer, international
anerkannter Slide-Gitarrist aus Kärnten, veröffentlichte 2009 die exzellente Solo-CD "Scoop & Run". Im Gespräch mit Robert Fischer erzählt der Musiker über seine ersten musikalischen
Gehversuche, welche Gitarristen sein Spiel beeinflusst haben und warum seine
kleine Wohnung im 16. Bezirk unter Musikerkollegen aus aller Welt schon Legenden-Status hat.
Kulturwoche.at: Ich habe gehört, dass du mit 8 Jahren Klavierunterricht genommen und da auch schon eigene Lieder geschrieben hast?
Gottfried Gfrerer: Ja, aber das
war einfach der reguläre Klavierunterricht. Man musste sich damals zwischen
Klavier und Gitarre entscheiden und ich habe mich für Klavier entschieden. Das
hat mir einfach vom Klang gefallen. Erst später bin ich draufgekommen, dass das
nicht ein mobiles Instrument ist, aber es hat mir irrsinnig getaugt einfach
herum zu probieren und mit den Harmonien zu spielen. Die Lieder die ich damals
komponiert habe, waren ohne Text, das waren einfach Melodien. Die Noten waren
damals nicht unbedingt das meine. Das hat dann immer so geendet, dass mir der
Klavierlehrer etwas vorgespielt hat und ich es anstatt vom Blatt nach Gehör nachgespielt
habe. Aber das war schon gut, denn ich habe natürlich später schon Noten
gelernt, und dadurch so ein Grund-Harmonieverständnis bekommen. Ich denke auch
heute noch in Klaviertasten, bei der Gitarre wüsste ich das nicht so auswendig.
Da habe ich einen anderen Zugang. Ich spiele aber auch heute noch meistens nach
Gehör. Warum bist du dann später auf die Gitarre umgestiegen? Meine Schwester hat einmal zu Weihnachten eine Gitarre geschenkt bekommen, hat aber darauf wenig gespielt, und so habe ich das Instrument in Beschlag genommen. Zu der Zeit war ich 12 oder 13. Ich habe mir dann alle Akkorde selbst beigebracht bzw. auf der Gitarre zufällig gefunden, also diese klassischen Akkorde wie D, C, E, A oder G. Teilweise spiele ich deswegen die Akkorde heute noch anders, als es in den Schulbüchern steht. Beim Finden der Akkorde haben mir die Vorkenntnisse vom Klavier sehr geholfen. Eine Zeit lang habe ich dann noch beides gemacht, aber mit 18 habe ich dann mit dem Klavier spielen komplett aufgehört. Dass hat auch ganz banal damit zu tun gehabt, dass ich mit 18 nach der Matura von Kärnten nach Wien gezogen bin und dort dann kein Klavier mehr zur Verfügung hatte. Wie hast du dich dann musikalisch weiterentwickelt?
Eigentlich wieder durch meine
Schwester! (lacht) Sie hat sich damals bei irgendeinem Versand Kassetten
bestellt, u. a. Alben von Donovan und 'Sounds Of Silence' von Simon &
Garfunkel. Von diesen Kassetten habe ich mir Songs wie 'Anji' von Davy Graham
oder 'April come she will' von Paul Simon runtergehört, weil mir das gefallen
hat. Paul Simon war damals sehr stark von der Folk-Music aus England
beeinflusst. Die Songs habe ich bei mir am Klo geübt, weil es da so einen
schönen Hall gehabt hat. Und damit es genauso klingt wie auf der Kassette, habe
ich beinhart auf meine Klassik-Gitarre harte Stahlsaiten aufgezogen! (lacht) Die
Gitarre hat es überlebt, die habe ich heute noch. Wer ist Werner Lämmerhirt? Das ist ein deutscher Fingerpicking-Gitarrist, der mit seinem Spiel wiederum ganz stark Peter Ratzenbeck und viele andere beeinflusst hat. Zu dieser Zeit war Werner Lämmerhirt Deutschlands Fingerpicker No. 1, quasi der 'Vater' des deutschen Gitarrenspiels auf Stahlsaiten. Es war damals schwer, von ihm in Kärnten Platten zu bekommen, aber da hat mir wieder ein Freund ausgeholfen. Er hatte einen super Groove, das war fast unkopierbar. Zwischendurch hatte seine Karriere einen ziemlichen Knick, als er Probleme mit seinen Fingern bekam, aber das hat sich gebessert, er fing an deutsche Texte für seine Songs zu verfassen, und ist heute noch aktiv. [2007 veröffentlichte Lämmerhirt das wunderbare Album „Harte Zeiten“ im Vertrieb von Brokensilence; Anm.] Bist du zu dieser Zeit dann auch mit dem Blues in Berührung gekommen?
Ja, den Blues habe ich durch Hans
Theessink kennengelernt. Vor allem den richtig alten Blues. Als ich in Wien
studierte, kaufte ich mir zwei Platten von Big Bill Broonzy und Blind Willie McTell und da hatte ich ein
großes Aha-Erlebnis. Mich hat das in erster Linie weniger an Blues, sondern an
Heinz Rühmann erinnert! (lacht) So von der Art. Damals war es einfach so, dass
der Blues, wie ihn die Wiener Musiker gespielt haben, und der Blues, den man
auf den alten Aufnahmen gehört hat, zwei ganz verschiedene Paar Schuhe waren.
Deswegen war ich so verwundert, als ich mir dann einmal diese alten Aufnahmen
angehört habe. Technisch habe ich am meisten von Big Bill Broonzy gelernt.
Blind Willie McTell-Nummern waren einfacher zu spielen, aber Big Bill Broonzy
war ein wahrer Virtuose auf der Gitarre. Ihm habe ich eigentlich den Großteil
meiner heutigen Technik zu verdanken. Auf den ich wiederum eben durch Hans Theessink
gekommen bin.
Stimmt die Story, dass du damals schon Aufnahmen gemacht hast und an alle großen Plattenfirmen verschickt hast? Ja, da ich war ich ungefähr 22. Ich habe mir ein simples Aufnahmegerät gekauft und meine Stücke zuhause aufgenommen. Zuhause aufzunehmen ist herrlich, das ist ja jetzt auch wieder groß in Mode. Ich bin das damals total naiv angegangen. Das erste Stück der Kassette war von Blind Willie McTell, 'Ain't It Grand To Be A Christian', es war auch was von Big Bill Broonzy dabei, aber auch schon einige eigene Nummern. Ein Freund hat mich dann ermutigt und ich habe eine richtige Massenaußendung an alle wichtigen Plattenfirmen gemacht. Und obwohl ich eigentlich überzeugt war, solche Demos landen sowieso nur im Mistkübel oder das läuft so wie im Film 'Freispiel', als Alfred Dorfer, der eine Demo-Kassette zugesteckt bekam, zu Roland Düringer sagt: 'Das höre ich mir einmal in einer ruhigen Minute an' (lacht). Trotzdem bekam ich doch immerhin einige Absagen zugeschickt. Teilweise wurden meine Aufnahmen auch gelobt. Von Sony bekam ich die Rückmeldung: 'Das gefällt uns sehr gut, aber solange Ö3 die österreichischen Interpreten boykottiert, können wir so etwas nicht produzieren!' Ich dachte mir: 'Okay, immerhin bekomme ich ein konstruktives Feedback von den Firmen.' Damals war es auch noch sauteuer, eine Schallplatte aufzunehmen. Es alleine, ohne Unterstützung zu bewerkstelligen, war eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Ohne Produzent ging es nicht. Mit dem Auftauchen der CD ist die Sache billiger geworden. Du hast dich In der Zwischenzeit aber immer mehr zum gefragten 'Sideman' für viele Kollegen [u. a. Hans Krankl, Andre Heller, Monti Beton, Faschings Kuchlradio, Landluft; Anm.] entwickelt und bist immer mehr in die Szene hineingewachsen, richtig? Ja, ich hatte das Glück, dass ich immer wieder interessante Angebote bekommen habe, denn für mich selbst Auftritte zu keilen, war noch nie meine Stärke. Witzigerweise habe ich mich selbst nie als „Sideman“ gesehen. Ich dachte eigentlich, meine eigenen Sachen sind eh bekannt, aber das ist doch manchmal ein Trugschluss. Jetzt kennen mich halt viele Leute von den verschiedenen Projekten, wo ich mitspiele. Zusätzlich habe ich bei manchen meiner eigenen Songs das Problem, mir den Text zu merken, und dann habe ich bei Konzerten aus Verlegenheit halt einen Blues gespielt. Es gibt dazu ein super Zitat von Wizz Jones, auch ein toller Gitarrist: 'I was playing everybody else's songs, because they were easier to learn than mine.' Aber das will ich ändern und möchte mich wieder verstärkt meinen eigenen Sachen widmen. Wie lange hast du an deinem neuen Album 'Scoop & Run' gearbeitet? Zwei Jahre hat es gedauert, das Material für diese CD zusammenzutragen, die Aufnahmen dauerten dann nur zwei Tage, abgesehen von den Gastbeiträgen von Freunden wie Hans Theessink, Gerry Schuler, Klaus Pérez-Salado oder Dakota Dave Hull, die dann noch dazu gespielt haben. Aufgenommen wurde 'Scoop & Run' [2009; Buntspecht; Anm.] hauptsächlich in Wien im Studio von meinem alten Freund Erich Spitzer, der meiner Meinung nach, was Akustik-Aufnahmen betrifft, in Österreich der Beste ist. Er hat auch mitproduziert. Dakota Dave Hulll hat seinen Beitrag in Minneapolis aufgenommen. Besonders stolz bin ich auf den Beitrag von Hans Theessink bei der Nummer 'Western Town', er hat für die Aufnahme eine alte, sehr wertvolle Mandoline verwendet. Wer ist Dakota Dave Hull, ich habe noch nie von ihm gehört? Dakota Dave Hull ist ein Gitarrist und 'Musician's Musician' aus den Vereinigten Staaten, der auf sehr vielen Produktionen berühmter Kollegen mitgespielt hat, aber über die Musiker-Szene hinaus nie sehr bekannt geworden ist. Dave spielt klassische amerikanische Fingerstyle-Gitarre. Er war z.B. auch ein enger Freund von Dave Van Ronk, hat aber auch schon mit Leuten wie Utah Phillips gearbeitet. Im Frühjahr 2010 wird er auf Tour nach Europa kommen. Außerdem ist er wie ein wandelndes Lexikon, was alte Gitarren aus den USA der letzten 50 Jahre betrifft. Dakota Dave Hull hat selbst eine gigantische Sammlung alter Instrumente zuhause. Für Scoop & Run“ habe ich einen Song von mir geschickt, den wir schon einmal bei einem gemeinsamen Konzert gespielt haben, und er hat seinen Part bei sich zuhause im Studio dazu aufgenommen. Für so was ist das Internet großartig! Erzähle doch noch etwas über das neue Stück 'Don't Touch My Precious Plastic Bags'! Das erinnert ja ein wenig an Marcel Prawy? Der Song hat mit vielen Sachen zu tun. Zum einen stammt er aus der Zeit, als ich einige Duo-Konzerte mit Andi Fasching gemacht habe. Er hatte einen absolut schrägen Song mit der Textzeile 'Jo, da sitze ich zuhause mit der Pumpgun und den Plastiksackerln'. Das ist irgendwie bei mir hängengeblieben und hat mich nicht mehr losgelassen. Die nächste Assoziation war dann Marcel Prawy, den ich einmal zufällig getroffen habe, in einem Caféhaus im 4. Bezirk, und er hatte tatsächlich Plastiksäcke mit! Und das dritte war meine eigene Wohnung. Da ist es oft sehr chaotisch zugegangen, und alles war in Plastiksäcken verpackt. Trotzdem habe ich immer wieder Musiker aus aller Welt zu Besuch gehabt, die nach ihren Konzerten in Wien bei mir übernachtet haben, und von den Plastiksäcken fasziniert waren. Das ist so weit gegangen, dass US-Gitarrist Woody Mann, als ich ihn einmal vom Flughafen abgeholt habe, gesagt hat, er will sofort meine Wohnung sehen, denn er hat von den Kollegen schon so viel darüber gehört! (lacht) Unter Musikern war meine Wohnung also schon Legende. Das alles hat dann zu dem Song geführt. Seit einiger Zeit entwirfst und baust du Gitarren auch selbst? Wie kam es dazu? Instrumentenbau hat mich immer schon interessiert. Ein verstorbener Freund von mir, Roland Kogler, hatte seine Werkstatt in der Nähe meiner Wohnung. Jeden Tag am Vormittag, wenn er in seine Werkstatt ging, hat er mich zu einem Kurzbesuch mitgenommen. Ich habe dann in seiner Werkstatt Gitarre gespielt und ihm bei der Arbeit zugeschaut. Durch ihn habe ich sehr viel über die Hölzer und die ganzen Techniken zur Bearbeitung erfahren. Ich hatte schon lange den Traum, einmal selbst eine Resonatorgitarre zu bauen, und nach dem Tod meines Freundes habe ich dann angefangen, diesen Traum im Do-It-Yourself-Verfahren, ganz ähnlich wie ich mir damals selbst das Gitarrespielen beigebracht habe, umzusetzen. Ich habe mich damit beschäftigt, wie die alten Resonatorgitarren der Firma National (USA) aus den 1930er Jahren gebaut wurden. Zusätzlich habe ich alte Gitarren restauriert, wobei ich mich teilweise an Fotos orientiert habe. Mit der Zeit habe ich mich immer mehr verbessert und dann schlussendlich meine erste Resonatorgitarre selbst gebaut. Mittlerweile baue ich regelmäßig Gitarren, in erster Linie für mich selbst, aber auch für Freunde. Verdienen kann man damit nichts, aber es ist ein schönes Hobby.
(Text und Fotos: Robert Fischer)
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