Da mein Herz seit guten 30 Jahren für afrikanische Musik
schlägt, und ich Baaba Maal irgendwann in den späten 1980er Jahren in Senegal, sowie
1995 beim WOMAD in Reading erleben durfte, waren meine Erwartungen sehr hoch und
wären fast enttäuscht worden - aber eben nur fast. Das Porgy glich an diesem
Abend einem der angesagten Live-Clubs in Dakar, und ein Gutteil des Publikums
gehörte der senegalesischen und malinesischen Community Wiens an. Die Frauen
eine absolute Augenweide, viele in traditionelle Boubous und farbenprächtige
Ndockette gewandet, viele Männer ebenfalls in edlem oder extravagantem Zwirn
und alle in ausgelassener Stimmung, war doch einer ihrer großen Söhne zu Gast in
der neuen, kalten Heimat.
Wie ein wild
gewordener Hornissenschwarm
Wie viele seiner Shows wurde auch dieser Abend sitzend und akustisch eröffnet,
galt im allerersten Teil seinem umstrittenen neuen Album "Television", und hier
lag auch der Hund begraben. Diese ersten drei Nummern wurden absolut lustlos
heruntergenudelt, Baaba Maal selbst stand meist eher verloren im Abseits und,
unglaublich aber wahr, der Meister der glasklaren Stimmwelten sang zeitweise
derart falsch, dass ich - in der ersten Reihe stehend - gerade zur Bar gehen
wollte, als er mit einem Kopfnicken der Band und dem Stagemanager ein Kommando
gab, was scheinbar soviel wie einen Trompetenstoß zum Angriff bedeutet haben muss.
In Sekundenschnelle wurden die Sessel von der Bühne geräumt, die Gitarristen
griffen zu den elektrischen Gitarren, sein Jugendfreund und Lebensbegleiter,
der blinde Sänger Mansour Seck machte einen Jauchzer, und wie ein wild
gewordener Hornissenschwarm fiel Daande Lenol, mit plötzlich gigantischem, ja
fast schon zu druckvollem Sound, über das Publikum her, nahm es in einen
begeisternden Würgegriff, und ließ das letzte Europa-Konzert der laufenden
Welttournee zu einer Party werden, die man nicht oft erleben darf. Dabei legte
der aus dem Volke der Serer und Halpulaar stammende Sohn eines Fischers
blitzschnell einen Hebel um, ließ mit einem Mal wissen, warum er von vielen
Kritikern als einer der besten Sänger weltweit geadelt wurde, und zog ein Ass
nach dem anderen aus der Trickkiste seiner, meist durchaus politisch brisanten,
Kompositionen, die sich auf nunmehr über 10 Alben gesammelt haben, und die beim
afrikanischen, aber auch beim anwesenden Wiener Publikum den Reaktionen nach zu
schließen zum Großteil bekannt gewesen sein dürften.
Bilderbuchlehrstunde in westafrikanischem Ausdruckstanz
Die nun sagenhaft präzis arbeitende 10-köpfige Band
ermöglichte nicht nur dem Star des Abends tun und lassen zu können, was er
wollte, sondern auch einer Schar an afrikanischen und europäischen Gästen im
Publikum spontane – und durchaus meisterhafte Einstiege zum mitmusizieren. So
steuerte eine mir unbekannte rothaarige Dame mit einem sehr stimmigen Saxophon
Solo den jazzigsten Teil des Abends bei, an der Seite des großartigen
Percussionisten Mouhamdou Sarr fand sich plötzlich ein grinsender
Dreadlocks-Träger, der Sarr zuerst fragend ansah, bis ihn dieser kopfnickend
auf eine freie Trommel hinwies, genauer eine Sabar, die man mit einem Holzstock
und der flachen Hand bedient, was Mr. Dreadlock von der allerersten Sekunde mit
mörderischer Präzision und unter Beherrschung der schwierigen Technik
meisterte, und bei der nächsten Nummer erklomm ein anderer senegalesischer
Besucher die Bühne, griff sich eine Djembe, und ließ ein Solo vom Stapel, das
für Begeisterungsstürme sorgte. Der Einpeitscher und Entertainer in der Band,
Meister-Trommler Massamba Diop, neben Youssou N'Dours Assame Thiam der vermutlich
beste Tama-Spieler der Welt [die Tama ist eine mit Echsenhaut bespannte Talking Drum, die unter den Oberarm geklemmt - und von diesem gedrückt in
verschiedene Tonlagen gebracht - mit den Fingern und einem kleinen gebogenen
Klöppel in der anderen Hand bespielt wird; Anm.] ermunterte permanent die
anwesenden Senegalesen auf die Bühne zu kommen, was diese natürlich und Gott
sei Dank auch taten, denn so wurde den anwesenden Gästen eine
Bilderbuchlehrstunde in westafrikanischem Ausdruckstanz zuteil, welche manchmal
absolut nicht mehr jugendfrei war.
Dollar- und Euroscheine aller Größenordnungen setzen sich in
Bewegung und wanderten auf die Bühne in die stets bereiten Finger der Musiker,
ebenfalls eine Tradition in Afrika, und fast schon im Minutentakt wurden auch
kleine Stücke Haschisch und Gras an den über beide Ohren grinsenden Baaba Maal
übergeben. Nachdem die Einlagen der Gasttänzer immer akrobatischer wurden, ließ
sich auch Baaba Maal nicht lumpen und legte, längst bloßfüßig, und einem Wirbelwind
gleich einen Tanz aufs Parkett, der einem 20-jährigen zur Ehre gereicht hätte.
Längst schlingerte das Porgy wie ein in bedrohliche Brandung gekommenes Schiff
und den Dampf steuerte das elektrisierte, schwitzende Publikum bei.
Wenn es Youssou N'Dour ist, der manchmal auch live zu poliert und zu poppig
klingt, so ist auf Baaba Maal immer 100% Verlass, eine authentische
afrikanische Show geliefert zu bekommen, so auch dieses Mal im ehrwürdigen
Porgy & Bess, in dem nach dem dritten Song buchstäblich Alladin aus seiner
magischen Lampe schwebte und uns verzauberte. (Text: Dietmar Haslinger /
Weltenklang; Fotos: Baaba Maal Archiv)
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