Im Gespräch mit Robert Fischer erzählt Andreas Vollenweider
über sein aktuelles Album "Air" (Edel; 2009), über seine Live-Auftritte in
ungewöhnlichen Locations und warum Xavier Naidoo in seinem Garten parkte.
Der Schweizer Andreas Vollenweider hat mit einem ungewöhnlichen Instrument vor 30 Jahren eine Weltkarriere gestartet. Der mittlerweile 56-jährige Virtuose auf der Harfe veröffentlichte seither mehr als zwanzig sehr erfolgreiche Alben, wurde mit dem Grammy ausgezeichnet, und hat Genre übergreifend mit großen Stars wie Bobby McFerrin, Bryan Adams oder Carly Simon zusammen gearbeitet. Tourneen führten ihn neben Europa auch in die USA, Afrika, Asien und Lateinamerika, außerdem engagiert sich der Musiker in der Umwelt- und Friedensbewegung. Kulturwoche.at: Wie ist Ihre aktuelle CD "Air" entstanden? Andreas Vollenweider: Eigentlich war gar nicht geplant, dass ich ein neues Album mache. Ich sehe mich selber als ein Geschichtenerzähler. Also wenn mich jemand fragt, was ich genau mache, dann sage ich 'Geschichten erzählen'. Und ich wollte mich im letzten Jahr eigentlich meinem schon länger geplanten Buchprojekt widmen. Darin geht es u.a. um die geheimnisvollen Kräfte, die Musik entfalten kann. Während dem Schreiben bekam ich dann aber Lust, mich an die Instrumente zu setzen und dann dachte ich mir plötzlich 'Hey, jetzt könnte man doch auch spontan etwas machen!'. Und so ist das meiste von 'Air' spontan aus dem Improvisieren mit Freunden entstanden. Die Musiker auf "Air" sind also meistens Freunde, die Sie dann spontan zu den Sessions dazu geholt haben? Ja, ganz kurz gesagt, waren es einfach die, die Zeit hatten! Mit manchen arbeite ich schon seit vielen Jahren zusammen, andere sind neu dazu gekommen, wie z.B. Xavier Naidoo. Gesamt gesehen sind wir ein bisschen wie eine große Familie. Walter Keiser, der eigentlich seit 30 Jahren mein fixer Schlagzeuger ist, hatte leider einige Tage vor den Aufnahmen einen Motorrad-Unfall, bei dem er sich die Schulter brach. Aber er hat mir geholfen einen guten Ersatz zu finden, den jungen Züricher Drummer Kaspar Rast. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Xavier Naidoo? Künstlerisch kommt er ja aus einer ganz anderen Ecke als Sie? Jetzt im Nachhinein kann man sicher sagen, dass er sich sehr gut in das Ganze eingefügt hat. Er hat mich einmal vor einiger Zeit kontaktiert, ich habe mich mit seiner Arbeit beschäftigt und ich finde, er spricht in seinen Songs sehr wichtige Themen an. Er spricht da auch spirituelle Themen an, in einer Zeit, in der die meisten Künstler herzlich wenig Inhalte anzubieten haben. So gesehen, haben wir uns eigentlich schon über diese Inhalte künstlerisch getroffen, außerdem waren wir uns auch sehr sympathisch. Thema des neuen Albums ist "Air". Was war die Intention dahinter? Ganz abgesehen von irgendwelchen größeren Intentionen hinter dem Titel, habe ich einfach während der Produktion der CD immer stärker gemerkt, dass die Songs allesamt sehr sparsam arrangiert sind, Luft haben - also 'Air'! Ich bin ja aber eigentlich ein Barock-Typ, ich liebe die Fülle! Frühere Produktionen waren dichter, aber 'Air' ist anders, und hat, man könnte sagen, eine Art von Altersschlankheit. (lacht) Ich hatte einfach während dem Spielen das Bedürfnis nach mehr Raum. Außerdem soll die Musik für die Zuhörer, gerade in Zeiten wie diesen, eine willkommene Gelegenheit sein, dass man sich fallen lassen kann, seinen eigenen Gedanken nachhängen kann. Nicht unbedingt den Tönen lauschen, sondern einfach die Stimmung spüren. Zeit, um zu reflektieren. Gerade jetzt, in der Wirtschafts- und Finanzkrise, sollte man sich eigentlich fragen: Was soll das alles? Ist das die Antwort, nachdem sich die Krise beruhigt hat, ohne nachzudenken sofort wieder zum alten System zurückzukehren oder sollte man da nicht einmal etwas anderes probieren? Einerseits geht es da um das Kollektiv, wie wir damit umgehen, aber anderseits stehen hinter jedem Kollektiv auch die Individuen, die gerade diese Gelegenheit am Schopf packen müssen, sich fragen müssen, jeder für sich selbst: um was geht es eigentlich im Leben? Und Musik ist quasi die Möglichkeit, sich eine Scheibe aus der Zeit herauszuschneiden. Zeit um nachzudenken, Zeit zu reflektieren. Wenn wir Musik hören, haben wir diese legitime Auszeit. Und meine Musik gibt Gelegenheit dazu. Das war schon immer eine der Qualitäten meiner Musik, das weiß ich auch aus dem Feedback der Leute. Sie haben einmal gesagt, dass die Beziehung zu ihrem Instrument, der Harfe, vergleichbar einer Liebesbeziehung ist. Wie ist denn der aktuelle Stand nach 30 Jahren Beziehung? Gerade jetzt habe ich wieder großen Spaß Harfe zu spielen. Mit meiner neuen Band, dem Trio mit 'the Whistler' Daniel Küffer und Beat-Boxerin Stefanie Peter - die aber noch viele andere Sachen mit Ihrer Stimme macht - habe ich irrsinnig viel Spaß beim Spielen. Wenn die Gruppe so klein ist, bekommt das miteinander Spielen einen ganz neuen Stellenwert. Und die Liebe zur Harfe entflammt immer wieder neu. Ich muss sagen, Harfe spiele ich jetzt seit dreißig Jahren, und verheiratet bin ich vierzig Jahre. (lacht) Ich lerne auf meinem Instrument immer noch jeden Tag dazu und habe fast nie das Gefühl gehabt, an eine Grenze gestoßen zu sein, mit der Harfe nicht mehr weiterzukommen. Ich habe gelesen, Sie haben ein Faible für Auftritte an ungewöhnlichen Orten, wie z.B. Burgen und Schlösser. 1997 sind Sie aber auch schon einmal in einer vulkanischen Höhle auf Lanzarote aufgetreten. Was gefällt Ihnen daran? Um ehrlich zu sein, ist mir das gar nicht so ein Anliegen, und es ist eher so, dass die Veranstalter mit tollen Ideen zu mir kommen, und natürlich ist es auch für das Publikum etwas Besonderes, wenn man z.B. auf einer Burg oder in einer Vulkanhöhle auftritt. Trotzdem ist Aufgabe von uns Musikern, dass die Leute spätestens nach fünf Minuten vergessen, wo sie sind. Weil es darum geht, durch die Musik in die 'inneren Räume' zu kommen, das Rundherum sollte eigentlich Nebensache sein. Musik hat die Kraft, uns in diese inneren Räume zu führen. Es ist der breiten Öffentlichkeit vielleicht nicht so bekannt, aber Sie haben im Laufe der Jahre mit vielen berühmten Kollegen zusammengearbeitet, z.B. Milton Nascimento, Carly Simon, Luciano Pavarotti, Bryan Adams, Zucherro, Bobby McFerrin, Abdullah Ibrahim, Angelo Branduardi und anderen. Gibt es da noch jemand, mit dem Sie gerne etwas machen würden, aber es ergab sich noch keine Gelegenheit dazu? Es gibt noch einige Menschen, denen ich begegnet bin, wo man die gemeinsamen Ideen noch vertiefen könnte, z.B. mit Xavier Naidoo habe ich schon einmal geredet, dass wir vielleicht bald noch einmal eine ausführlichere Zusammenarbeit machen werden. Da könnte noch was kommen. Es war lustig, wir hatten gerade einmal wegen irgendetwas telefoniert, und ich erwähnte nebenbei, dass ich gerade im Studio arbeite und ob er Lust hätte vorbeizukommen. Er sagte spontan ja, war schon am nächsten Morgen da, und parkte mit seinem Wohnmobil einfach in meinem Garten. Das waren super vier Tage, mit vielen wunderbaren Jam-Sessions. Und so gibt es schon noch einige Leute, die mich von Ihrem Ansatz und Ihren Themen sehr interessieren. Aber da will ich keine Namen nennen. Mit Andre Heller würde ich z.B. gerne etwas machen. So wie Xavier Naidoo geht er in seinen Arbeiten auch an Grenzen. Sie sind mit "Air" derzeit auch auf Tour. Wann kommen Sie wieder einmal nach Wien? Hoffentlich bald [alle aktuellen Live-Termine gibt es HIER; Anm.]. Es ist schon lange her, dass ich in Wien aufgetreten bin. Ich bin ein großer Fan von Österreich und Wien. Mir gefällt der 'Spirit' in Wien, das Lebensgefühl. Da fühle ich mich als 'Barock-Mensch' sehr wohl. Ich mag auch die Küche und liebe den Naschmarkt. Und wenn die Österreicher mal aufmachen, dann geht die Post ab! (lacht) Der Schweizer an sich ist ja eher ein bisschen zurückhaltend und bleibt auf der kargen Seite. Ihr Österreicher seid da anders! (lacht). Das Interview mit Andreas Vollenweider führte Robert Fischer. Fotos: Beat Allgaier, Sandro Diener, Steven Haberland. |
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