Erfolgreiche Alben, unermüdliche Touren mit viel gerühmten Auftritten und prominente Fans wie Bob Dylan sorgen dafür, dass die australische Band The Waifs langsam aber doch, auch ohne Unterstützung eines Major-Labels, jene Aufmerksamkeit in Europa erhält, die sie verdient.
Songs für die Heimatlosen
"Die muss man aber eh nicht kennen, oder?" So oder ähnlich lautet die überraschte Reaktion der Umgebung, auf den Hinweis, dass die nächste Konzertreise nach London zu den "Waifs" geht. Gut, in Europa sind die Waifs (gegründet 1992 in Perth) vielleicht noch nicht so bekannt, aber in der Heimat Australien genießt die Band Kult-Status, veröffentlichte auch ohne Unterstützung einer Major-Plattenfirma schon einige sehr erfolgreiche Alben, tourt unermüdlich u.a. mit viel gerühmten Auftritten bei den wichtigsten U.S. Folk-Festivals und mittlerweile zählt auch Bob Dylan zu Ihren Fans, der die Band 2003 als Vorgruppe für seine Tournee engagierte.
Also Grund genug für einen Trip nach London, um die Band, die in der britischen Hauptstadt wegen der vielen Australier, die dort arbeiten oder studieren, eine besonders große Fan-Gemeinde besitzt, einmal live zu erleben. Das "Forum", das ein Fassungsvermögen von ca. 2.000 Plätzen hat, war schon gut gefüllt, als die Show durch den jungen Singer/Songwriter Carus, der ebenfalls aus dem Land der Kängurus stammt, eröffnet wurde. Er spielte einen energiegeladenen Solo-Set, und ließ sich auch durch das zweimalige Reißen einer Gitarren-Saite nicht aus dem Konzept bringen. Die Musik von Carus erinnert ein wenig an Jack Johnson, Live-Erfahrung sammelte er u.a. schon an der Seite der Dave Matthews Band und Damien Rice. Die begeisterte Reaktion auf den Auftritt von Carus zeigte schon an, dass das Publikum wirklich zum großen Teil aus "Aussies" bestand, die nach kurzer Umbaupause auch den Waifs einen begeisterten Empfang bereiteten.
Das musikalische Konzept der Waifs ist simpel, funktioniert aber auch in der Live-Umsetzung perfekt: Während sich die Schwestern Donna und Vikki Simpson bei den Lead-Vocals der einzelnen Songs abwechseln, ist Gitarrist Josh Cunningham der Mann für die exquisiten Solo-Parts, der nur gelegentlich auch ein Stück singt. Unterstützt von Ben Franz am Bass und David McDonald am den Drums entsteht so ein mitreißender energiegeladener Folk-Rock mit bluesigen Untertönen (Vikki Simpsons Mundharmonika), der manchmal an die Indigo Girls oder Lucinda Williams erinnert.
Des weiteren haben viele Songs der Waifs schon beim ersten Hören Mitsing- und Ohrwurm-Charakter, ohne kitschig zu sein. So ist der Band beispielsweise mit "London Still" die perfekte Hymne für alle in London Gestrandeten gelungen, die auch bei dieser Show Ihre Wirkung nicht verfehlte, und von sicher 1.500 der 2.000 Anwesenden leidenschaftlich mitgesungen wurde. Einer der weiteren Höhepunkte war "Bridal Train", die berührende Story über ein "Australian Girl", das ihr Herz an einen US-Seemann verliert, und in Folge das Land verlässt - ein weiterer Song der Waifs, der Heimweh bzw. Heimatlosigkeit zum Thema hat, und deswegen nicht nur vielen Exil-Australiern aus der Seele spricht, die Schicksal, Liebe oder Arbeit in ferne Länder verschlagen hat.
Gegen Ende der Show schickten die Waifs Ihre Band vorzeitig in die Garderobe und spielten zur Freude des Publikums bei den Zugaben nur akustisch einige Oldies wie "Haircut" oder "Shiny Apple". Abschließend bleibt nur zu hoffen, dass die einige Tage zuvor bei der Show in Wolverhampton verkündete Baby-Pause der Waifs (Donna und Vikki erwarten bald Nachwuchs) nicht zu lange andauern wird, bis dahin müssen wir uns halt mit der kürzlich erschienenen Live-Doppel-CD "A Brief History" trösten… (Text und Fotos: Robert Fischer)
CD-Tipp:
The Waifs - A Brief History
Link-Tipp:
Bandinfos unter www.thewaifs.com