Der Waldviertler, so sagt man, zeichnet sich ja u. a. durch
seinem konsequentem Verhalten aus (andere mögen es Sturheit nennen) - eine
Charaktereigenschaft, die in manchen Belangen zu nachhaltigen Qualitäten führen
kann. Da wäre z.B. das Musikfest in Waidhofen/Thaya, das zwischen 3. und 5. Juli
2009 zum bereits 30. Mal über die Bühne gehen wird.
Hendl vom Holzkohlengrill, friedliche Atmosphäre, klasse Musik. Die Lässigkeit des Daseins atmen kann man immer noch am Besten bei den kleinen und mittleren Festivals, die quasi der Gegenpol zu den größenwahnsinnigen Festivals wie Nova Rock sind. Das Internationale Musikfest Waidhofen/Thaya also. Familiarität steht im Vordergrund, diese spiegelt sich in der Gesamtgestaltung wider, und natürlich auch in musikalischer Hinsicht. Die Mischung macht's aus. Internationale Musiker und Bands sind - dem Festivaltitel gemäß - genauso zu hören wie Musikbotschafter aus Österreich. Und weil das Wetter - im Gegensatz zum Musikfest - ja äußerst unbeständig ist, Frage an Festivalleiter Herbert Höpfl, unter welchen Umständen das Musikfest gefährdet ist. Höpfl: "Selbst im Jahr 2006, als das Hochwasser die nahe gelegene Stadt Raabs komplett unter Wasser stellte, haben wir zur selben Zeit das Musikfest - und das direkt neben der Thaya - durchgeführt. Es wurde damals allerdings ein Teil des Campingplatzes gesperrt, sodass die Besucher nicht zum Wasser gehen konnten. Das hat sich damals bewährt. Ein 2. Campingplatz ist auf der anderen Seite des Parkplatzes, der zwar auch neben der Thaya ist, aber dort ist die Thaya bereits in einem sehr tiefen Flussbett und kann nicht ausufern. Eine Turnhalle würde es geben, das wäre aber dann der letzte Schritt, den wir setzten, in 30 Jahren haben wir das noch nie gebraucht. Das Festival wird also stattfinden. Natürlich gibt es höhere Gewalten, die niemand vorhersagen kann, prinzipiell sind wir aber sehr zuversichtlich." Freitag, 3. Juli 2009
Eröffnet wird das 30. Musikfest am 3. Juli um 17 Uhr mit der
Waldviertler Formation C. Volf & Band. Dahinter verbirgt sich Claudia Volf,
die sich seit mehr als einem Jahrzehnt dem Folk, Rock & Blues widmet und früh
ihre Stimme als Ausdrucksmittel mit befreiender Wirkung entdeckte. "Die
Spielfreude zählt, nicht die Bühnenshow", so das Motto der 36-jährigen Sängerin
und Gitarristin. Die zielstrebige Waldviertler Musikerin wird das
Jubiläumsfestival mit einer Mischung aus Blues, Folk, Balladen bis hin zu
berührend- witzigen Songs eröffnen. Danach - um 19 Uhr - geht's ab nach New
Orleans, na ja, zumindest musikalisch, und zwar mit der österreichischen Band Mammut
Horns, einem Klang gewordenen Schmelztiegel, der den Blick auf ein produktives
Miteinander unterschiedlichster Musiktraditionen erlaubt. Elemente des New
Orleans Jazz, verbunden mit HipHop Grooves, irischer Musik und arabischen
Skalen sowie Mundartmukke über Reggaerhythmen verschmelzen zu einer neuen
Klangsprache. In den Reihen der Mammut Horns stehen Top-Musiker der
österreichischen Jazzszene. So war z. B. Bandleader Raoul Herget bereits 1993
Dirigent des Symphonieorchesters, welches Falco in Wr. Neustadt vor 10.000
Besuchern begleitete. Um 21:30 Uhr heißt es Bühne frei für Soul aus Texas mit Singer/Songwriterin
Ruthie Foster, die mit Songs beeindruckt, die wertvollste Ingredienzien aus
Blues, Gospel, Folk und Soul beinhalten, aber dennoch einen strikt heutigen
Sound haben. Wegen ihrer berührenden Stimme wurde sie bereits des Öfteren mit
Aretha Franklin und Ella Fitzgerald verglichen. Auf ihrem jüngsten Album "The
Truth According To Ruthie Foster" präsentiert sie einen geradezu
unwiderstehlichen, groovigen Mix im Spannungsfeld von R&B, Folk, Blues und
klassischem Southern Soul. Das wäre dann aber noch lange nicht alles, mit Axel
Zwingenberger und Vince Weber legt der letzte Act des Tages nämlich um
Mitternacht los. Damit wird ein lang ersehnter, jedoch aus terminlichen und
technischen Gründen nie realisierter Wunsch des Clubs in Erfüllung gehen,
nämlich die beiden größten Boogie-Pianisten Europas vereint auf eine Bühne zu
bringen. Und damit sich die beiden nicht streiten, sich aber musikalisch
duellieren können, wird jeder von ihnen mit einem eigenen Flügel ausgerüstet.
Waidhofen verleiht eben Flügel!
Ausgeschlafen? Hoffentlich, am samstägigen Unabhängigkeitstag beginnt es nämlich schon um 11 Uhr, und zwar - durchaus US-kompatibel - mit einer Blues-Matinee mit der bereits legendär nennen zu könnenden Waldviertler Band Bluespumpm, jenem Phänomen, die für sich in Anspruch nehmen kann, bereits beim 1. Musikfest 1980 dabei gewesen zu sein. Um 13:30 Uhr feiert sich dann das Musikfest quasi selbst. Motto: "40 Musiker/innen, 30 Jahre Folk Club, 20 Songs - Jetzt wird der Saumist fliaggad!" als Hommage an alle Waldviertler Musiker, die in den letzten 30 Jahren durch die Türen des Folkclubs gewandert sind. Hier wird der Versuch gewagt, mit einer kleinen Auswahl ebenjener Musiker einen musikalischen Rundumschlag zu starten. An die 40 Musiker gestalten ein 2-Stunden-Programm, das hauptsächlich aus Eigenkompositionen besteht und von unterschiedlichsten Stilrichtungen geprägt ist - Blues, Rock, Jazz, Folk... - und dazu gibt es Musikanekdoten, erzählt von Herbert Höpfl. Um 17 Uhr wird es dann mit dem Dobrek Bistro kosmopolitisch. Das Quartett bezieht sich mit seinem Namen sowohl auf die virtuose Rasanz ihrer Darbietungen als auch auf die melancholische Eleganz, die Dobrek, der für alle Kompositionen verantwortlich zeichnet, am Pariser Musette-Walzer so liebt. Musette, lateinamerikanische Formen wie Salsa, Tango und Bossa Nova, Jazz, Gipsy Swing, klassische Einflüsse, die Musik des Balkans und Orients, der Roma und Juden Osteuropas sowie slawische Volksmusik sind die Zutaten dieser Stilmelange, für deren Bezeichnung Etiketten wie "Fusion" oder "Crossover" bereits zu abgegriffen sind. Ihre Küchengeheimnisse lasse man sich am besten vom Maître de Cuisine, Krzysztof Dobrek, beschreiben: "Bei uns klingt der Salsa zigeunerisch, der Tango wienerisch, der Jazz jiddisch und die Musette hat einen russischen Touch." Gänzlich andere musikalische Wege beschreitet die österreichische Formation A Life, A Song, A Cigarette. Die schon nach ihrem Debüt "Fresh Kills Landfill" gefeierte Indie-Countryband aus Wien geht unbeirrt ihren Weg Richtung westlicher Teil der USA, zitiert ungeniert Akkordfolgen, wie sie sonst nur in Nashville gespielt werden, und kombinieren gesanglich und textlich die Sensibilität und Verletzbarkeit mit druckvollen, intensiven Gitarren. Mit Mike Stern & Band betritt um 21:30 Uhr einer der ganz Großen die Waldviertler Bühne. "Innovativ. Hochtalentiert. Unglaublich vielseitig. Einer der größten Gitarristen seiner Generation." Solche und ähnliche Attribute begleiten Mike Stern, Jazzgitarrist mit Background im Rock- und Bluesbereich, der nach seinem Einstieg bei Blood, Sweat & Tears im Jahre 1975 stets in der Top-Liga der Jazz- und Jazzrockformationen zu finden war und ist: Miles Davis holte ihn 1981 in seine Comeback-Band, in der ihm eine Schlüsselrolle zukam. Zweimal "Bester Jazzgitarrist des Jahres", dreimal Grammy-nominiert, präsentiert der heute 56-jährige seine Band, in der er drei Superstars der Jazzrock-Szene versammelt hat, darunter kein Geringerer als Dave Weckl. Der Ausnahme-Schlagzeuger gilt als einer der Top-25-Drummer weltweit. 1985 trat Weckl in der Chick Corea Elektric Band bei und wirkte auch in Coreas Akoustic Band mit. Es folgten sieben Jahre, in denen er seine bemerkenswerten Fertigkeiten zum Ausdruck bringen konnte, was ihm weltweite Anerkennung verschaffte. 1989 gewann er mit der Akoustic Band einen Grammy. Und noch eine musikalische Sensation steht am Programm. Die samstägliche Mitternachtsband KAL präsentieren Roma-Traditionen ihrer Vorväter in neuem, urbanem Gewand. Einflüsse aus Pop, Rock und Punk, aber auch aus dem Orient, sind unüberhörbar. Der charmante Handschlag von modernem Selbstverständnis mit den Traditionen ebnet dem einen und anderen Titel vielleicht sogar den Weg in westliche Pop-Charts. Die ganz in schwarz gekleideten jungen Herren empfehlen ihrem tanzwütigen Publikum besonders halsbrecherische Stücke selbstbewusst als "Rock'n'Roma". Sonntag, 5. Juli 2009
"He, habt ihr irgendwo meinen Kater gesehen?" |
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