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vao-2009Im Stadttheater von Bruck/Leitha fanden die nicht öffentlich zugänglichen Proben von "Third Dream", dem neuen Programm vom Vienna Art Orchestra statt. Die wenigen, die dort sein durften, erlebten dabei einen radikalen Wandel des international anerkannten Klangkörpers unter der Leitung von mathias ruegg. Live ist das VAO im Mai in Österreich, Deutschland und der Schweiz zu hören.

Waiting for a year of passion

Beim VAO ist "alles wie gehabt und doch alles neu", so ruegg, und: "Der Klangkörper Big Band wird durch ein Kammerorchester ersetzt, in dem klassische und Jazzmusiker vereint sind. In einer konsequenten Form, die es bis jetzt SO noch nicht gegeben hat." Die Veränderung des musikalischen Grundprinzips zog auch eine personelle Neuorientierung mit sich, die Mehrzahl der Musiker/innen im VAO sind Neuzugänge, rekrutiert aus jungen klassischen Musikern, "die auch in jazzverwandten, improvisatorischen Stilen gleichermaßen beheimatet sind".

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Jazz-Kammerorchester

Mastermind ruegg gelang mit "Third Dream" ein ungemein dichtes melodiöses Werk basierend auf ein 13-zeiliges Gedicht, das 1995 auf einer zerstörten Mauer in der Nähe von Novi Sad geschrieben stand. Jede einzelne Zeile steht dabei für eine assoziationsreiche Komposition, zusammengefügt von diesem neuen "alten" Jazz-Kammerorchester mit Niveau und Spielwitz. "Ich glaube, es ist eine sehr melodische Musik und eine sehr energetische", erzählte ruegg nach der Probe, und: "Es sind einfach neue Klangfarben, hat aber mit Neuer Musik nichts zu tun, aber es hat schon damit zu tun, dass man Instrumente hört, die man im Jazz normalerweise nicht hört." Was sich auch durchaus als musikalische Umsetzung des Kunstbegriffs anhört, "ist", so ruegg, "der Gegensatz zum Kommerz. Interessant ist ja, dass es in Amerika keinen Unterschied von Kunst und Kommerz gibt. Es ist eine europäische 'Idee' schlechte Kommerzmusik zu machen, und damit es den Leuten gefällt muss man zehn Stufen unter sein Niveau gehen. Die Amerikaner denken nicht so. Die sagen sich, 'okay, ich mache Country, und das mache ich, so gut ich kann'. Oder sie machen ganz etwas Ausgeflipptes wie John Cage, aber so verständlich, dass es jeder versteht."
Verjüngtes Kunstorchester

Da wir schon über den Kunstbegriff an sich sprachen, blenden wir mal kurz aufs Jahr 1977 zurück, zu den Anfängen des VAO, das sich anfangs "Premier Orchestre d'Art de Vienne" nannte. ruegg lächelte bei dem Gedanken, dass es in Wien kaum jemanden gab, der diesen Namen aussprechen konnte: "Das war auch ein Seitenhieb aufs Establishment. Aber es hatte immer den Vorteil, dass der Name alles offen gelassen hat. Das Vienna Art Orchestra hat ja viele Gesichter und viele Besetzungen gehabt. Insofern ist das gut, weil der Begriff einfach viel zulässt." Diese Rückbesinnung auf das unerwartete, diese neuen Töne des wieder erstarkten und verjüngten Kunstorchesters sind - man könnte es nach dem gehörten Probeauftritt auch dahingehend deuten - erneut ein Seitenhieb aufs Establishment und auf die gelangweilte Gesellschaft. In jedem Fall ist es Musik jenseits von E- und U-Musik mit einem Füllhorn an konsequenten und mitreißenden Ideen. (Text und Fotos: Manfred Horak)