"Alles verloren" heißt sie, die aktuelle Platte von Binder & Krieglstein. Aber nicht, dass hier einer glaubt, es handle sich dabei um eine Depro-Nummer. Denn Rainer Binder-Krieglstein sieht das mit dem Verlieren nicht so eng. Alles eine Frage des Stils, würde er sagen. Und mit dem Stil, das muss man ihm lassen, da kennt er sich aus.

Woher hat der Binder diese Klasse, woher die Kaltschnäuzigkeit, das sorglose Temperament? Ein Blick aufs Cover, und wir ahnen es: Von blauem Geblüt ist er! Zwar ist Gut und Geld verloren, aber den Binder kümmert's nicht: Er macht Musik, als ob es kein Morgen gäbe. Trashige Klänge, aber mit feiner Klinge, wilde Melodien, aber immer mit Raffinesse. Seine Vorfahren seien aus dem Elsässischen gekommen, sagt er. Und dort seien schließlich auch Sauerkraut und Champagner die glücklichsten Verbindungen eingegangen. Nun: nicht dass man dem Binder alles glauben muss, aber den Hang zum souveränen Kombinieren, den hat er. Und eine Nonchalance in den Brüchen. Da sollte man diverse Erbschaften nicht unterschätzen, nicht wahr. Weil die Binders und die Krieglsteins schon immer Leute fürs Grobe und fürs Feine gewesen sind: Hersteller von Weinfässern und Ingenieure, Landwirte, Goldschmiede und Kulturbeamte. Stadtmusikanten auch. Sagt die Familienchronik. Und Nostalgiker: Wie Bruno, Verfasser der "Jugenderinnerungen eines alt-österreichischen Salonlöwen". Und der Binder selber? Sagen wir es einmal so. Er ist Privatier. Ein gründlicher Müßiggänger. Ein Mann von Welt, aber mit Klo am Gang. Und unterm feinen Zwirn das Familienwappen tätowiert. Ein Pfundskerl. Auch noch, wenn alles verloren ist.

Versuch einer Biographie

binder-krieglsteinEine Zeitlang trugen die angesagtesten Formationen und Projekte der österreichischen Musikszene spröde Doppelnamen: Kruder & Dorfmeister, Dzihan & Kamien, Pulsinger & Tunakan. Es waren schlichtweg die Familiennamen der Protagonisten, die im Zug des "Vienna Sound"-Hypes der neunziger Jahre internationale Strahlkraft entwickelten und zu Aushängeschildern eines neuen Pop/Elektronik-Selbstverständnisses wurden. Als sich dann auch noch Binder & Krieglstein ins Namensverzeichnis eintrugen, war der erste Reflex der Gedanke an kecke Trittbrettfahrerei. Weit gefehlt: hier manifestierte sich à priori der Witz, die Ironie und das spielerische Selbstverständnis von Rainer Binder-Krieglstein aus Graz. Hinter dem vermeintlichen Newcomer-Duo steckte einer. Rainer. Und sonst keiner. Purer Eklektizismus? Eher: abgeklärte Lebenslust. Weitfächriger Minimalismus. Der Drang, Stimmungen, Attitüden und Gefühlslagen einzufangen und hochkonzentriert an den immer wieder freudig überraschten Hörer weiterzugeben. Binder&Krieglstein live: Da ist für schrullige Folk-Gitarren ebenso Platz wie für quengelige Kontrabässe, atmosphärische Downtempo-Grooves, swingende Jazz-Texturen und straighte Tech-House-Beats. //

Text: Walter Gröbchen
Fotos: Ottensheim (CC BY-SA 2.0 AT); Monkey Music