Die Erwartungshaltung war ja nicht gerade groß, als bekannt wurde, dass U2 mit "No Line On The Horizon" ein neues Studio-Album veröffentlichen werden. Zu groß war die Enttäuschung der letzten Alben.
Eigentlich glaubte ich ja bereits ein überzeugter U2-Atheist zu sein, lächelte (wenn überhaupt) nur müde über die Alben "Pop" (1997), "All That You Can't Leave Behind" (2000) und How To Dismantle An Atomic Bomb (2004). Die Band, so schien es, befand sich in einem Dauertiefzustand, von relevanter Musik keine Spur, alles wirkte nur noch zeitgeistig, aufgesetzt, ideenlos, müde, bombastisch. Ein einziges musikalisches Auffanglager für die breite Masse, denn interessanterweise schafften sie es weiterhin mit jedem Album die Top-Platzierung in den US-UK-D-A-etc.-Charts zu erreichen. Und jetzt das. "No Line On The Horizon" heißt also das neue Album der Herren Bono, The Edge, Adam Clayton und Larry Mullen Jr., das mit tatkräftiger Unterstützung von Brian Eno, Daniel Lanois und Steve Lillywhite zustande kam. Das wunderschöne Cover zeigt gewissermaßen die wieder gefundene musikalische Qualität. 11 neue Lieder sind zu hören, darunter kaum ein schwaches, sondern vielmehr etliche Highlights. Innerhalb des U2-Oeuvres kann "No Line On The Horizon" getrost zu den fünf besten U2-Alben gezählt werden. An vielen Stellen des Albums kommt es mir so vor, als ob U2 quasi nochmals dort ansetzen wollen, wo sie nach der ersten Trilogie "Boy" (1980), "October" (1981) und "War" (1983) samt nachgelegtem Live-Album "Under a Blood Red Sky" (1983) standen. An der Schwelle zur "The only band that matters". Das Album markiert tatsächlich eine Art Horizontenerweiterung, spielt mit dem bereits vorhandenen Wissen der für U2 so starken 1980er Jahre und tatsächlich schaffen sie es auch, diese Erfahrungen in konzentrierter und unpeinlicher Art auf Tonträger zu bannen. Bereits die ersten drei Lieder - das Titelstück, "Magnificent", "Moment of Surrender" - vereinen das ursprüngliche Rock-Element von U2 mit eingestreuten experimentellen Sequenzen und gehören überhaupt so ziemlich zum besten, was die Band jemals einspielte, ganz zu schweigen von "Cedars of Lebanon", dem ruhigen Schlussstück des Albums. Jeder Song trägt das Gefühl in sich, dass U2 wieder eine Band ist. Motiviert bis in die Zehen- oder Haarspitzen und wieder überzeugt von sich relevante Musik machen zu können. Wird man noch lange hören wollen. (Manfred Horak)
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